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Foto: Rico Prauss

Rüstung frisst Zukunft

Rede von Dietmar Bartsch,

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Klingbeil, Sie haben hier von einem denkwürdigen Tag gesprochen. Das ist wirklich eine sehr, sehr weiche Umschreibung.

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Das hier heute war ein Chaostag sondergleichen.

(Beifall bei der Linken und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie überhaupt schon in einer Haushaltswoche eine Richterwahl ansetzen, dann stellen Sie doch bitte vorher sicher, dass es die entsprechenden Mehrheiten gibt. Es kann nicht sein, dass Sie so eine Wahl absetzen. Sie beschädigen das Verfassungsgericht, vor allen Dingen aber beschädigen Sie alle Kandidatinnen und Kandidaten, die hier zur Wahl aufgestellt wurden. Das ist und bleibt inakzeptabel.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Eine zweite Bemerkung will ich machen. Wir haben weiterhin eine vorläufige Haushaltsführung. Ich meine, das hat ja Auswirkungen. Das ist für den Finanzminister gut, aber für viele andere eben nicht. Viele Projekte können nicht umgesetzt werden; Sie hören hoffentlich die vielen Kritiken. Ich kann nur sagen: Ich wünsche mir für die Haushaltsberatungen, dass insbesondere die Abgeordneten der Koalition das Selbstbewusstsein haben, nicht nur die Haushaltsentwürfe der Regierung abzunicken, zu sagen: „Es ist alles toll“ und an kleinen Stellschräubchen zu drehen, sondern wirklich politische Weichenstellungen in den Haushaltsberatungen vorzunehmen.

Denn derzeit ist es doch so – das sage ich Ihnen –: Das größte Gift für die Demokratie ist die Unglaubwürdigkeit derer, die sie repräsentieren. Und bei Schwarz-Rot ist das einfach so.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Schwarz-Rot wollte die Stromsteuer für alle senken und hat es nicht getan. Die SPD wollte den Mindestlohn auf 15 Euro erhöhen und hat es nicht getan. Und dass heute die Wahl der Bundesverfassungsrichter abgesetzt wurde, ist natürlich in gewisser Hinsicht ein Höhepunkt. Ich meine, der CSU-Vorsitzende, Ihr Herr Söder, hat doch sogar davon gesprochen, dass der Koalitionsvertrag ein Bestseller werde. Ich halte das für einen typischen Söder-Schmarrn. Aber wenn es so wäre, dann wäre der nach diesen Entscheidungen nicht in der Rubrik „Sachbuch“, sondern in der Rubrik „Science-Fiction“ einzuordnen, meine Damen und Herren.

Ich sage Ihnen: Die Haushalts- und Finanzpolitik dieser Bundesregierung droht den sozialen Zusammenhalt in diesem Land an die Wand zu fahren. Der heutige Tag manifestiert diese Krise sehr, sehr deutlich.

Meine Damen und Herren, bis zum Ende der Legislatur wollen Sie mehr als 150 Milliarden Euro in die Aufrüstung der Bundeswehr investieren.

(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: In unsere Freiheit!)

Dem neuen 5-Prozent-Ziel der NATO – dazu habe ich in dieser Woche schon was gesagt – folgen Sie, und gleichzeitig kürzen Sie in diesem Haushalt die humanitären Leistungen im Einzelplan 05 wie im Einzelplan 23. Menschlichkeit gegen Aufrüstung: Was ist denn das für ein Herangehen, gerade für einen sozialdemokratischen Finanzminister? Ich finde das inakzeptabel.

(Beifall bei der Linken – Christian Görke [Die Linke]: Ganz meine Meinung!)

Meine Damen und Herren, Herr Merz hat von diesem Pult aus am Mittwoch gesagt, Deutschland werde außenpolitisch nun wieder wahrgenommen und ernst genommen.

(Martin Reichardt [AfD]: Eine Fehlwahrnehmung!)

