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Foto: Rico Prauss

Rede von Dietmar Bartsch am 26.11.2025

Rede von Dietmar Bartsch,

Herr Präsident! Ich darf mich zunächst einmal Ihren Worten anschließen. – Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrter Herr Wehrbeauftragter! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bald! Im nächsten Jahr umfasst der normale Haushalt 83 Milliarden Euro. Das ist ein gewaltiger Etat. Kein Etat wächst so auf. „Whatever it takes“-Etat hat der Bundeskanzler gesagt. Ich glaube, da hat er recht.

Ich will nach den Lobeshymnen des doppelten Andis, also Andreas Mattfeldt und Andreas Schwarz, das zumindest einordnen. Diese 83 Milliarden Euro sind nur der Kernhaushalt. Das ist genauso viel wie die Bundesregierung für Forschung und Technologie, für Wohnen und Stadtentwicklung, für Bildung, Familie, Senioren, für Gesundheit, für Wirtschaft und Energie ausgibt. Das ist doch irgendwie etwas schräg. Wenn ich mir die vorherige Debatte vor Augen führe, in der der Bundesaußenminister um 1 Milliarde Euro für humanitäre Hilfe und Krisenprävention bettelt, die nicht da ist, und wenn ich mir die folgende Debatte über den Einzelplan 23 vor Augen führe, dann wird klar, dass das Ganze aus meiner Sicht mindestens problematisch ist. Es ist auch für einen sozialdemokratischen Verteidigungsminister aus meiner Sicht mindestens nachdenkenswert, das einzuordnen.

Neben den 83 Milliarden Euro kommt dann noch das gigantische Sondervermögen, also im Kern Schulden, hinzu. Die Fregatten und Kampfflugzeuge sind längst wieder außer Dienst, wenn unsere Kinder und Enkel diese Schulden noch abbezahlen werden.

Mehr als 108 Milliarden Euro für Rüstung! Bis 2029 soll der Verteidigungsetat auf 160 Milliarden Euro steigen. Ich will als Vergleich anführen: Andere Staaten sind doch mit viel begrenzteren Mitteln verteidigungsfähig. Frankreich und Großbritannien zum Beispiel sind Atommächte; in beiden Ländern existiert im Übrigen keine Wehrpflicht. Beide Staaten kommen mit deutlich geringeren Haushaltsmitteln aus. Frankreich will seine Ausgaben 2027 auf 64 Milliarden Euro erhöhen. Großbritannien hat zuletzt 65 Milliarden Euro ausgegeben. Und Sie wollen einen Etat, der doppelt so hoch ist wie die Etats dieser beiden Atommächte zusammen? Ich sage: Das gehört sich nicht. Man hört im Übrigen von denen nicht jeden Tag: Das ist marode. Das funktioniert nicht. Wir sind nicht verteidigungsfähig.

(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Dann hörst du aber nicht viel! – Kerstin Vieregge [CDU/CSU]: Weil sie nicht darüber sprechen!)

Das ist aus meiner Sicht maßlos, und das stellt auch der Führung des BMVg ein mieses Zeugnis aus.

Allein 2027 und 2028 soll der Etat des Verteidigungsministeriums um 40 Milliarden Euro ansteigen. Diese Highspeed-Aufrüstung hält kein Haushalt der Welt aus. „Whatever it takes“ zerfrisst den sozialen Zusammenhalt in unserem Land, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linken)

Ich kenne alle Einwände: Sie wollen überhaupt keine Rüstung. Putin trägt die Verantwortung. Die Weltlage erzwingt diese maßlose Aufrüstung. – Und ich will deutlich sagen: Das lasse ich nicht gelten, und das ist auch falsch. Denn wir hatten doch bereits ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro. Was ist eigentlich daraus geworden? Wir hatten gigantische Steigerungen im Verteidigungsetat. Ich kann mich noch erinnern, wie der bei 20 Milliarden D-Mark lag. Trotzdem sind die Mittel offensichtlich am Zustand der Truppe ganz und gar vorbeigegangen. Das Ergebnis ist ein Fass ohne Boden für die Steuerzahler.

Hier ist heute schon über die Rüstungsinflation geredet worden. Die ist gigantisch, und sie wird natürlich mit diesem Etat noch größer werden. Ich will Sie nur daran erinnern, was nicht wir, sondern was der Bundesrechnungshof Ihnen ins Buch geschrieben hat. Der schreibt nämlich: „Aus […] ‚Whatever it takes!‘ darf nicht ‚Geld spielt keine Rolle!‘ werden“. Der Bundesrechnungshof, den ich noch mal zitiere, sagt: Sie haben die „Pflicht, verantwortungsvoll mit dem Geld umzugehen“. Nehmen Sie wenigstens den Bundesrechnungshof ernst. Der Bundesrechnungshof hat im Übrigen zu diesen Dingen noch viel mehr gesagt. Es muss einen behutsamen und verantwortungsvollen Umgang mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger geben. Die Bereichsausnahme muss Ausnahme bleiben und nicht, so wie jetzt, als Standard anerkannt werden.

Ich sage das im Übrigen auch – und zwar ausdrücklich – im Zusammenhang mit der Ukraine. Die muss seit dreieinhalb Jahren den Militärterror Russlands ertragen. Es ist auch völlig klar, wer der Aggressor ist. Ich will das gar nicht alles ausführen. Hilfe, humanitäre und insbesondere bei der Luftabwehr, ist richtig. Aber Sie dürfen jedoch nicht die Augen verschließen: In der Bereinigungssitzung sind die Mittel für die Ukraine von 8,5 Milliarden Euro auf 11,5 Milliarden Euro aufgestockt worden. Doch diese Entscheidung wird fast zeitgleich getroffen mit dem Bekanntwerden eines der größten Korruptionsskandale in der Ukraine.

(Beifall bei Abgeordneten der Linken)

Die Bundesregierung muss doch zumindest lückenlose Aufklärung einfordern. Das ist doch das Mindeste! Es kann doch nicht sein, dass deutsches Geld in den Taschen von Kriminellen landet. Dazu habe ich kein Wort gehört, und das geht meines Erachtens nicht, meine Damen und Herren.

Dieser „Whatever it takes“-Etat geht verantwortungslos mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger um. Ihr Haushalt ist ein Fass ohne Boden für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und ein Sprengsatz für den sozialen Zusammenhalt. Deshalb ist er auch für uns nicht ansatzweise zustimmungsfähig.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der Linken – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Ach Mensch, das wundert mich jetzt! – Gegenruf des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [Die Linke]: Das dachte ich mir! – Gegenruf des Abg. Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Ich dachte, diesmal wärst du einmal so vernünftig! – Gegenruf des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [Die Linke]: Dachtest du, du warst überzeugend?)