Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Präsidentin! Noch bevor das Ministerium von Herrn Wildberger einen eigenen Haushalt vorgelegt hat, macht er es sich zur Aufgabe, die vollmundigen Versprechungen des Koalitionsvertrages in eine Agenda zu gießen. Herausgekommen ist ein Papier, das sich wie ein Start-up-Pitch liest und auch so verstanden werden kann. Es ist ein inhaltsarmes Schlagwortgewitter mit vielen wundersamen Versprechungen, das vor allem Investorinnen und Investoren beeindrucken soll.
Im Digitalbereich drückt man sich um genauere Erklärungen. Irgendeine KI wird es schon irgendwie regeln. Wie genau und unter welchen konkreten Bedingungen, mit welchen Standards und Verantwortlichkeiten die großen Digitalisierungsvorhaben und Effizienzsteigerungen gelingen sollen, bleibt nebulös.
Bürokratiemonster, Bürokratielast, erdrückende Bürokratie – die meisten Menschen in diesem Land würden vermutlich zustimmen, wenn es darum geht, Vorschriften und Pflichten abzubauen, die unnötig kompliziert sind. Tatsächlich gibt es Kuriositäten, die ganze TV-Formate füllen. Wahr ist jedoch auch, dass viele Regelungen sinnvoll und erhaltenswert sind. Arbeitsschutz, soziale Sicherung und Umweltstandards sind im überwiegenden Interesse der meisten Menschen in diesem Land.
Der größte Anstieg der Bürokratiekosten in der vergangenen Wahlperiode ist darauf zurückzuführen, dass die SPD sich ausnahmsweise an ein zentrales Wahlversprechen gehalten hat und den Mindestlohn außerordentlich auf 12 Euro erhöht hat. Diese Erhöhung war dringend notwendig und ist eine Entlastung für viele Millionen Menschen, wobei ich an dieser Stelle noch einmal an die EU-Richtlinie zum Mindestlohn erinnern möchte. Demnach müsste der Mindestlohn inzwischen bei über 15 Euro liegen. Also, liebe Bundesregierung, vielleicht halten Sie sich doch auch mal an diese Richtlinie.
(Beifall bei der Linken)
Die vorgelegte Modernisierungsagenda ist eine Liebeserklärung an Großkonzerne und wird für die allermeisten Menschen in diesem Land keinerlei spürbare Entlastung bedeuten.
(Ronja Kemmer [CDU/CSU]: So ein Blödsinn!)
Lassen Sie mich dies am Beispiel des Bauturbos erläutern. Die Regierung lässt sich für eine Senkung der Bürokratiekosten in Milliardenhöhe feiern, wirft dafür jedoch sinnvolle Regelungen ganz im Sinne der Immobilienlobby über Bord. Das Gesetz wird die massiven Wohnungsprobleme für Mieter/-innen nicht lösen, sondern im Gegenteil noch zur Verschärfung beitragen.
(Steffen Bilger [CDU/CSU]: Das kriegen Sie ja in Berlin ganz toll hin!)
Die Deregulierung beschleunigt das Bauen, schafft aber vor allem teure Wohnungen. Die Mieten sinken nicht.
Die geplante Generalbefreiung für Neubauten im Außenbereich ist nichts anderes als eine Einladung zur Bodenspekulation. Am Ende stehen dann Gewinne für Investoren und steigende Preise für alle anderen. Das ist die Realität. Wer das als Bürokratieabbau verkauft, betreibt Politik für Profite und nicht für Menschen.
(Beifall bei der Linken)
Der Bauturbo ist kein Turbo für bezahlbares Wohnen, sondern ein Motor für Zersiedlung und Luxusbau.
(Zuruf von der CDU/CSU: Sagen Sie noch etwas zum Thema?)
Ein anderes Bürokratiemonster, welches die Regierung heldenhaft im Dienste der Konzerne erschlägt, ist das Lieferkettengesetz. In Wahrheit sind diese Gesetze das absolute Minimum im globalen Kampf gegen moderne Sklaverei, Kinderarbeit und Umweltzerstörung. Wenn die Bundesregierung oder andere rechte Kräfte in Europa diesen Schutz aufweichen, stellen sie sich eindeutig auf die Seite der Spekulanten und Ausbeuter und nicht auf die Seite der Arbeiter/-innen weltweit.
Wir fordern im Gegenteil die Stärkung von Arbeitsschutz, damit Unternehmen endlich entlang der gesamten Lieferkette haften und globale Gerechtigkeit möglich wird. Schluss mit Profitlogik über der Menschenwürde.
(Beifall bei der Linken – Jens Spahn [CDU/CSU]: Vorwärts immer, rückwärts nimmer!)
Wir werden mit dieser Regierung kaum Gemeinsamkeiten zum Thema Bürokratieabbau finden.
(Ronja Kemmer [CDU/CSU]: Zum Glück!)
Wir denken grundlegend unterschiedlich. Wir kümmern uns um die Sorgen und Nöte der Menschen, und diese sind für uns immer im Mittelpunkt unseres politischen Handelns. Diese Regierung richtet ihre Gesetze nach Konzern- und Profitlogiken aus.
Sie schwimmen mit den Miethaien. Wir stehen fest an der Seite der Mieter/-innen-Bewegung. Sie vereinfachen es Unternehmen, über Menschenrechts- oder Umweltschutzregeln hinwegzusehen. Wir ziehen sie in die Verantwortung für ihr Handeln.
Bürokratieabbau soll da stattfinden, wo er den Menschen das Leben vereinfacht, nicht dort, wo er als Kettensäge gegen Sozialstaat, Arbeiter/-innenrechte und Umweltschutz gerichtet wird.
(Beifall bei der Linken)
Dagegen werden wir uns wehren – im Parlament und vor allem gemeinsam an der Seite der Menschen dort draußen.
(Beifall bei der Linken)