- Gaddafi kann anders gestoppt werden!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren!
In diesen Tagen scheint die Welt manchmal aus den Fugen zu geraten. Bei all den Katastrophenmeldungen weiß ich manchmal gar nicht mehr, welche mich am meisten erschüttert. Gestern Nacht hat der UN-Sicherheitsrat einen Kriegseinsatz in Libyen beschlossen. Da geht es nicht nur um eine Flugverbotszone, sondern es wurde auch genehmigt, dass Gaddafis Truppen flächendeckend bombardiert werden. Herr Polenz, es wurde auch genehmigt, dass zumindest zeitlich begrenzt ausländische Bodentruppen auf libyschem Gebiet eingesetzt werden dürfen. Das Einzige, was ausgeschlossen wurde, sind Besatzungskräfte. Für einige Tage, für einige Wochen können aber auch große Kontingente ausländischer Truppen in Libyen Krieg führen. Wir finden diesen Kriegseinsatz falsch.
(Beifall bei der LINKEN)
Dieser Kriegseinsatz ist falsch; denn er wird noch mehr Blutvergießen fordern und noch mehr Leid und Zerstörung über Libyen bringen. Deswegen muss ich Ihnen, Herr Westerwelle, sagen: Ich finde es gut, dass sich Deutschland gestern enthalten hat.
(Thomas Oppermann (SPD): Erst Gaddafi gelobt, dann Westerwelle!)
Wir hätten Nein gesagt; aber eine Enthaltung ist ein echter Fortschritt, vor allem gegenüber der rot-grünen Regierung,
(Beifall bei der LINKEN)
die im Jahr 2001 aus Solidarität mit den Amerikanern und den Engländern blind in den Afghanistan-Krieg gegangen ist. In diesem Krieg hängen Sie immer noch. Sie haben immer noch nicht aus Ihren Fehlern gelernt.
Herr Mützenich von der SPD, wenn ich Sie hier heute höre, muss ich sagen: Sie von der SPD sind im Moment die größten Kriegstreiber im Bundestag.
(Beifall bei der LINKEN - Thomas Oppermann (SPD): Sie haben doch nicht alle Tassen im Schrank!)
Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse:
Herr Kollege, ich erteile Ihnen einen Ordnungsruf. Ich habe gerade dazu gemahnt, dass wir uns wechselseitig nicht solche Vorwürfe machen.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)
Jan van Aken (DIE LINKE):
Ich nehme diesen Ordnungsruf mit Stolz an.
(Dr. Rolf Mützenich (SPD): Pfui! - Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Kopf ist schon ganz rot!)
Ich muss sagen: Herr Mützenich, wie Sie hier mit rotem Kopf stehen und für einen Kriegseinsatz in Libyen plädieren, das ist, als ob Franz Josef Strauß wieder auferstanden wäre. So stellen Sie sich hier gerade dar.
(Beifall bei der LINKEN - Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber Milliardenkredite annehmen!)
Herr Westerwelle, wie gesagt, ich finde Ihre Entscheidung sehr klug und sehr konsequent. Ich hoffe, dass Sie jetzt konsequent bleiben. Wenn Sie sich hier hinstellen und sagen: „Keine deutsche Beteiligung“, dann hoffe ich, dass Sie das konsequent bis zum Ende durchdenken. Das heißt auch: keine deutschen Bundeswehrsoldaten in AWACS-Flugzeugen, die jetzt schon dort herumfliegen.
(Beifall bei der LINKEN)
Das heißt auch, dass Ramstein und andere US-Basen in Deutschland für den Kriegseinsatz in Libyen nicht genutzt werden. Das heißt auch, dass Sie im NATO-Rat dagegenstimmen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Damit können Sie sogar noch etwas aufhalten; denn im NATO-Rat wird einstimmig beschlossen.
Natürlich ist es völlig richtig, das mörderische Treiben von Gaddafi zu stoppen; da sind wir uns hier alle einig. Es gibt Punkte in der Resolution, die dazu absolut geeignet sind. Herr Westerwelle hat dies vorhin aufgeführt. Gaddafi kämpft im Moment ausschließlich mit seinem Geld. Er kauft für sein Geld Söldner. Er hat vor einigen Wochen in Tripolis Geld verteilt, um sich Unterstützung zu sichern. Wenn wir ihm den Geldhahn abdrehen, wenn weltweit kein Mensch mehr Öl aus Libyen kauft, kann er irgendwann keine Söldner mehr bezahlen.
