Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Wehrbeauftragter, Herr Otte, ich grüße Sie. Wir haben hier einen Haushaltsentwurf vorliegen, der die Überschrift tragen könnte: „Whatever it takes.“ Das ist ja einmalig; einen solchen Haushalt gibt es ansonsten nicht. Ich will am Anfang ganz klar und deutlich sagen: Das, was Sie hier mittelfristig vorhaben, halte ich für Wahnsinn. Es führt dazu, dass Sie den sozialen Zusammenhalt nicht nur in unserem Land, sondern letztlich auch in Europa gefährden. Und das ist aus meiner Sicht unverantwortlich.
(Beifall bei der Linken)
Als ich 1998 das erste Mal Mitglied des Bundestages wurde, hatte der Verteidigungsetat eine Größenordnung von 24 Milliarden Euro. Und heute wollen Sie, wie Sie selbst gesagt haben, mit Sondervermögen zu einem Volumen von 86 Milliarden Euro kommen.
(Kerstin Vieregge [CDU/CSU]: Ja, gut so!)
Das ist schon ein gewaltiger Sprung. Ich will nur darauf hinweisen, dass die Mittel in diesem Einzelplan seit Jahren immer gesteigert worden sind. Von wegen Kaputtsparen! Es ist immer gesteigert worden. Man muss die Frage stellen: Was ist aus dem Geld geworden? Wie ist es eingesetzt worden? – Das ist zumindest dringend notwendig.
(Beifall bei der Linken)
Wer mir jetzt sagt, dass wir das steigern müssen, weil wir eine neue Sicherheitslage haben, dem sage ich: Das weiß ich. Aber jeder, der das anders sieht, ist nicht automatisch ein Putinist oder ein Kremlverteidiger. Nein, es ist unbestritten, dass Russland einen furchtbaren Angriffskrieg führt. Das sagen wir auch.
(Lachen des Abg. Andreas Mattfeldt [CDU/CSU])
Aber man kann zu anderen Schlussfolgerungen kommen als zu dieser gigantischen Aufrüstung.
(Zuruf der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Das ist jedenfalls meine These.
(Beifall bei der Linken)
Ich will daran erinnern: Es gab hier im Deutschen Bundestag unendliche und sehr tiefgründige Diskussionen, als es um das 2-Prozent-Ziel ging. Es gab nicht wenige – einige sitzen heute noch hier – in der sozialdemokratischen Fraktion, die sogar bei 2 Prozent sehr kritische Äußerungen getroffen haben. Ich halte das für zumindest nachdenkenswert. Im Übrigen haben bislang nicht alle europäischen Länder das 2-Prozent-Ziel erreicht; das müssen wir einfach mal festhalten. Jetzt wird eben mal locker gesagt: 5 Prozent, das haben wir unterschrieben. – Ich finde das problematisch, vor allen Dingen, weil gleichzeitig im Einzelplan 23 bei der humanitären Hilfe so drastisch gekürzt wird. Das ist doch nicht sozialdemokratisch. Es ist unverantwortlich, dass dort gekürzt wird, während für die Verteidigung Geld ohne Ende zur Verfügung gestellt wird.
(Beifall bei der Linken)
Der steigende Rüstungshaushalt hat ja wenig mit der Ausstattung der Truppe zu tun. Als die Wehrbeauftragte im vergangenen Jahr die Bundeswehr-Uni in Hamburg besuchte, erfuhr sie, dass die dortige Sporthalle der Uni seit über einem halben Jahr wegen Schimmelbefall geschlossen ist.
(Falko Droßmann [SPD]: Eine von drei!)
In der Südpfalz-Kaserne in Germersheim waren im Frühling vergangenen Jahres Schimmel in Stuben und Sanitärräumen, Wasserschäden sowie von den Wänden abblätternder Putz allgegenwärtig.
(Falko Droßmann [SPD]: Genau! Zwei von elf Gebäuden! – Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ein Argument für mehr Ausgaben!)
Das kann man – wie vieles andere mehr – im Jahresbericht des Wehrbeauftragten nachlesen. Wenn es hier also heißt, das Geld sei für die Truppe da, dann stimmt das einfach nicht. Das Geld geht vielfach in die Hände von Rüstungskonzernen, die jetzt die größten Aufträge in ihrer Geschichte bekommen. Das ist die Wahrheit. Das Wesentliche ist nicht für die Truppe, sondern für Rüstungskonzerne.
(Beifall bei der Linken)
Ich kann in diesem Zusammenhang den neuen Wehrbeauftragten nur darum bitten, dass er ein Wehrbeauftragter des Parlaments, der Truppe ist und nicht der Bundesregierung. Das ist mir ungemein wichtig, meine Damen und Herren.
Ich will mein Lieblingsbeispiel, was die Rüstungsbeschaffung in unserem Land betrifft, einmal nennen: Das sind die Marinetanker. Ein Schiff dieser Art kostet die Bundeswehr über 450 Millionen Euro. Es ist etwas eigenartig, dass vergleichbare Schiffe bei der britischen und bei der norwegischen Marine nur zwischen 140 und 210 Millionen Euro kosten.
(Zuruf der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Für das Geld, das dafür im Einzelplan 14 verschwendet wird, hätten wir das Zwei- bis Dreifache an Tankschiffen in Großbritannien und Norwegen einkaufen können.
(Zuruf des Abg. Falko Droßmann [SPD])
Das muss man sich mal vorstellen. Das hat auch nichts mehr mit Arbeitsplätzen in Deutschland zu tun. Wie viele Arbeiterinnen und Arbeiter in deutschen Werften sollen denn angeblich davon profitieren?
Bevor hier noch weitere Euro in die Beschaffung gesteckt werden, sollte bei der Beschaffung von Rüstungsgütern endlich aufgeräumt werden. Es kann nicht sein, dass die Ausgaben für die Rüstung explodieren und wir aus allen Truppenteilen immer hören, was nicht funktioniert, was fehlt und was noch gewünscht ist. Das ist ein Widerspruch, der so nicht zu akzeptieren ist.
(Beifall bei der Linken – Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sollen wir kein Geld ausgeben, oder sollen wir es besser ausgeben?)
Meine Damen und Herren, wenn man mal in die Untiefen des Einzelplans geht, dann kann man wirklich interessante Dinge finden. Ich nenne als Beispiel: Die Münchner Sicherheitskonferenz wird mehr gefördert als die Vereine der sogenannten Einsatzveteranen und der Psychosozialen Hilfe für Angehörige der Bundeswehr zusammen. Das ist doch vielleicht ein Widerspruch. Warum sollen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler dafür so viel ausgeben, aber für die Truppe letztlich nicht?
(Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diplomatie ist auch wichtig!)
Ich finde, das ist unangebracht.
Ich sehe, meine Redezeit läuft ab; ich komme auch zum Schluss, Frau Präsidentin.
(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Ja, reicht dann auch!)
Ich will deutlich sagen, dass wir den Einzelplan 14 in dieser Form ablehnen. Es müssen erst mal realistische Analysen der Bedrohungsszenarien her. Ich hoffe, dass wir in den Beratungen da noch ein Stück weiterkommen, und wünsche alles Gute.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der Linken)