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Wer die Schwächsten angreift, verrät unsere Demokratie

Rede von Cansin Köktürk,

Frau Präsidentin! Abgeordnete! Schon absurd, dass ich zu so einem Antrag überhaupt sprechen muss.

(Hannes Gnauck [AfD]: Sie können sich ja wieder hinsetzen!)

Aber Sie wollten es nicht anders. Dann gehen wir einmal richtig rein in die Debatte.

Unfassbar beschämend ist es, dass Menschen wie Sie, die nie einen Tag fliehen mussten, im Anzug Hetzparolen schwingen und Geflüchteten das letzte Stück Sicherheit nehmen wollen. Eine Mutter flieht mit ihrem Kind vor Putins Bomben – mit nichts als Angst und Hoffnung. Und die AfD stellt einen Antrag: Kein Bürgergeld für Ukrainerinnen, für Menschen, die alles verloren haben!

Erst Geflüchtete, dann die Ärmsten, dann die Rentner/-innen, dann die Arbeiter/-innen: So sieht Ihr Plan aus.

(Beifall bei der Linken – Lachen des Abg. Karsten Hilse [AfD])

Genau so funktioniert rechte Hetze. Sie beginnt immer bei den Schwächsten und endet im Zerfall der Gesellschaft. Das ist die Agenda der AfD: Zerschlagung des Sozialstaats, Aushöhlung der Demokratie, die Schwächsten angreifen,

(Zuruf von der AfD)

weil Sie nichts anderes können, als zu hassen.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Jan Dieren [SPD])

Als Sozialarbeiterin kenne ich die Lebensrealitäten von geflüchteten Menschen. Ich habe mehrere Jahre lang eine Containerunterkunft geleitet und im Gegensatz zu Ihnen mit Hunderten von Menschen gesprochen. Und jetzt hören Sie alle gut zu: Die Solidarität mit Ukrainerinnen war genau die richtige Solidarität und zeigt, dass Menschlichkeit möglich ist. Doch bei anderen geflüchteten Menschen hat es merkwürdigerweise nicht funktioniert, weil Herkunft, Religion oder Hautfarbe plötzlich zu Hürden wurden.

Stattdessen wurden lebensweltliche Grenzen gezogen, Arbeitserlaubnisse nicht erteilt, der Zugang zu Bildung nicht ermöglicht, Wohnsitzauflagen aufgesetzt. Wir haben diese Menschen monatelang, jahrelang in Unsicherheit gehalten zwischen Formularen und Sprachkurswartelisten – den Menschen dabei vorgeworfen, sie selbst wollten nicht, obwohl der Staat eine Integration aktiv und heuchlerisch verbietet.

Ja, wir leben in einem Land, das von Werten redet, aber Familien nicht zusammenführt, sondern trennt; einem Land, das Erwartungen hat, aber keinerlei faire Voraussetzungen schafft; einem Land, das Waffen liefert und sich dann über Migration wundert. Viele hier tun so, als wären Schutzsuchende das Problem. Die eigentlichen Probleme sind die Gleichgültigkeit, die bürokratische Kälte, der strukturelle Rassismus in unseren Ämtern und Ihre Unfähigkeit, Kommunen zu unterstützen.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Bürgergeld ist keine Belohnung. Es ist das Minimum: ein bisschen Miete, ein bisschen Essen, eine Zahnbürste, vielleicht ein Schulheft fürs Kind.

(Karsten Hilse [AfD]: Ein bisschen mehr ist es schon, oder, als eine Zahnbürste?)

Deshalb garantiere ich Ihnen: Wir lassen nicht zu, dass diese Hetze Normalität wird. Wir stehen Schulter an Schulter mit allen, die bei uns Schutz suchen. Dieses Versprechen gilt für alle Menschen. Wir spielen Schutzsuchende nicht gegen arme Menschen in diesem Land aus. Wir kämpfen für ein Sozialsystem, das nicht selektiert, sondern schützt.

Abschließend richte ich diese Worte an Sie alle hier: Es ist falsch, die Schwächsten unserer Gesellschaft immer wieder anzugreifen. Diese Menschen können sich nicht wehren und leiden unter all ihren Lebensumständen, die Sie überhaupt nicht verstehen können.

(Zuruf des Abg. René Bochmann [AfD])

Seien Sie Menschen, und wahren Sie endlich die Menschenrechte! Und, liebe AfD, Sie arbeiten am besten noch mal an Ihren Deutschkenntnissen. Der Antrag war sprachlich wirklich mangelhaft.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei Abgeordneten der AfD)