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Deeskalation statt Doppelmoral im Nahen und Mittleren Osten!

Rede von Cansu Özdemir,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte hier im Namen meiner Fraktion einmal ganz deutlich sagen, dass wir solidarisch sind mit all den Menschen, die jetzt gerade aktuell betroffen sind, die die Leidtragenden sind der Bombardierungen, der staatlichen Unterdrückung, der fundamentalistischen Gewalt, aber eben auch der völkerrechtswidrigen militärischen Angriffe. Ich möchte aber auch ganz deutlich erwähnen: Ob jüdisch, ob jesidisch, ob alevitisch, ob sunnitisch, schiitisch, atheistisch oder christlich, all die Menschen in dieser Region verdienen es, endlich in Frieden und Freiheit und Gerechtigkeit zu leben.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, angesichts des Leids und auch der Haltung der Bundesregierung frage ich mich wirklich in diesen Tagen, was eigentlich die Grundlage der Außenpolitik dieser Bundesregierung ist. Auf welcher Grundlage basiert sie eigentlich?

(Beifall bei Abgeordneten der Linken und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn wir uns die Worte des Kanzlers aus den letzten Tagen anschauen, dann kann man daraus eigentlich nur erkennen: das Recht des Stärkeren. Aber ich habe hier noch eine Empfehlung für zwei wichtige Grundlagen, mit der Sie sich mal auseinandersetzen sollten. Das eine ist das Völkerrecht; das andere ist die Menschenrechtskonvention. Das sollten die Grundlagen sein.

(Beifall bei der Linken)

Wenn Sie sich damit auseinandergesetzt hätten, dann hätten Sie jetzt auch keine Probleme dabei, zu erwähnen, dass Netanjahu und Trump den Iran völkerrechtswidrig bombardiert haben. Und ja, meine Damen und Herren, es muss verhindert werden, dass der Iran eine Atombombe baut. Aber dafür braucht es engmaschige Überwachung durch internationale Kontrolleure.

Die Wahrscheinlichkeit, dass bei weiteren Angriffen Iran diese Kontrollen zulässt, sinkt. Deshalb braucht es Deeskalation. Es braucht eine Waffenruhe, um die Zivilistinnen und Zivilisten in Iran, in Ostkurdistan, in Israel, in allen Regionen dieser Welt auch besser schützen zu können. Denn wir wissen: Wenn das Feuer sich einmal verbreitet, dann kann man es wirklich schwer aufhalten; und das ist eine große Gefahr.

(Beifall bei der Linken)

Bei den Bombardierungen sind Hunderte Zivilistinnen und Zivilisten im Iran ums Leben gekommen, und auch das Evin-Gefängnis wurde bombardiert. Damit muss man sich auch noch mal auseinandersetzen. Das Evin-Gefängnis ist total wichtig. Dort sitzen Tausende Oppositionelle, die auch Teil der „Jin, Jiyan, Azadî“-Bewegung waren, die sich dafür eingesetzt haben, dass es einen Regime Change gibt, die sich auch gegen das iranische Regime gestellt haben, mutig waren, auf der Straße waren.

Die mutigen Frauen, die auch diese Revolution mit vorangetrieben haben, haben einen Brief veröffentlicht. Ich finde es wichtig, auf diese Stimmen zu hören. Eine von den Frauen heißt Varisheh Moradi. Sie hat auch die „Jin, Jiyan, Azadî“-Bewegung mit vorangetrieben. Sie hat in ihrem Brief geschrieben: weder islamistische Diktatur noch völkerrechtswidrige Angriffe. Sie wollen einen Regime Change. Sie wollen eine Revolution, die von unten organisiert wird, die selbstorganisiert ist. Und die Arbeiterinnen und Arbeiter im Iran haben mit ihren Streiks auch gezeigt, wie wichtig es ist, sie dabei zu unterstützen, um die Regierung auch in Bedrängnis zu bringen.

(Beifall bei der Linken)

Ich möchte hier auch einmal klar sagen: Wohl wissend, dass die Menschen schweren Verfolgungen ausgesetzt sind, droht ihnen weiterhin die Abschiebung in den Iran. Das ist einfach nur beschämend, meine Damen und Herren.

Beschämend ist auch die Situation in Gaza. Hunderte Menschen wurden in den letzten Tagen, in den letzten Wochen an den Verteilstationen von der israelischen Armee erschossen, und Tausende Kinder leiden momentan unter Hunger und Mangelernährung. Und Hunger, meine Damen und Herren, darf niemals gegen Zivilistinnen und Zivilisten als Kriegswaffe eingesetzt werden.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Isabel Cademartori [SPD])

Dieser grausame Krieg muss endlich enden, und es muss auch möglich sein, dass diese Bundesregierung sich auf der einen Seite für die Freilassung der israelischen Geiseln einsetzt und sich gleichzeitig auch gegen die schweren Menschenrechtsverletzungen an den Palästinenserinnen und Palästinensern in Gaza, aber auch in der Westbank einsetzt.

Zu all dem, was ich geschildert habe – meine Vorrednerin hat es hier auch noch mal aufgegriffen –, fällt unserem Kanzler wirklich nur ein Begriff ein, nämlich „Drecksarbeit“. Das ist vor dem Hintergrund der vielen toten Menschen wirklich einfach nur zynisch und richtig peinlich.

(Beifall bei der Linken sowie der Abg. Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Zuruf des Abg. Alexander Radwan [CDU/CSU])

Wichtig ist ja, dass es eine deeskalierende Politik gibt, eine deeskalierende Außenpolitik. Aber, meine Damen und Herren, die gibt es eben nicht, wenn weiterhin Waffen geliefert werden in die Staaten im Nahen und Mittleren Osten, die gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt werden. Sie beliefern ja auch islamistische Diktaturen, wie zum Beispiel Saudi-Arabien oder aber auch Katar, und wundern sich dann, wenn diese Waffen in die Hände von islamistischen Terrororganisationen, also Hamas, IS, Hisbollah, geraten, die sie dann eben auch gegen die Zivilbevölkerung nutzen. Ich meine, das ist doch eigentlich nicht so überraschend. Sie könnten ja schon mal einen ersten Schritt hin zu einer deeskalierenden Außenpolitik machen, indem Sie aufhören, Rüstungsexporte zu betreiben und voranzutreiben.

(Beifall bei der Linken)

Dementsprechend werden wir uns leider auch in Zukunft mit dieser Thematik auseinandersetzen müssen. Ich wünsche mir aber wirklich, dass Sie endlich auf die Stimmen der Menschen hören, auf die Stimmen der Zivilgesellschaft. Sie wollen gehört werden, und sie sind die wichtigen Akteurinnen und Akteure, die unterstützt werden müssen.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)