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Foto: Rico Prauss

Rede von Dietmar Bartsch am 10.07.2025

Rede von Dietmar Bartsch,

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Ministerin, Ihre Worte habe ich sehr wohl gehört. Wir werden Sie ausschließlich an den Taten messen, inwieweit das, was Sie hier gesagt haben, auch Praxis wird. Es war ja sehr interessant, was die Kollegin Schneider eben über die Veränderung innerhalb eines Jahres bei der Union gesagt hat. Ich will nur darauf hinweisen, dass härtere Gesetze – die alte Leier kommt insbesondere von der Union – unser Land nicht sicherer gemacht haben. Da braucht man nur einmal in die Kriminalitätsstatistik schauen, dann sieht man die Realität.

Wenn Sie von Rekordinvestitionen sprechen und mehr meinen als Aufrüstung, dann sollten Sie die Justiz stärken. Meine Damen und Herren, Sicherheit beginnt nicht mit Panzern einerseits und Symbolpolitik andererseits, sondern mit einem Rechtsstaat, der wirklich funktioniert. Wie sieht aber die Realität aus? Bei den Staatsanwaltschaften: fast 1 Million Verfahren unerledigt – das ist ein Anstieg um fast 30 Prozent im Vergleich zu 2021. Dort, wo Sie, Frau Ministerin, bis vor Kurzem gearbeitet haben, in Rheinland-Pfalz, liegen über 30 000 Verfahren unbearbeitet, und nur noch eines von 15 Verfahren führt überhaupt zu Anklagen.

(Dr. Martin Plum [CDU/CSU]: Da war sie aber nicht Justizministerin!)

Das ist doch ein strukturelles Alarmsignal und nichts anderes.

Meine Damen und Herren, im vergangenen Jahr mussten mehr als 60 Beschuldigte aus der Untersuchungshaft entlassen werden – nicht wegen Unschuld, sondern weil die Justiz personell nicht in der Lage war, Fristen einzuhalten. Das finde ich wirklich skandalös; das ist Beihilfe durch Unterlassung. Es ist ein Schlag ins Gesicht der Opfer und nichts anderes.

Meine Damen und Herren, bundesweit fehlen rund 2 000 Richterinnen und Richter, mehr als 1 500 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Bis 2030 geht ein Drittel in der Justiz in den Ruhestand, und trotzdem bleiben Stellen unbesetzt. Die Digitalisierung stockt, Verfahren stauen sich. Dass die Mittel für die Deutsche Richterakademie, ein Ort der Fortbildung, sinken, kann doch nicht wirklich Ihr Ernst sein.

Meine Damen und Herren, mit großer Sorge schaue ich auf das Bundesamt für Justiz. Das ist der zentrale Dienstleister auf den Gebieten des internationalen Straf- und Zivilrechts und die sachlich unabhängige externe Meldestelle des Bundes zum Schutz hinweisgebender Personen und vieles mehr. Es geht personell zunehmend auf dem Zahnfleisch. Mehr Geld für das Bundeskriminalamt, die Bundespolizei und den Verfassungsschutz, aber statt beim Bundesamt für Justiz für den notwendigen personellen Aufwuchs zu sorgen, gehen Sie ausgerechnet hier mit den Stellen runter. Das ist fatal.

Meine Damen und Herren, ein Rechtsstaat, der nicht mehr in der Lage ist, Recht zu sprechen, verliert sein Fundament. Unsere Erwartung, Frau Ministerin, ist ganz klar: Schließen Sie den mit den Ländern im Koalitionsvertrag zugesagten Pakt, den Sie heute ja noch mal ausdrücklich bekräftigt haben,

(Dr. Martin Plum [CDU/CSU]: Das wird sie auch machen!)

um Stellen in der Justiz zügig zu besetzen, die Digitalisierung voranzutreiben und Verfahren zu beschleunigen! Halten Sie zumindest an dieser Stelle – anders als bei anderen Dingen, die im Koalitionsvertrag festgeschrieben sind – Wort! Da hätten Sie auch unsere Unterstützung.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Ein vernünftiger Satz!)

Frau Ministerin, ein Wort noch zu Ihrem ersten Gesetz, das Sie als Bundesministerin verabschiedet haben: Das ist die Mietpreisbremse. Und ich sage – Sie haben sie eben noch mal gelobt –: Sie ist zahnlos. Die Mietpreisbremse ist ein Placebo für den Wohnungsmarkt. Sie klingt nach Therapie, zeigt aber kaum Wirkung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linken)

Von den 21 Millionen Mieterhaushalten in Deutschland ist ein Drittel durch die Mietkosten überlastet. Über 3 Millionen Haushalte geben mehr als 40 Prozent ihres Einkommens nur für die Miete aus. 5,5 Millionen Menschen können ihre Wohnung in der kalten Jahreszeit nicht mehr angemessen heizen – übrigens doppelt so viele wie zum Beginn der Ampelregierung. Die Mietpreisbremse mag wie Hilfe klingen, sie ist es aber nicht. Sie ändert am Kern des Problems nichts. Sie wirkt wie ein Pflaster auf einem gebrochenen Bein.

Deshalb betrachten Sie, Frau Ministerin, das Thema Miete nicht als erledigt, nur weil Sie eine weitgehend wirkungslose Maßnahme verlängert haben. Schlupflöcher für den Mietwucher sollten von Ihnen endlich konsequent und umfänglich geschlossen und Abzocke sollte beendet werden.

(Beifall bei Abgeordneten der Linken)

Ich kann da nur eine Empfehlung geben für die Mietwucher-App, die unsere Fraktion anbietet. Da können Sie sehr viel sehen und hoffentlich auch lernen. Mieterinnen und Mieter verdienen echte Entlastung für bezahlbares Wohnen als Grundrecht, nicht als Glücksfall, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linken)

Sie, Frau Ministerin, warnen im Übrigen zu Recht vor denjenigen, die die Demokratie attackieren. Die klare Erwartung meiner Fraktion an die Bundesregierung ist: Kürzen Sie nicht bei Programmen und Organisationen, die unsere Demokratie schützen und fördern! Das sollte für die gesamte Legislaturperiode Ihr Anspruch sein.

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin.

(Beifall bei der Linken)