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Foto: Rico Prauss

Koalition im Rüstungswahn

Rede von Dietmar Bartsch,

Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Als ich vor vielen Jahren das erste Mal in den Bundestag gewählt wurde, umfasste dieser Einzelplan rund 46 Milliarden D-Mark; das sind etwa 24 Milliarden Euro. Heute – die Zahl ist hier mehrfach genannt worden – ist es mehr als das Vierfache: über 108 Milliarden Euro für Verteidigung.

(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und Dietmar weiß immer noch nicht, wofür!)

Ich frage mich angesichts dieser Zahlen natürlich schon: Was ist denn eigentlich mit dem Geld passiert? Wir hatten vor nicht allzu langer Zeit die Besonderheit, dass ein 100-Milliarden-Sondervermögen beschlossen worden ist. Und auch da frage ich mich: Was ist eigentlich mit dem Geld passiert? Dieser Haushalt könnte eigentlich umbenannt werden von „Einzelplan 14“ in „Einzelplan ‚Whatever it takes‘“. Ich glaube, das würde es viel mehr treffen.

Ich will auch deutlich sagen: Niemand, auch niemand von uns Linken, bezweifelt, dass es eine neue Sicherheitslage gibt, und natürlich schauen auch wir nicht weg, Frau Vieregge, selbstverständlich nicht. Wir sehen das. Und ganz klar: Die Linke verurteilt den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Putins. Die Linke sieht das alles, was gerade passiert, mit riesiger Skepsis, ohne Wenn und Aber.

(Zuruf der Abg. Kerstin Vieregge [CDU/CSU])

Aber

(Stephan Brandner [AfD]: Ah, doch ein Aber! „Ohne Wenn und Aber, aber …“!)

derjenige, der jetzt sagt: „Ich bin mit dem Haushalt nicht einverstanden“, ist doch deshalb kein Putin-Freund.

(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hört sich jetzt aber nicht so innovativ an, Herr Bartsch, was Sie da sagen! – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Nee, der will sich unterwerfen!)

Das sind wir alle nicht, überhaupt nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der Linken)

In großer Klarheit sagen wir: Ja, angemessene Ausstattung, nicht mehr und nicht weniger.

(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Angemessen“? Für was „angemessen“?)

Aber auch das will ich deutlich sagen: Geld ist doch wahrhaftig nicht alles. Hier ist einiges genannt worden, die Frage des Controllings, die Frage der Beschaffung, die Frage der Industrie.

(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da kümmert ihr euch ja gar nicht drum! Das machen wir ganz alleine in der Opposition!)

Das alles spielt eine große Rolle. Da haben wir mehr als Differenzen.

Frau Vieregge, ich will Ihnen mal ein Zitat vorlesen. Im Koalitionsvertrag von 2009 steht geschrieben:

"„Wir stehen für eine Außenpolitik, die durch Abrüstung zu Frieden und Freiheit […] beiträgt.“"

Dann heißt es weiter:

"„Abrüstung und Rüstungskontrolle verstehen wir nicht als […] Verlust an Sicherheit, sondern als zentralen Baustein einer globalen Sicherheitsarchitektur […].“"

(Kerstin Vieregge [CDU/CSU]: Das war 2009! – Thomas Erndl [CDU/CSU]: Wir haben jetzt 2025! – Stephan Brandner [AfD]: So kann man sich irren!)

Das war der Koalitionsvertrag von Union und FDP von 2009. Das hat die Union sicherlich längst vergessen.

Wir sind aber davon überzeugt, dass es Stimmen – und wir sind eine dieser Stimmen – für Frieden, für Abrüstung geben muss.

(Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unangenehm!)

Wir lehnen diesen maßlosen Aufrüstungsetat ab, meine Damen und Herren,

(Beifall bei der Linken)

und zwar nicht nur, weil wir für Abrüstung in Deutschland sind. Natürlich sagen wir das auch in Richtung Russland, in Richtung China und in Richtung der Vereinigten Staaten. Aber wir haben doch die irre Situation, dass die ärmsten Länder der Welt jetzt mehr für Rüstung ausgeben. Das ist doch irre! Da verhungern Kinder, und es wird mehr Geld für Rüstung ausgegeben. Das kann auf jeden Fall nicht eine Position der Linken sein!

Dazu, dass Abrüstung möglich ist, will ich nur ein Beispiel nennen.

(Thomas Erndl [CDU/CSU]: Wir sind jetzt bei Verteidigung!)

Wir haben jetzt die Diskussion zur Verlängerung des New-START-Vertrags. Das ist sicherlich nicht mit großem Einfluss der Bundesregierung zu verhandeln; aber es wäre natürlich ein wichtiger Schritt, dass wir wirklich bei 1 550 Atomsprengköpfen bleiben und verhindern, dass auch diese Zahl nach oben offen bleibt. Das wäre ein wichtiger Punkt; dafür sollten wir uns engagieren, meine Damen und Herren. Es ist eben weiterhin notwendig, dass wir weltweit nicht auf Aufrüstung setzen, sondern auf Abrüstung,

(Kerstin Vieregge [CDU/CSU]: … und uns dann ergeben!)

und das bleibt auch unsere Position, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linken)

Der Rüstungshaushalt steigt leider ins Unermessliche. Ich will einmal auf den Bundesrechnungshof verweisen, der zum zweiten Mal in Folge gesagt hat, dass das nicht durchgängig den Vorgaben des Finanzministeriums entspricht. Das heißt also, der SPD-Finanzminister und der SPD-Verteidigungsminister haben offensichtlich in der Umsetzung mehr als ein Problem. Mehr Intransparenz geht kaum!

Und selbst Vorgaben aus dem eigenen Haus werden teilweise nicht beachtet. Sorgen Sie dafür, dass Klarheit herrscht und dass sich vollständig an die Regeln gehalten wird! Ich wiederhole es; es ist über Controlling und anderes bereits geredet worden. Das ist meines Erachtens dringend notwendig.

Ich will auf einen weiteren Punkt verweisen: Niemand weiß, wie die Politik bzw. die Weltlage in 16 Jahren aussieht. Wir hoffen natürlich, dass Abrüstung wieder ins Zentrum gerückt ist. Aber im Einzelplan 14 sind Verpflichtungen bis zum Jahre 2041 festgeschrieben, insgesamt mehr als 300 Milliarden Euro.

(Thomas Erndl [CDU/CSU]: Sehr gut investiert!)

Aber wir können überhaupt nicht absehen, was bis 2041 passiert. Sie schaffen damit faktisch ein Eldorado für die Rüstungsindustrie; vor allem belasten Sie aber zukünftige Investitionen und gefährden den sozialen Zusammenhalt.

Es wäre so viel besser, in Schulen, in Kindergärten, in Infrastruktur zu investieren und nicht in Rüstung. Dieser Widerspruch ist nicht auflösbar; das hat heute auch die Generaldebatte gezeigt, meine Damen und Herren.

Leider ist es auch weiterhin so, dass die Bundeswehr auf Goldrandlösungen setzt. So sind die Beschaffungsmittel auf 50 Milliarden Euro – in der vergangenen Woche waren es nur 31,3 Milliarden Euro – gestiegen; das sind 60 Prozent mehr. Da stimmt „Whatever it takes“ leider. Das, meine Damen und Herren, ist einer der Gründe, weshalb wir diesen Etat ablehnen werden.

Ich hoffe, dass in den Beratungen von den zuständigen Haushältern wirklich noch substanzielle Veränderungen vorgenommen werden können. Das wäre sicherlich diesem Haushalt dienlich.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Linken)