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Rede von Donata Vogtschmidt am 25.09.2025

Rede von Donata Vogtschmidt,

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sicherheit für alle – oder doch nicht? Die Bundesregierung macht nun Geld dafür locker, aber denkt sie dabei an die Betroffenen digitaler Gewalt? Denkt sie an die Menschen, deren Kommune von einer Cyberattacke lahmgelegt ist und deren persönliche Daten deswegen abgeflossen sind? Denkt sie an Schutz vor Erpressungsversuchen Trumps, etwa durch mehr digitale Souveränität? Dazu nun mehr – und damit herzlich willkommen zum Digitalhaushalt 2026 aus linker Perspektive!

(Beifall bei der Linken)

Liebe Minister/-innen, im Haushalt 2025 hatten Sie die zivile Cybersicherheit ja sträflich vernachlässigt. Ich hatte das in meiner Rede am 10. Juli deutlich kritisiert. Und nun freue ich mich sehr, dass diese fatale Entwicklung im Entwurf für 2026 gestoppt wurde und IT-Sicherheit endlich wieder mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. An der geplanten Umsetzung kommen mir jedoch bereits heute leider Zweifel. Wenn es um die Umsetzung von mehr ziviler IT-Sicherheit geht, etwa bei NIS 2, kürzten Sie eben erst in Ihrem Gesetzentwurf – ohne erkennbaren Grund – dazu den Personalbedarf um etwa die Hälfte. Und Sie nehmen ausgerechnet die Bundesverwaltung von den Sicherheitsanforderungen teilweise und Kommunen und Länder vollständig aus.

Damit wäre die erste meiner Eingangsfragen beantwortet: Der Bund, aber vor allem die lokalen Verwaltungen bleiben weiter einem hohen Risiko durch Systemausfälle und Datenabflüsse ausgesetzt. Das gefährdet die soziale Grundversorgung und auch das Vertrauen in den Staat. Ich verstehe es eigentlich nicht. Ist das Geld für mehr IT-Sicherheit nun da oder nicht?

IT-Sicherheit für alle hat doch etwas mit digitaler Souveränität zu tun. Was ich damit meine? Europäischer Datenschutz nützt wenig, wenn – wie es leider die Realität ist – wir vorwiegend Software wie Instagram, Tiktok oder X nutzen, die von Anbietern aus den USA oder aus China kontrolliert wird, wo sich das Interesse für unsere Grundrechte eher in Grenzen hält. Das macht uns nicht nur angreifbar für Datenmissbrauch, sondern auch einfach extrem erpressbar: wirtschaftlich durch Ausbeutung und politisch durch mutwillige Sanktionen.

(Beifall bei der Linken)

Kaum war der Zollstreit Donald Trumps mit der EU im Juli beigelegt, kündigte er dann Ende August immer wieder neue Zölle gegen Staaten an, die aus seiner Sicht unerwünschte Digitalgesetze haben. Europäisches Recht für digitale Dienste wird also ausgerechnet von denen nicht respektiert, die unser Internet kontrollieren. Solche Erpressungsversuche können nur dann ihre Gefahr verlieren, wenn wir wenigstens im Kernbereich digital unabhängig agieren können.

(Beifall bei der Linken)

Doch im Haushalt sucht man vergeblich nach einer Strategie für digitale Unabhängigkeit. Wo bleibt also diese Zeitenwende, sehr geehrte Minister/-innen? Oder fühlen Sie sich im Würgegriff von irrational agierenden Milliardären und narzisstischen Präsidenten wohl? Das kann ja auch sein.

Aber so ein bisschen Zeitenwende klingt bei Ihrer Hightech Agenda ja an. Ich sage Ihnen aber gleich dazu: In ein KI-Wettrüsten nach dem Motto „Je mehr, desto besser“ einzusteigen, so wie es mit den Hunderten Millionen Euro für zusätzliche KI-Förderung versucht wird, kann nicht zum Erfolg führen. Schon bei der alten KI-Strategie von 2018 ist das Gießkannenprinzip völlig gescheitert. Oder habe ich etwas verpasst, und sind wir mittlerweile führender KI-Standort?