Nach der ersten Amtszeit des amerikanischen Präsidenten hatte ich gehofft, dass Deutschland und Europa eigene Interessen betonen. Und was macht der Bundeskanzler? Der schenkt dem amerikanischen Präsidenten einen Golfschläger und sagt zu jeder Forderung: Ja, Mr. President. – 5 Prozent für Rüstung? Gerne, Mr. President. – Das hat nichts mit Selbstständigkeit zu tun.

(Beifall bei der Linken)

Meine Damen und Herren, sich und unser Land derart kleinzumachen, gehört sich für den Kanzler der drittgrößten Volkswirtschaft der Welt nicht.

Apropos Volkswirtschaft. Einen Tag nachdem Daimler Truck verkündet hat, Tausende Stellen abbauen zu wollen, sagt der Kanzler: Die Stimmung in den Unternehmen wird kontinuierlich besser. – Herr Bury hat sich ja hier heute als optimismuspolitischer Sprecher der Union geoutet.

(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Der kann alles, der Herr Bury!)

Da kann man nur sagen: Viel Spaß in diesem Paralleluniversum! Ihre gemeinsame Politik verbessert die Situation der Menschen eben nicht.

Ich sage Ihnen mal, was man mit den 150 Milliarden Euro für die Rüstung machen könnte: 20 Jahre das Deutschlandticket bezahlen oder 15 Jahre Kindergeld finanzieren oder 27 Jahre das Wohngeld tragen oder 32 Jahre den sozialen Wohnungsbau stemmen.

(Florian Oßner [CDU/CSU]: Oder ein Jahr Die Linke finanzieren!)

Das alles wäre mit dieser Summe möglich.

(Dr. Yannick Bury [CDU/CSU]: Oder wir garantieren unsere Sicherheit und machen uns verteidigungsfähig!)

Jetzt gibt es hier von rechts außen immer nur einen Punkt: die Flüchtlinge. Da will ich Ihnen nur einen Satz sagen, den ich hier schon vor 10 oder 15 Jahren gesagt habe: Die teuersten Flüchtlinge sind und bleiben die Steuerflüchtlinge, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Christian Görke [Die Linke]: Sehr richtig! Genau!)

Zum Sondervermögen noch eine Bemerkung. Sie wecken damit gigantische Erwartungen, und ich kann Ihnen sagen: Sie werden gigantische Enttäuschungen produzieren. Es ist ja völlig in Ordnung, wenn Sie über die Kommunen reden. Aber in den Kommunen herrscht ein Investitionsstau von circa 200 Milliarden Euro. Und von den 100 Milliarden Euro, die aus dem Sondervermögen Infrastruktur an die Länder gehen, fließen in diesem Jahr sage und schreibe 8,3 Milliarden Euro ab – viel zu wenig. Der Bürgermeister von Wismar und gleichzeitig Vorsitzende des Städte- und Gemeindetages Mecklenburg-Vorpommern, der Ihrer Partei, der SPD, angehört, sagte diese Woche:

"„Die Finanzlage wird immer prekärer. Wenn nicht schleunigst die Weichen neu gestellt werden, müssen wir wichtige Bauprojekte zurückstellen und bei freiwilligen Leistungen für Kultur und Sport kürzen.“"

Das ist die reale Lage in den Kommunen.

Meine Damen und Herren, Sie zünden mit diesem Haushalt den Rüstungsturbo. Für die Bürgerinnen und Bürger wird das in den kommenden Jahren zu einem Kürzungsturbo werden. Bildung, Gesundheit, Pflege und Rente: Mit Ihren Plänen wird Deutschland nicht gerechter, nicht moderner, sondern zu einem Land, das Milliarden in Kriegsgerät steckt und wo die Bürger den Gürtel enger schnallen müssen. Dazu sagen wir als Linksfraktion geschlossen Nein.

Herzlichen Dank und schönen Sommer!

(Beifall bei der Linken)