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Afghanistan-Abzug: Deutschlands Verrat an seinen Ortskräften

von Clara Bünger,

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als die Bundeswehr 2021 nach fast 20 Jahren aus Afghanistan abzog, ließ die Bundesregierung ihre afghanischen Verbündeten im Stich. Wir alle erinnern uns an die dramatischen Bilder vom Kabuler Flughafen: Menschen klammerten sich verzweifelt an Flugzeuge, um den Taliban zu entkommen.

(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Und was ist mit der afghanischen Armee?)

Dieses Chaos war auch das Ergebnis des verantwortungslosen Handelns der damaligen Bundesregierung.

(Beifall bei der Linken)

Es war absehbar, dass die Taliban die Macht zurückerobern würden. Verantwortungsvoll wäre es gewesen, großzügig Ortskräfte aufzunehmen.

(Beifall bei der Linken)

Doch die Ministerin und die Ministerien handelten kleinkariert, schoben die Verantwortung hin und her. Seehofer wollte Anfang August 2021 sogar noch Abschiebungen nach Afghanistan durchsetzen.

(Thomas Röwekamp [CDU/CSU]: Ja, von Straftätern! – Peter Beyer [CDU/CSU]: Das wäre heute auch nicht verkehrt!)

Was für ein menschenverachtender Plan!

(Beifall bei der Linken)

Ein Beispiel für die Folgen dieses Versagens ist die Geschichte von Herrn J., der für die Bundeswehr gearbeitet und auch als Zeuge im Untersuchungsausschuss ausgesagt hat. Herr J. und seine Familie hatten gültige Unterlagen und wurden von der Bundeswehr eingeladen, sich am Kabuler Flughafen einzufinden. Bereits der Weg dorthin war lebensgefährlich. Die Familie musste mehrere Taliban-Checkpoints passieren.

Am Nordtor des Flughafens herrschte Chaos. Tausende Menschen drängten sich, Sicherheitskräfte feuerten Schüsse in die Luft, Tränengas wurde eingesetzt. Der Sohn des Herrn J. wurde verletzt. Das Kind eines Kollegen schwebte in Lebensgefahr. Doch trotz gültiger Dokumente wies die Bundeswehr die Familie zurück. Ein Soldat erklärte Herrn J., sein Name sei nicht registriert. Eine Soldatin drohte sogar mit dem Gewehr. Herr J. beschrieb diesen Moment als den absoluten Tiefpunkt: Er habe die Welt nicht mehr verstanden.

So ging es auch der Familie M., die Hunderten Ortskräften Schutz bot und ebenfalls im Stich gelassen wurde. Einige Familienmitglieder konnten inzwischen nach Deutschland kommen, doch viele hängen trotz Aufnahmezusage – trotz Aufnahmezusage! – immer noch in Pakistan fest oder wurden ganz allein gelassen, und das mehr als drei Jahre nach der Machtübernahme der Taliban.

Diese Geschichten zeigen: Menschen, die jahrelang für deutsche Behörden arbeiteten, werden im Stich gelassen, und das trotz Lebensgefahr. Das ist ein politisches Versagen ohne Entschuldigung.

(Beifall bei der Linken)

Umso schlimmer ist es, dass der Bundeskanzler gestern hier im Plenum verteidigte, dass Deutschland als einziges Land in Europa wieder nach Afghanistan abschiebt – in ein Land, das von einem Regime regiert wird, das Menschen öffentlich auspeitscht, Frauen in fensterlose Häuser sperrt und hinrichtet. Das ist beschämend, liebe Kolleginnen und Kollegen. Man macht keine gemeinsame Sache mit den Taliban!

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Jamila Schäfer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])