Zum Hauptinhalt springen

Für die endgültige Abschaffung der Wehrpflicht

Rede von Desiree Becker,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir lehnen die Wehrpflicht ab, wir lehnen die Bedarfswehrpflicht ab, wir lehnen auch die Vorbereitung all dessen, das heute vorliegende Wehrdienst-Modernisierungsgesetz, ab.

(Beifall bei der Linken)

Wie alle Umfragen zeigen, haben junge Menschen anderes vor, als im Regiment Merz für das Kapital der Reichen den Kopf hinzuhalten.

(Beifall bei der Linken – Steffen Bilger [CDU/CSU]: Eijeijei!)

Und an die Grünen und ihren Jugendverband: Wir lehnen auch jedes verpflichtende Gesellschaftsjahr ab.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Vorwärts immer, rückwärts nimmer!)

In der Pflege fehlen keine jungen Leute, die aufgrund von Zwang dort sind; es fehlen gut ausgebildete und gut bezahlte Fachkräfte.

(Beifall bei der Linken)

Man muss sich mal vorstellen, was alle anderen Fraktionen hier als „freiwillig“ definieren: den Zwang, einen Bogen auszufüllen, und den Zwang, zur Musterung zu gehen, verbunden mit der Ankündigung: Wenn Pistorius nicht reicht, was dabei herumkommt, dann kommt eben eine Wiedereinführung der Wehrpflicht. – Ja, in § 2a des Wehrpflichtgesetzes steht, dass Sie die Wehrpflicht dann wieder einführen wollen. Wer nicht hört, bekommt die Macht des Staates zu spüren: Strafen wie Geldbußen und polizeiliche Vorführung zur Musterung. Und wofür? Bis heute bleibt unklar, wo genau Personalbedarf besteht. Braucht die Bundeswehr mehr Soldaten im Heer, bei der Marine, in der Luftwaffe? Im Gesetz sind irgendwelche Soll-Personalzahlen definiert, aber wofür genau, sagt niemand. Statt Erklärungen gibt es nur Appelle an den Gehorsam der Jugend: Die Lage ist gefährlich, also müsst ihr dienen. Wofür genau? Das erfahrt ihr erst vor Ort. – Was ist das für ein Verfahren? Keine nachvollziehbare Planung, keine offene Kommunikation! Erst dank der Opposition konnten Jugendorganisationen überhaupt zu Wort kommen. So darf Politik nicht aussehen.

(Beifall bei der Linken – Zuruf der Abg. Claudia Roth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Röttgen, Sie haben mit dem heute vorliegenden Gesetzentwurf überhaupt gar nichts geklärt. Sie haben Ihre Diskussion über Wehrpflicht, Losverfahren oder wie auch immer Sie es nennen wollen, einfach noch mal ein halbes Jahr nach hinten verschoben.

Das führt mich zum nächsten Punkt. Eltern sollten Kinder vor Gefahren schützen; das ist doch eigentlich Konsens. Zumindest bei ihren eigenen Kindern sehen das die Entscheider/-innen, die heute hier sitzen, auch so.

(Zuruf von der AfD: „Entscheider/-innen“!)

Aber bei den Kindern der anderen Leute? Die „Berliner Zeitung“ hat im Oktober bei allen Bundesministern angefragt, ob sie ihre eigenen Kinder zur Bundeswehr schicken würden, im Ernstfall auch in einen Einsatz gegen Russland. Wadephul, Dobrindt, Warken und Bas wollten sich nicht äußern. Pistorius schrieb zurück, ignorierte aber diese zentrale Frage. 17 Minister/-innen, aber nur eine Antwort! Zitat Karin Prien: Das sollen meine Kinder selbst entscheiden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN] – Steffen Bilger [CDU/CSU]: Ja, genau! Sehr gut! Wer denn sonst? – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Es ist ein Hohn, wenn junge Männer bald gar nicht mehr selbst entscheiden können, weil die Wehrpflicht wieder eingeführt wird.

(Beifall bei der Linken – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Das ist ja lächerlich!)

Wir haben deshalb einen Antrag zur endgültigen Streichung der Wehrpflicht aus dem Grundgesetz gestellt. Dieser liegt dem jetzt debattierten Gesetz zur Modernisierung des Wehrdienstes bei. Sie alle werden ihn gleich ablehnen und sich im Anschluss gegenseitig dafür applaudieren, die Kinder anderer Leute an die Waffe zu zwingen.

An die Jugend gerichtet sage ich: Schaut in ihre Gesichter, wenn sie jubeln, und merkt euch: Was ihr verteidigen sollt, sind die Kapitalinteressen derjenigen, die weder eure Zukunft noch eure Sorgen noch eure Lebensrealität teilen.

(Beifall bei der Linken)

Sie sitzen in Vorstandsetagen, ihr in überfüllten Klassenräumen. Sie profitieren von Aufrüstung, ihr riskiert Leben und Traumata. Sie bleiben daheim, ihr sollt in den Krieg ziehen. Leider – das garantiere ich euch – wird die Bundesregierung auch in den kommenden Jahren keine Politik für euch machen.

(Beifall bei der Linken – Zurufe der Abg. Alexander Hoffmann [CDU/CSU] und Jens Spahn [CDU/CSU])

Klimapolitik? Nichts passiert. Kampf gegen rechts? Nicht mit denen. Und eure Schulen? Glaubt ihr, die Toiletten hier im Bundestag sehen aus wie eure Schulklos? Aber wenn man euch braucht, setzt man euch mit Tabellen unter Druck, wie viele von euch wann bei der Bundeswehr dienen müssen; sonst kommt die Pflicht. Wenn ihr 17 oder jünger seid, dann trifft es euch. Ihr habt diese Regierung noch nicht einmal gewählt, aber ihr sollt deren Entscheidungen ausbaden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Aufhören! – Jens Spahn [CDU/CSU]: Das nennt sich übrigens „Demokratie“!)

Sagt nein! Ihr habt jedes Recht, euch zu wehren. Geht heute zu Recht auf die Straße! Streikt gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht!

(Beifall bei der Linken)

Informiert euch über das Recht auf Kriegsdienstverweigerung, und nutzt es! Wir helfen da gerne.

Passend dazu ein Teil eines Gedichtes von Wolfgang Borchert:

"„Du. Pfarrer auf der Kanzel. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst den Mord segnen und den Krieg heilig sprechen, dann gibt es nur eins: Sag NEIN!“"

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Tiefer geht’s jetzt aber nicht mehr!)

"„Du. Arzt am Krankenbett. Wenn sie dir morgen befehlen, du sollst die Männer kriegstauglich schreiben, dann gibt es nur eins: Sag NEIN!"

(Felix Banaszak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist so geschichtsvergessen!)

Und frei: Du, Abgeordneter, der nur seinem Gewissen verpflichtet ist, wenn dir heute befohlen wird, du sollst unsere Kinder in den Zwangsdienst schicken, dann gibt es nur eins: Sag Nein!

(Beifall bei der Linken – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)