Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von Union, SPD und Grünen! Wenn Sie sich so euphorisch für Olympische und Paralympische Spiele aussprechen, dann sollten Sie sich vorher erkundigen, wie es denn gerade um unsere zukünftigen Athleten steht. Diese zukünftigen Athleten sind unsere Kinder, und sie spielen teilweise auf kaputten Bolzplätzen oder schwimmen in maroden Bädern.
(Zuruf des Abg. Dieter Stier [CDU/CSU])
Laut DLRG droht jedem siebten Bad in Deutschland die Schließung. Eines dieser Kinder wartet gerade jetzt vor der gesperrten Schwimmhalle in Osterburg – das liegt in Sachsen-Anhalt in der Altmark – und weiß nicht, ob es sein Training dort in der nächsten Woche absolvieren kann. Verstehen Sie? Wer Olympische Spiele will, fängt nicht bei Olympiaträumen an. Man fängt bei Investitionen für dieses und die anderen Kinder in Deutschland an, meine Damen und Herren!
(Beifall bei der Linken sowie des Abg. Boris Mijatović [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Damit sind wir auch schon beim Schulsport: In Ihrem Antrag nicht ein Wort dazu. Die jüngste ARD-Recherche zum Schulsport hat uns die Versetzungsgefährdung – Versetzungsgefährdung! – attestiert. Sportunterricht findet teilweise in Klassenräumen statt, wird in Grundschulen teilweise nicht mal von Fachlehrern unterrichtet, und die verbindliche dritte Sportstunde gibt es eigentlich nur auf dem Papier. Als ehemaligem Sportlehrer blutet mir das Herz.
Und was erleben wir? Bei Bund und Ländern zeigt man gegenseitig mit dem Finger auf sich. Deshalb muss Schluss sein, meine Damen und Herren der Koalition und Frau Staatsministerin, mit dem Verschiebebahnhof der Verantwortungslosigkeit, den wir hier in Deutschland haben.
(Beifall bei der Linken)
Hier hätten Sie, meine Damen und Herren, ein riesiges aktuelles Betätigungsfeld, anstatt hier von Olympia zu träumen.
Meine Damen und Herren, ich verstehe jede Stimme aus dem organisierten Sport, die mit aller Kraft und mit aller Leidenschaft dafür wirbt, dass diese Spiele zu uns kommen.
(Florian Müller [CDU/CSU]: Hat Die Linke keine Position dazu?)
Aber warum wirbt dieser Sport so mit dieser Kraft? Die Antwort ist einfach, aber auch deprimierend: weil die Olympischen und Paralympischen Spiele für den deutschen Sport mittlerweile der letzte Hoffnungsstrohhalm sind. Der Sport hofft auf Investitionen, die jahrzehntelang versäumt worden sind.
(Sören Pellmann [Die Linke]: Ja!)
Er hofft auf Infrastruktur, Trainingszentren und Sportstätten. Und ja, er hofft auf das, was Regierungen – auch unter Beteiligung von Ihnen, meine Damen und Herren von den Grünen – in den letzten Dekaden eben nicht gebacken bekommen haben. Deshalb sind wir als Linke auch so wütend auf diejenigen, die den Sport in eine solche Hoffnungsposition gedrängt haben.
(Florian Müller [CDU/CSU]: Was ist denn jetzt die linke Position?)
– Ich weiß, dass Ihnen das nicht gefällt.
(Florian Müller [CDU/CSU]: Ich will nur Ihre Position wissen!)
Schauen wir uns die Realität doch mal an: 31 Milliarden Euro Sanierungsstau in unseren Sportstätten – 31 Milliarden bundesweit! –, klamme Kommunen, deren Finanzierungsdefizit sich in den letzten vier Jahren auf rund 25 Milliarden Euro verfünffacht hat. Die Folgen: kaputte Infrastruktur, marode Sporthallen, geschlossene Schwimmhallen, Trainingsplätze teilweise aus den 70er-, 80er-Jahren. Und noch dazu das Highlight: Ihre Sportmilliarde, die trotz verbaler Finanzakrobatik nachgewiesen bis zum heutigen Tag nicht existiert.
(Florian Müller [CDU/CSU]: Natürlich existiert sie! Das ist eine Frechheit!)
Das ist unglaublich, meine Damen und Herren!
(Beifall der Abg. Katalin Gennburg [Die Linke])
Und im Leistungssport geht es gleich weiter: Kaderathleten, die vielfach armutsgefährdet sind, Trainerinnen und Trainer, die weniger als Fachkräfte verdienen und mit befristeten Verträgen 60 Stunden pro Woche arbeiten, Olympiastützpunkte, die eigentlich das Rückgrat für den Leistungssport darstellen sollen, sind chronisch unterfinanziert.
