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Merz hat keinen Plan!

Rede von Ines Schwerdtner,

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Liebe Schulklassen! Liebe Besucher! Friedrich Merz hat erkennbar keinen Plan. Lars Klingbeil hat keinen Plan. Diese gesamte Regierung hat keinen Plan.

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Aber Die Linke, genau!)

Sie reden von Wirtschaftskompetenz, aber draußen in unseren Städten sieht es anders aus. In Ostdeutschland stehen die Werkstore still. In Nordrhein-Westfalen rollen keine Aufträge mehr rein, und auf den Baustellen schweigen die Kräne. Die Folge: mehr Arbeitslosigkeit, mehr Unsicherheit. Manches taucht in Ihren Statistiken noch gar nicht auf, aber wir hören es im Familien- und Freundeskreis: Menschen verlieren ihre Jobs. Firmen schreiben keine neuen Stellen aus. Zulieferer melden Verluste. – Wer mit den Leuten vor Ort spricht, der weiß: Das sind die Frühwarnzeichen einer nächsten Krise.

Herr Klingbeil, wir waren gestern beide bei der EVG, bei der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft. Wenn man genau zugehört hat, dann stellte man fest: Es gibt seit Jahrzehnten Investitionsstau. – Und jetzt nimmt diese Regierung Rekordsummen in Milliardenhöhe in die Hand, aber investiert nicht in die Trassen, in die Deutsche Bahn. Man setzt eine neue Bahnchefin ein – über Nacht – und verspricht das Blaue vom Himmel. Aber es gibt keine konkrete Planungssicherheit, weder für Beschäftigte noch für die Kunden.

(Dr. Wiebke Esdar [SPD]: Das ist sachlich falsch!)

Als Sie letzte Woche hier einen Rekordhaushalt durchgebracht haben, brachten Sie es fertig, dass am gleichen Tag von der Erhöhung des Deutschlandtickets gesprochen wird. 63 Euro! Das kann man keinem Menschen mehr erklären.

(Beifall bei der Linken)

Trotzdem behaupten Merz und Klingbeil bei jeder Gelegenheit, sie würden das Land voranbringen.

Schauen wir uns das mal ein bisschen genauer an. Sie reden ja heute viel von Technologieoffenheit. Wer kürzt denn beim Posten „Innovation, Technologie, neue Mobilität“ eine halbe Milliarde Euro? Union und SPD. Wer streicht mitten in der Klimakrise fast 600 Millionen Euro bei Energie und Nachhaltigkeit und pumpt gleichzeitig Milliarden in Kohle und Gas? Union und SPD. Wer lässt die Bauwirtschaft im Minus, während Familien verzweifelt eine Wohnung suchen und Bagger auf halbfertigen Baustellen stehen? Union und SPD.

(Beifall bei der Linken)

Was sind das für Politiker, die in der Krise von Reformen reden und gleichzeitig den Sozialstaat abbauen wollen, statt Milliardäre zu besteuern? Was ist das für ein Konsens der Gerechtigkeit, Herr Merz? Statt darüber nachzudenken, wie man dafür sorgen kann, dass weniger Menschen auf Bürgergeld angewiesen sind, wollen Sie das Existenzminimum kürzen. Das ist keine Wirtschaftspolitik, das ist Klassenpolitik von oben.

(Beifall bei der Linken)

Gleichzeitig blähen Sie den Rüstungsetat auf über 108 Milliarden Euro auf – das 27-Fache dessen, was in den sozialen Wohnungsbau fließt.

(Zuruf der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Merz, Herr Klingbeil, Sie reden von Verantwortung.

(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Ja, dass Ihnen dieses Wort nicht passt, ist mir klar!)

Aber mit Ihren Prioritäten fressen Sie die Zukunft auf. Milliarden, die wir für Schulen, Wohnungen und Busse brauchen, landen in Panzern und Raketen. Ich gebe Ihnen mal eine kleine Lektion in Wirtschaftspolitik: Waffen schaffen keinen Aufschwung. Jeder weiß das. 1 Euro fürs Militär verpufft; es ist totes Metall. 1 Euro in Straßen und Schienen bringt das Doppelte, 1 Euro in Kitas und Schulen sogar das Dreifache. Also erzählen Sie uns bitte nicht noch mal etwas von Wirtschaftskompetenz. Wer Milliarden in Panzer steckt statt in Klassenzimmer, Wohnungen und neue Jobs, der zerstört dieses Land, anstatt es zu stärken.

(Beifall bei der Linken)

Sie setzen blind auf Wirtschaftswachstum; ich höre das jede Woche. Das ist einfach Voodoo. Das hat mit Wirtschaftskompetenz überhaupt nichts zu tun.

(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Politikwissenschaftler erklären Wirtschaft! Nie groß irgendwo gearbeitet, aber Wirtschaft erklären wollen!)

