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Tofu ist keine Bedrohung!

Rede von Christin Willnat,

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schon erstaunlich, woran sich in diesem Hause Streit entzünden kann. Da steht heute ein Antrag der Grünen auf der Tagesordnung, der in seinem Kern nichts anderes macht, als ein paar Selbstverständlichkeiten auszusprechen. Und trotzdem wird er von einigen als Kulturkampf dargestellt. Warum? Weil es um pflanzliche Fleischalternativen geht.

Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Wenn wir im Jahr 2025 ernsthaft darüber debattieren müssen, ob man vegane Produkte als „Bratwurst“ oder „Schnitzel“ bezeichnen darf, dann liegt das Problem nicht in der Sprache, sondern in einem politischen Klima, in dem längst der Bezug zur Realität verloren gegangen ist.

(Beifall bei der Linken – Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])

Denn in der Realität sieht es so aus: Millionen Menschen greifen heute regelmäßig zu pflanzlichen Alternativen – nicht aus Gründen der Ideologie, sondern weil sie sich bewusster ernähren wollen, weil sie Tierleid vermeiden wollen, weil sie sich eine gesunde, nachhaltige Ernährung wünschen,

(Martin Reichardt [AfD]: Was ist denn an dieser zusammengepressten Sojapampe nachhaltig oder gesund?)

weil sie sich einfach mal ein veganes Schnitzel in die Pfanne legen wollen, ohne vorher ein Lexikon zurate zu ziehen. Dass ausgerechnet so etwas politisch blockiert wird, ist grotesk. Da wird diskutiert, ob Hafermilch Milch heißen darf, während Scheuermilch weiter stolz ihr Etikett trägt.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und dabei kommt niemand ernsthaft auf die Idee, sich die Scheuermilch über die Cornflakes zu gießen.

(Luigi Pantisano [Die Linke]: Da wäre ich mir nicht so sicher!)

Was für eine absurde Prioritätensetzung!

Meine Damen und Herren, wer jetzt behauptet, die Bezeichnung „Wurst“ sei den Menschen heilig, dem sei gesagt: Die erste Sojawurst wurde nicht von einem hippen Food-Start-up erfunden, auch nicht in New York, sondern in Köln von Konrad Adenauer mitten in einer Krise. Damals ging es um Mangel; heute geht es um Klima, Tierhaltung und Gerechtigkeit.

(Beifall bei der Linken)

Die industrielle Tierproduktion ist eine der größten ökologischen und ethischen Baustellen unserer Zeit. Sie produziert Methan, zerstört Wälder, verschmutzt Grundwasser und hält Tiere unter Bedingungen, die mit Würde nichts zu tun haben. Gleichzeitig profitieren wenige große Konzerne, während kleine Höfe verschwinden. Pflanzliche Fleischalternativen sind kein Ersatz für alles; aber sie sind ein Baustein für mehr Wahlfreiheit, mehr Nachhaltigkeit und mehr Fairness. Sie verdienen nicht Schikane, sondern Klarheit. Genau das schafft dieser Antrag.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Niemand wird gezwungen, Tofu zu essen. Aber viele werden derzeit strukturell daran gehindert, Alternativen sichtbar, verständlich und gleichberechtigt anzubieten. Das ist nicht Marktwirtschaft, das ist Politik im Interesse der Fleischindustrie. Wir stimmen diesem Antrag zu, weil er nicht nur sprachlich aufräumt, sondern weil er für etwas einsteht, das in dieser Debatte oft vergessen wird: Selbstbestimmung, Transparenz und Respekt vor den Entscheidungen der Verbraucherinnen und Verbraucher. Meine Damen und Herren, wer glaubt, man könne Menschen schützen, indem man ihnen Informationen vorenthält, hat das Prinzip Freiheit nicht verstanden.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Luigi Pantisano [Die Linke]: Sehr gut! Gute Rede! – Bernd Schattner [AfD]: Das sagt die Mauerschützenpartei!)