(Florian Müller [CDU/CSU]: Ist Die Linke jetzt für Olympia oder dagegen? – Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Miesepeter!)
Das ist Ihre sportpolitische Bilanz, das ist Ihr sportpolitisches Versagen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der AfD – Gegenruf des Abg. Florian Müller [CDU/CSU]: Das Hufeisen lebt!)
Auch dieser Antrag wird daran nichts ändern, und das lassen wir Ihnen auch nicht durchgehen.
Man braucht sich auch nicht zu wundern, wenn überall in Deutschland – in München, im Rheinland, in Hamburg und in der Hauptstadt – die Forderung nach „NOlympia“ um sich greift. In Berlin lehnen inzwischen – das muss man sich mal vorstellen – zwei Drittel der Bürgerinnen und Bürger eine Olympiabewerbung Berlins ab.
(Zuruf des Abg. Florian Müller [CDU/CSU])
Ich bin eigentlich ein glühender Verfechter der olympischen Idee; aber das ist mittlerweile die Realität.
Deshalb gebe ich Ihnen einen guten Rat, meine Damen und Herren von der Koalition, aber auch von den Grünen: Bevor Sie sich auf den Weg zu einer deutschen Bewerbung machen, machen Sie Ihre Hausaufgaben, und erarbeiten Sie ein ganzheitliches Konzept für den deutschen Sport,
(Beifall bei der Linken)
das heißt eine echte Sportreform mit einer Symbiose zwischen Spitzen- und Breitensport, strategisch abgestimmt, mit geklärten Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern, einer stabilen dauerhaften Finanzierung sowie einer langfristigen Sanierungs- und Investitionsoffensive bei Sportstätten und nicht mit dieser Nebelkerze der Sportmilliarde!
Ja, gerne.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Vielen Dank, Kollege Görke, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben gerade gesagt, dass sich im ganzen Land „NOlympia“-Bewegungen gründen. Die Ablehnung in Berlin mag tatsächlich zutreffend sein; aber wenn man sich zum Beispiel die Zahlen in München anschaut, dann sieht man, dass es da eine hohe Wahlbeteiligung bei den Bürgerentscheiden und eine hohe Zustimmung zu Olympischen Spielen in München gab.
(Zuruf der Abg. Nicole Gohlke [Die Linke])
Es ist also mitnichten der Fall, dass es hier eine Massenbewegung gegen Olympische Sommerspiele in Deutschland gibt.
Die Bürgerinnen und Bürger in München sind gefragt worden und haben gesagt, dass sie das wollen,
(Katalin Gennburg [Die Linke]: Und in Hamburg?)
weil sie es nicht mehr akzeptieren, dass Olympische Spiele in Ländern wie China, Russland oder dergleichen ausgetragen werden, sondern sie sollen in einem demokratischen, freien und offenen Land wie Deutschland stattfinden.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Und genau deswegen unterstützen wir als Grüne das.
Vielen Dank für diese Frage, Herr Kollege. – Also, ich war überrascht über die große Anzahl von Menschen, die gesagt haben: Nein!
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Das hätte ich in dieser Größenordnung gar nicht erwartet. Ich glaube, Sie kennen auch die Bedingungen dort vor Ort. Ich habe gesehen, mit welcher Werbemacht
(Stephan Mayer [Altötting] [CDU/CSU]: Ach!)
und welchen Geldressourcen dort gearbeitet worden ist. Darum ist dieses, sagen wir mal: Verhältnis der Abstimmung, das dort erreicht worden ist, wirklich sehr bemerkenswert, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der Linken – Florian Müller [CDU/CSU]: Mit großer Klappe gestartet und als Bettvorleger gelandet!)
Ich will Ihnen sagen: Sie machen die Rechnung ohne die Bürger. Ich glaube schon, dass wir uns die Ergebnisse in Hamburg, im Rheinland und in Berlin anschauen müssen. Ich halte es für sehr schwierig, was der DOSB macht: dass man vier Regionen sich bewerben lässt und nachher drei Verlierer produzieren wird; auch das gehört zur Wahrheit. Ich finde das nicht redlich.
(Beifall bei der Linken)
Meine Damen und Herren von der Koalition und auch von den Grünen, Sie wollen Olympische Spiele in Deutschland? Dann qualifizieren Sie sich endlich dafür. Und wenn Sie einen Trainingsplan brauchen: Den halten wir als Linke natürlich für Sie bereit.
Vielen Dank.
(Beifall bei der Linken)