Auch in der Außenpolitik – ich merke das immer wieder – gibt es keinen Plan. Herr Merz scheint einfach spontan zu entscheiden, wohin er reist, wohin er Waffen liefert oder auch nicht. Was ist denn die Rolle Deutschlands in Europa, bei Friedensverhandlungen im Ukrainekrieg? Sie haben da sehr, sehr viel angekündigt, aber gekommen ist nichts. Warum schweigen Sie hier, wenn Donald Trump seinem eigenen Land autoritär mit der Nationalarmee droht und internationale Institutionen mit Spott überzieht? Es ist mir egal, ob Sie heute in New York oder hier sind. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie einen Plan haben.

(Beifall bei der Linken)

Warum schweigen Sie, während alle anderen Staaten – zuletzt Portugal, Kanada, Frankreich, Großbritannien – Palästina als Staat anerkennen? Schon wieder kein Wort dazu hier in diesem Haus!

(Beifall bei der Linken)

Warum schweigen Sie, wenn eine unabhängige Kommission des Menschenrechtsrates zu dem Schluss kommt, dass es sich bei Israels Vorgehen um einen Völkermord handelt? Warum schweigen Sie?

(Beifall bei der Linken)

Warum streichen Sie weiter bei der Entwicklungshilfe? Haben Sie in den letzten Jahren überhaupt nichts dazugelernt?

Ich erkenne nur Aktionismus, aber keinen Plan. Ihre doppelten Standards hier im Haus sind heuchlerisch. Das Völkerrecht gilt für alle und überall.

(Beifall bei der Linken)

Und wenn wir schon von Planlosigkeit sprechen: Schauen wir auf die neueste Personalentscheidung von Ihnen, Herr Merz! Martin Blessing soll für Sie ausländische Investoren gewinnen – ein Banker, der gelernt hat, wie man Profite aus Menschen und Märkten presst, aber nie, wie man eine Gesellschaft aufbaut. Ein Banker aus einer Bankerfamilie – das verkaufen Sie uns jetzt als Aufbruch. Von einem BlackRock-Kanzler habe ich natürlich nichts anderes erwartet; aber es ist beschämend. Denn Investmentbanker verstehen nichts von Wirtschaft im eigentlichen Sinn.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Aber Die Linke versteht so viel von Wirtschaft!)

Sie kennen keine Werkhalle, keine Baustelle, keinen Schichtdienst. Sie kennen nur kurzfristige Rendite und Boni. Glaubt irgendjemand ernsthaft, dass so jemand versteht, was es heißt, wenn ein Werk in Zwickau dichtmacht oder in Duisburg die Baukräne stillstehen? Für Millionen von Menschen, die nicht an Aktienkursen gemessen werden, ist das kein Signal der Hoffnung, sondern ein Schlag ins Gesicht.

(Beifall bei der Linken)

Wirtschaft – das sind nicht nur Aktienkurse, sondern das ist die Arbeit von Millionen von Menschen in diesem Land. Diese Kürzungen sind kein Zufall, sie sind Klassenpolitik. Das Geld für Wohnungen, Schulen und Schienen ist da; aber Sie lassen es bewusst bei den Milliardären liegen. Das ist keine Wirtschaft für die vielen. Was Sie, Herr Merz und Herr Klingbeil, machen, das ist Wirtschaft für die wenigen, und wir werden auch nicht aufhören, das zu sagen.

(Beifall bei der Linken)

Es ist keine linke Träumerei, es ist pure Vernunft, wenn wir sagen:

(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Vernunft bei den Linken! Jetzt wird’s gefährlich!)

Wir brauchen Investitionen in Wohnraum statt in Waffen, starke Löhne statt Niedriglohnsektor, Planungssicherheit für die Industrie statt immer neue Kürzungsrunden. Das ist die einzige Wirtschaftspolitik, die Zukunft schafft. Aber Sie, Herr Merz und Herr Klingbeil, setzen weiter auf ein Modell, das längst gescheitert ist: kürzen, privatisieren und den Markt machen lassen. Wir wissen ganz genau: Der Markt regelt einen Scheiß.

(Beifall bei der Linken)

Deswegen müssen die wichtigsten Bereiche des Lebens in die öffentliche Hand. Wir brauchen keinen Investmentbanker, wir brauchen endlich Mitbestimmung in den Betrieben. Denn die Kolleginnen und Kollegen in den Stahlwerken, bei den Zulieferern, bei der Bahn wissen, was es braucht. Herr Merz, lassen Sie vielleicht lieber die Leute an die Hebel der Macht, die wirklich was vom Leben verstehen, statt weiterhin Lobbyisten und Investmentbanker.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: So, alle Feindbilder gepflegt!)

Vielleicht gehen Sie dann selber mit. Damit käme unser Land wirklich voran.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)