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Große Worte, kleines Gesetz: So schützt man die kritische Infrastruktur nicht

Rede von Clara Bünger,

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Deutschland sind wir alle darauf angewiesen, dass die kritische Infrastruktur funktioniert. Krankenhäuser, Strombetreiber, Trinkwasserversorger, Flughäfen, das alles gehört dazu und muss geschützt werden. Aber statt sich ernsthaft darum zu kümmern, überbietet sich die Union seit Wochen mit absurden Forderungen.

(Zahlreiche Abgeordnete betreten den Plenarsaal)

– Guten Morgen! Es scheint hier im Plenum jetzt noch voller zu werden. – Seit Wochen überbietet sich die Union mit absurden Forderungen: Söder möchte alles abschießen, was fliegen kann.

Vielen Dank. Ich hoffe, das wird auf meine Redezeit aufgeschlagen.

Wie gesagt, seit Wochen überbietet sich die Union: Vor allen Dingen Herr Dobrindt mit Forderungen wie dem Cyberdome, und Herr Söder möchte alles abschießen, was fliegen kann. Aber wenn es darum geht, die eigenen Hausaufgaben zu erledigen, dann kommt von Ihnen leider nichts.

Im Dezember letzten Jahres haben Sie den Vorschlag der Ampel blockiert. Damals hieß es aus der Union – ich zitiere –:

"„Es ist ein Trauerspiel, dass es die Bundesregierung“"

– damals die Ampel –

"„nicht geschafft hat, einen tauglichen Gesetzentwurf vor Ablauf der europarechtlichen Frist im Oktober“"

– 2024 –

"„vorzulegen.“"

Ein Jahr später sind Sie in der Regierung, und es ist fast nichts passiert. Mit ihrer Ablehnung hat die Union den Schutz der kritischen Infrastruktur einfach um ein weiteres Jahr verzögert.

(Beifall des Abg. Jan Köstering [Die Linke])

Und wieso? Inhaltliche Probleme scheinen Sie mit dem Gesetz der Ampel ja nicht zu haben. Schließlich präsentieren Sie heute nahezu denselben Gesetzentwurf.

Sie drücken sich damit davor, selbst Mindestanforderungen an den Schutz kritischer Infrastruktur festzulegen – Mindestanforderungen, die nicht nur die Fachleute der AG KRITIS fordern, sondern auch die EU-Richtlinie selbst. Stattdessen geben Sie die Verantwortung einfach an das Innenministerium weiter und entziehen dem Parlament so die Kontrolle darüber.

Die Union beschrieb das im letzten Jahr so – ich zitiere –: Nach wie vor bleibt in ihrem Gesetz „viel zu viel offen, unbestimmt, vage und wird viel zu viel in die Zukunft vertagt. […] An jeder Stelle, an jeder Ecke in diesem Entwurf werden wichtige Regelungen nicht getroffen, sondern in Rechtsverordnungen delegiert. […] So geht es nicht.“ Zitat Ende. Das Zitat ist von Herrn Seif, der heute auch hier sitzt. Und da, liebe Union, lieber Herr Seif, stimme ich Ihnen zu. Jetzt machen Sie aber genau das Gleiche.

Und dann sagten Sie tatsächlich noch: „Die Union kann dem Ampelmurks […] nicht zustimmen.“ Sie hatten jetzt ein Jahr Zeit, an dem Gesetz zu arbeiten. Aber alles, was Sie hier machen, ist, quasi den gleichen Ampelmurks wieder vorzulegen. Was haben Sie im letzten Jahr eigentlich für die kritische Infrastruktur gemacht?

(Beifall bei der Linken)

Dieses Gesetz schützt die kritische Infrastruktur nicht wirksam. Nach Ihrem Gesetz sollen die Unternehmen selbst entscheiden, ob sie kritische Infrastruktur sind oder nicht und welche Maßnahmen sie für sinnvoll halten. Schutzmaßnahmen sind immer mit Kosten verbunden, und Unternehmen versuchen bekanntlich, jegliche Kosten zu reduzieren. Regelmäßige Überprüfungen, ob die Unternehmen wirklich die richtigen Maßnahmen ergreifen, gibt es nicht. Und wenn es doch mal irgendwann auffällt, dass die Maßnahmen eines Unternehmens nicht ausreichen, liegt die höchste Strafe bei 500 000 Euro. Das ist in den meisten Fällen günstiger als die Schutzmaßnahme selbst.

Sie von der Union kritisierten vor einem Jahr ein Gesetz, unter anderem weil es zu spät kam, brauchen dann aber selbst noch ein Jahr, um etwas vorzulegen.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ein halbes!)

Was Sie hier präsentieren, ist quasi das gleiche Gesetz, das Sie vor einem Jahr kritisiert haben.

Nehmen Sie doch Ihre eigene Kritik an diesem Gesetz ernst, und machen Sie es besser! Um die kritische Infrastruktur zu schützen, braucht es nämlich klare Mindeststandards, die regelmäßig überprüft werden – nicht irgendwann, wenn das Innenministerium mal Zeit dafür hat, sondern hier und jetzt im Bundestag.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)