(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von der CDU/CSU: Das ist Dummheit, was Sie erzählen!)
Ein weiteres Thema darüber hat hier noch niemand geredet sind die deutschen Waffen und die Waffenexporte nach Libyen.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
In der Resolution wird ein Waffenembargo gefordert. Das ist richtig.
(Beifall bei der LINKEN)
Das ist auch gut so. Denn wenn alle Länder um Libyen herum keine Waffen und keine Patronen mehr durchlassen, dann geht Gaddafi irgendwann, und zwar ziemlich schnell, die letzte Patrone aus. Das ist eine richtige Forderung in der Resolution, die wir unterstützen.
Jetzt muss ich Ihnen von der SPD etwas sagen. Frau Heide Wieczorek-Zeul, wenn Sie von Responsibility to Protect reden, dann erinnere ich Sie daran, dass Sie zu einer Zeit, als Deutschland Waffen an Libyen geliefert hat, Ministerin waren.
(Beifall bei der LINKEN)
In der Zeit der Großen Koalition wurden Waffen im Wert von 86 Millionen Euro an Libyen geliefert, Waffen, die jetzt gegen die Aufständischen eingesetzt werden. Das ist die Verantwortung der SPD. Wenn Sie, nachdem Sie Waffen geliefert haben, jetzt sagen: „Dann bekämpfen wir sie mit der Bundeswehr“, dann ist dies das Wort, an das ich gerade denke, darf ich nicht mehr sagen nicht mehr zu überbieten.
(Beifall bei der LINKEN)
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Deutschland überhaupt keine Waffen mehr exportieren sollte. Ich fühle mich manchmal wie in dem Film Und täglich grüßt das Murmeltier.
(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)
Als es im Januar dieses Jahres um Tunesien ging, hat die Bundesregierung irgendwann entschieden, keine Waffen mehr an Tunesien zu liefern. Wir haben Sie damals gefragt: Warum gilt das nicht auch für Ägypten, warum nicht auch für Saudi-Arabien? Aber Sie haben Ihre Entscheidung auf Tunesien beschränkt. Ein paar Wochen später haben Sie die Waffenexporte nach Ägypten beschränkt. Da haben wir gesagt: Richtig so! Aber warum gilt das nicht auch für Saudi-Arabien, warum nicht auch für Libyen? Ein paar Wochen später haben Sie die Waffenlieferungen nach Libyen gestoppt. Ich sage Ihnen heute ein für alle Mal: Stoppen Sie alle Waffenexporte in den Nahen und Mittleren Osten, an alle Diktatoren dort!
(Beifall bei der LINKEN)
Ich stelle fest, dass es in der Region einige Länder gibt, die schon zugesichert haben, sich an der Operation gegen Libyen zu beteiligen, so zum Beispiel Katar. Katar wurde von Deutschland im letzten Jahr mit Waffen im Wert von 1,3 Millionen Euro ausgestattet, mit Sturmgewehren und anderem Material. Es sind also deutsche Waffen, die jetzt eingesetzt werden.
Herr Westerwelle, noch ein letztes Wort. Sie haben Bahrain erwähnt. Ich fand es sehr gut, dass Sie gesagt haben: Wir stehen auf der Seite der Bevölkerung von Bahrain, die sich jetzt gegen den dortigen Diktator wendet. Wenn das so ist, müssen Sie aber auch etwas dazu sagen, dass Saudi-Arabien gerade in Bahrain einmarschiert. Saudi-Arabien wird von Deutschland seit Jahren mit Waffen im Millionenwert ausgestattet.
(Beifall bei der LINKEN)
Deutschland liefert sogar eine Waffenfabrik und eine Munitionsfabrik nach Saudi-Arabien. Das müssen Sie endlich beenden! Wenn Sie die Bevölkerung von Bahrain unterstützen wollen, stoppen Sie sofort alle Waffenlieferungen!
Ich bedanke mich bei Ihnen.
(Beifall bei der LINKEN)