Viel wichtiger ist die Frage, welche KI-Lösungen wir eigentlich gesellschaftlich benötigen und welche uns nach vorne bringen, die die Lebens- und auch die Arbeitsqualität verbessern. Dazu braucht es auch keine größeren Rechenzentren, sondern eine lebendige Open-Source-Community.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und wenn Sie schon KI für Polizeiarbeit haben wollen, dann nehmen Sie Souveränität doch in diesem hochsensiblen Bereich entsprechend ernst und hören Sie endlich auf, immer wieder Peter Thiels Palantir in Betracht zu ziehen. Polizeidatenbanken mal eben zusammenmixen und vielleicht auch noch ein paar sensible persönliche Infos aus Gesundheits- und Migrationsdaten dazu kippen, damit die Software eines anarchokapitalistischen US-Oligarchen mit dem Segen Trumps irgendwas damit macht – das ist jenseits von Gut und Böse. Wenn Sie das tun, verspielen Sie Ihre Glaubwürdigkeit in jedem Satz, bei dem Sie digitale Souveränität erwähnen.

(Beifall bei der Linken)

IT-Sicherheit hat übrigens auch etwas mit dem Schutz von Daten und Kommunikation zu tun. Und auch hier mache ich mir große Sorgen. Eine sogenannte Kryptomodernisierung erhält nämlich nur die Bundeswehr. Erwähnung findet Verschlüsselung ansonsten bei der Zentralen Stelle für Informationstechnik im Sicherheitsbereich. Mit dem dortigen Geschäftsbereich Kryptoanalyse ist allerdings kein Schutz von Daten und Kommunikation, sondern der gegenteilige Zweck gemeint, nämlich, IT-Sicherheit zu unterwandern, zum Beispiel mit Staatstrojanern.

Da sind wir wieder bei der Rolle des BSI: Mehr Geld hilft hier eben nur sehr begrenzt, wenn damit auch das Gegenteil von IT-Sicherheit gefördert wird, zum Beispiel zur Unterstützung von Sicherheitsbehörden, die bekanntlich IT-Schwachstellen nicht schließen, sondern lieber selber ausnutzen wollen. Ich erinnere gerne daran, dass die letzte Koalition aus CDU, CSU und SPD es auch war, die Hans-Georg Maaßen in das Amt des Verfassungsschutzpräsidenten gehievt hat. Verzeihen Sie mir daher meine aktuelle Skepsis.

(Beifall bei der Linken)

Lassen Sie mich auch noch eines klarstellen: Cybersicherheit, die nicht vor digitaler Gewalt schützt, verfehlt ihren eigentlichen Zweck von Grund auf, nämlich den Schutz der Menschen in digitalen Räumen.

(Dr. Konrad Körner [CDU/CSU]: Deswegen IP-Adressen-Speicherung!)

Im Haushalt 2026 sind aber für die Unterstützung von Anlaufstellen bei digitaler Gewalt nur ein paar Hunderttausend Euro vorgesehen, und die Finanzierung ist auch stets zeitlich befristet. Das erschwert eine langfristige Hilfe für Betroffene und die Entwicklung von Beratungskompetenz enorm.

Immerhin bekommt die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs etwas mehr Geld. Das ist auf jeden Fall zu loben – um hier auch mal etwas Positives zu sagen. Aber ein Schlüssel zum Schutz vor digitaler Gewalt ist eben auch die Bildung – nur wieder einmal nicht für Sie: Der sogenannte digitale Bildungsraum bekommt nur noch die Hälfte verglichen zu 2024. Und ausgerechnet bei frei zugänglichen Lernmaterialien wurde von 45 Millionen auf 29 Millionen Euro rabiat gekürzt. Das klingt nach Nachsitzen für die Bundesregierung im Bereich digitaler Unabhängigkeit und sozial gerechter Digitalisierung.

(Beifall bei der Linken)

Schutz vor digitaler Gewalt könnte auch der Digital Services Act leisten, aber für dessen Aufsicht planen Sie auch für 2026 wieder nicht genug Personal ein.

(Ruben Rupp [AfD]: Zu viel Personal!)

Das ist langsam nicht mehr zu ertragen. Aber wenn es um Überwachungspakete geht, die vermeintlich Kinder und Jugendliche vor sexualisierter Gewalt schützen sollen – Stichwort „Chatkontrolle“ – finden Sie wohlwollende Worte. Diese Politik schützt nicht vor digitaler Gewalt. Sie vernachlässigt Betroffene und benutzt ihr Schicksal obendrein noch, um Überwachungsvorhaben durchzubekommen. Schämen Sie sich an dieser Stelle!

(Beifall bei der Linken)

Mein Lob für die erhöhten Gelder im IT-Sicherheitsbereich im Haushalt 2026 fällt nun zusammenfassend doch etwas mau aus. Tun Sie jetzt bitte mit den verfügbaren Geldern wenigstens das Richtige, und denken Sie nicht immer nur in Wahlperioden. Bei IT-Sicherheit geht es nämlich um die langfristige Zukunft und Sicherheit unserer immer digitaleren Gesellschaft.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)