Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Lassen Sie uns zunächst einmal festhalten, dass die Debatte ein wenig über den reinen Einzelplan Gesundheit hinausreicht und dass wir angesichts der Lage von der Finanzierung des Gesundheitssystems an sich sprechen müssen. Lassen Sie mich auch ein paar Punkte klarstellen, damit wir vielleicht einen gemeinsamen Ausgangspunkt haben.
Erstens. Die Finanzierung des Gesundheitssystems kollabiert. Wir brauchen unverzüglich eine Reform. Ich glaube, so einig sind wir uns eigentlich.
Zweitens. Verantwortlich sind die bisherigen Regierungen, mindestens die Gesundheitsminister der vergangenen Jahre, die munter die letzten Rücklagen aufgebraucht haben. Ich erinnere übrigens an den Anfang der 2010er-Jahre: „Krankenkassen sind keine Sparkassen“. Das war so ein PR-Spruch, den jeder mal ins Mikro sagen durfte. Jens Spahn war einer von ihnen gewesen.
(Beifall bei der Linken sowie der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Und ich sag mal so: Diese Aufgabe hat er ein wenig übererfüllt.
(Beifall bei der Linken)
Drittens. Diese ehemaligen Minister sind jetzt Teile der Regierungsfraktionen. Einer davon ist aus irgendeinem Grund befördert worden und ist jetzt Unionsfraktionsvorsitzender: Jens Spahn.
Viertens. Die Koalition der Schuldigen hat – oh Wunder! – keine Lösung gefunden und beauftragte gerade diese Woche eine Kommission, die bis 2027 Ergebnisse herausfinden soll.
So weit die Faktenlage. Und jetzt geht’s los: „Keine Denkverbote“, Frau Warken, haben Sie gesagt. Was nun von Ihresgleichen aber plötzlich raussprudelt an Gedanken, ist schon einigermaßen hart, wobei das mit Denken nur bedingt etwas zu tun hat, eher mit Rückenmarkreizreaktionen von Marktsüchtigen, die den Sozialstaat gänzlich verbuddeln wollen:
(Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Oijoijoi!)
Die Praxisgebühr 2.0 von Herrn Streeck als Drogenbeauftragtem – der beste, den die Union je hatte – ist wohl wirklich nicht die beste Idee.
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Frau Warken, Sie haben gleich höchstpersönlich Leistungskürzungen ins Spiel gebracht. Und Ihr Staatssekretär Herr Sorge hat es auch mal wieder in die Presse geschafft, indem er eine Krankenkassenfinanzierung light einführen will. Ich frage mich: Was soll das eigentlich? Jetzt ernsthaft: Wenn das Bein abgerissen ist und der Mensch verblutet, wird er auch in Zukunft noch behandelt, aber bei Karies soll nur noch jeder zweite Zahn behandelt werden?
Was an der ganzen Situation aber entscheidend ist und das Ganze gar nicht mehr lustig macht: Glaubt eigentlich wirklich einer aus der Koalition, dass die, die eh schon enttäuscht sind von den gesellschaftlichen Zuständen, sagen: „Gute Idee, so könnte es klappen“? Ja, lasst sie doch wieder 10 Euro Praxisgebühr zahlen; das hat vor 15 Jahren schon so gut geklappt!
(Beifall bei der Linken sowie der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Ach, das Gesundheitssystem funktioniert voll gut, wir können die Leistungen kürzen! Wir haben zwar noch keine Therapie für 650 000 ME/CFS-Patientinnen und -Patienten, aber lasst mal das System entschlacken! – Was glauben Sie eigentlich, wie das in der Gesellschaft ankommt, sehr geehrte Damen und Herren?
(Beifall bei der Linken)
Das Absurdeste ist: Frau Warken, Sie erzählen die Unwahrheit. Keine Denkverbote? Aber hallo! Aus dem Arbeitsauftrag von Ihnen an die Reformkommission: „Ferner sollte die Dualität des bestehenden Systems von gesetzlicher und privater Krankenversicherung im Grundsatz respektiert werden.“
Keine Denkverbote, aber sollte sich irgendjemand an die Privatversicherung rantrauen, dann gibt’s Ärger. Nach oben schauen auf die, die Geld haben, so frei sind die Gedanken dann doch nicht.
Ich war überrascht, als Sie einmal behaupteten, die Aufgabe der Kommission gleiche einer Quadratur des Kreises. Aber stimmt: Wenn die Scheuklappen so sind, dann wird es irgendwie schwierig. Dort, wo das Geld ist, darf keiner hinschauen. Reißen Sie mal die Augen auf! Nehmen Sie die Klappen ab! Schauen Sie nach oben! Weg mit der Beitragsbemessungsgrenze! Lassen Sie auch die Vermögenden in die Gesetzlichen einzahlen! Wenn Sie Ihre Spezl daran beteiligen würden, wenn die, die hier sitzen, endlich in die Gesetzliche einzahlen müssten, dann würden die Beiträge für den Durchschnittsverdienenden, für die Rentnerin sogar sinken.
(Beifall bei der Linken)
Aber das Mindeste, was passieren sollte: Wir streiten hier um jeden Cent im Haushalt. Aber wegen des jetzigen Fraktionsvorsitzenden der Union könnten noch 2,3 Milliarden Euro verloren gehen.
(Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Plus x!)
Gemeinsam mit den Grünen und Tamara Mazzi von der Linken sammele ich Unterschriften für einen Untersuchungsausschuss. Die Abgeordneten der demokratischen Fraktionen können sich vertrauensvoll an uns wenden. Dann können wir mal ganz genau auf die Ausgabenseite schauen und gucken, was wir in Zukunft anders machen könnten.
Vielen Dank.
(Beifall bei der Linken und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Michael Espendiller [AfD]: Stellen Sie einfach einen Antrag, Herr Kollege! – Tobias Ebenberger [AfD]: Antrag stellen! Nicht Unterschriften sammeln! Das gibt eine Mehrheit!)