Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Lobbyistin wird Ministerin“ schrieb die Presse, als Frau Reiche das Wirtschaftsministerium übernahm. Mittlerweile ist klar, dass sie ihre Tätigkeit einfach nahtlos fortführt – als Lobbyistin auf der Regierungsbank.
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie verwechseln Wirtschaftspolitik mit der Beglückung von Konzernen. Sie agieren als Sprachrohr für die Arbeitgeberverbände und die Energiekonzerne.
(Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Hören Sie eigentlich, was Sie da sagen, Frau Wissler!)
Sie bestellen einen Monitoring-Bericht mit dem Ziel, die Energiewende auszubremsen, und dann lesen Sie ihn offenbar nicht mal. Sie beauftragten schon ohne Ausschreibung ein Institut, das den Energiekonzernen traditionell nahesteht, und dann sehen die Autoren die Energiewende dennoch auf gutem Weg und wollen den Ausbau gar nicht verlangsamen. Aber Sie sprechen von einem Scheideweg und wollen die Förderung für kleine Solaranlagen streichen. Frau Reiche, wenn Sie ohnehin nur die Argumente der Gaslobby vortragen wollen, müssen Sie dafür wahrlich nicht 800 000 Euro Steuergeld für ein Gutachten ausgeben. Die bekommen Sie gratis als Hochglanzbroschüre.
(Beifall bei der Linken – Zuruf von der Linken: Hört! Hört!)
Jetzt legen Sie noch mal 4,8 Millionen Euro für externe Stromberater auf den Tisch, damit sie Ihnen die Argumente geben, die Ihnen in Ihrem eigenen Ministerium wohl aus guten Gründen keiner aufschreiben will.
Sie wollen das Verbrenner-Aus verzögern, die Einspeisung von Solarstrom kostenpflichtig und damit unattraktiver machen. Sie schichten Mittel für den Klimaschutz zur Gasförderung um, und Sie fordern einen gigantischen Ausbau von Gaskraftwerken. Sie torpedieren die dezentrale Energiewende in der Fläche und pampern die fossilen Konzerne. Sie sind energiepolitisch ein Dinosaurier.
(Beifall bei der Linken)
Sie sind ja nicht nur energiepolitisch auf Geisterfahrt. Jetzt haben Sie bei Ihrem Beraterkreis ein Papier zur Rentenpolitik in Auftrag gegeben. Und der kommt dann zu dem Schluss, dass die Mütterrente falsch ist und dass das Renteneintrittsalter erhöht werden muss – eine Forderung, der sich die Ministerin sofort anschließt, entgegen allen Vereinbarungen im Koalitionsvertrag. Eine der Autorinnen ist übrigens Veronika Grimm, Aufsichtsrätin bei Siemens Energy und Wirtschaftsweise. Für die meisten ist das eine inakzeptable Verquickung von Interessen, für Frau Reiche wohl eher so was wie eine Seelenverwandte.
(Zuruf des Abg. Andreas Mattfeldt [CDU/CSU])
Rente mit 69 – das ist so zynisch gegenüber den hart arbeitenden Menschen, die Sie immer gerne ins Feld führen – Menschen, die in der Pflege arbeiten, auf dem Bau, in den Lieferdiensten, in der Schichtarbeit,
(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: All das, was Sie noch nie gemacht haben!)
die es nicht mal bis 65 schaffen, sondern mit hohen Abschlägen in Rente gehen müssen. Ja, mit 69 kann man vielleicht in Aufsichtsräten rumhängen, aber nicht im Schichtdienst am Hochofen und auch nicht in der Pflege arbeiten.
(Beifall bei der Linken – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Sie kennen Sich mit Schichtdienst aus! Da spricht jemand wie der Blinde von der Farbe!)
Sie sind ja nicht mal zuständig für die Rente, Frau Ministerin. Und die Mehrheit in diesem Land kann froh sein über jede Zuständigkeit, die Sie nicht haben.
Frau Reiche, bevor Sie von anderen fordern, sie sollten länger arbeiten, sollten Sie vielleicht erst mal anfangen, zu arbeiten. Ob Industriestrompreis, Rettung von Arbeitsplätzen oder eine Strategie zum Umgang mit den US-Strafzöllen, nichts haben Sie bisher zustande gebracht. Also, ich sage es mal so: Beim Wettbewerb um die größte Fehlbesetzung im Kabinett liegen Sie ganz gut im Rennen, Frau Reiche, und das trotz starker Konkurrenz.
(Beifall bei der Linken und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Ministerin macht Politik von und für Reiche. So vertieft man die Spaltung der Gesellschaft. Wenn das reichste Prozent über ein Drittel des Vermögens verfügt, läuft etwas schief. Und dieser Umstand hat ja selbst Jens Spahn zu einer richtigen Aussage gebracht. Aber solange er keine konkreten Vorschläge macht, liegt natürlich die Vermutung nahe, dass Herr Spahn mal mit etwas anderem in den Schlagzeilen sein wollte als mit seinen Maskendeals.
Meine Damen und Herren, Millionen Menschen arbeiten für Löhne, die kaum zum Leben reichen, etwa die Lieferando-Rider, die sich gerade gegen Entlassungen wehren und gegen Lohndrückerei. Da wäre doch eine Wirtschaftsministerin mal gefragt.
(Beifall bei der Linken)
Wir wollen eine Wirtschaft, die den Menschen dient, statt einer Wirtschaftsministerin, die den Konzernen dient.
Vielen Dank.
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)