Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Botschafter! Liebe Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor 30 Jahren, im Dezember 1995, wurde in Paris das Dayton-Abkommen unterzeichnet, ein Vertrag, der den verheerenden Krieg in Bosnien und Herzegowina beendete. Über 100 000 Menschen verloren ihr Leben, darunter viele Zivilisten. Nur wenige Monate vorher wurden in Srebrenica über 8 000 muslimische Bosnier ermordet. Das war das schlimmste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg, und wir gedenken jedes Jahr der Opfer.
Ja, Dayton hat die Waffen zum Schweigen gebracht. Aber 30 Jahre später müssen wir feststellen: Dayton hat nur einen fragilen Frieden geschaffen und ethnische und religiöse Trennlinien leider immer noch nicht überwunden. Bosnien und Herzegowina ist heute ein fragmentiertes Staatsgebilde. Das System ist schwerfällig, undurchsichtig und anfällig für Korruption. Davon profitieren vor allem nationalistische Eliten und ihre Klientel, die Mensch und Umwelt rücksichtslos ausbeuten. Gleichzeitig werden soziale Strukturen in Gesundheit und Bildung abgebaut.
Oberhalb dieses Gefüges steht der Hohe Repräsentant. Seit August 2021 ist dies Christian Schmidt von der CSU. Er hat exekutive Sonderrechte, die es ihm erlauben, Gesetze zu erlassen und Amtsträger abzusetzen. Meine Damen und Herren, diesen quasikolonialen Zustand können wir nicht länger unterstützen.
(Beifall bei der Linken)
Und was tun wir? Deutschland schickt die Bundeswehr, um den Status quo militärisch abzusichern. Die wahren Ursachen der Jugoslawien-Kriege – wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten, ethnische und religiöse Konflikte – sind leider nach wie vor ungelöst. Deshalb ist es Zeit für einen Paradigmenwechsel. Wir müssen insbesondere in den nächsten Jahren die Verfassungsreformen unterstützen, die dieses Blockadesystem überwinden können. Bosnien braucht demokratische Souveränität und gleiche Rechte für alle Bürgerinnen und Bürger.
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Tilman Kuban [CDU/CSU])
Aber vor allem kommt es darauf an, den Menschen eine Perspektive zu geben. Armut, Jugendarbeitslosigkeit und Perspektivlosigkeit lähmen das Land. Deshalb müssen wir jene Kräfte unterstützen, die über ethnische Grenzen hinweg für gelebte Solidarität stehen und den Widerstand gegen Umweltzerstörung und Sozialabbau organisieren. Die Menschen in Bosnien und Herzegowina verdienen einen Staat, der das Gemeinwohl in den Mittelpunkt stellt. Wir als Linke fordern Investitionen in Arbeitsplätze, in das Bildungs- und Gesundheitssystem und in die Infrastruktur statt weiterer Militarisierung und Nationalismus. Und wir unterstützen insbesondere die Zivilgesellschaft.
Vielen Dank.
(Beifall bei der Linken)

