Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Merz, gerade jetzt, wo ein geschlossenes europäisches Auftreten so wichtig ist, stoßen Sie unsere europäischen Partner vor den Kopf. Warum? Tja, für ein bisschen Symbolpolitik weisen Sie Schutzsuchende an den Grenzen zurück. Das ist nicht nur zuallererst eine moralische Bankrotterklärung, das führt auch zu deutlichem Widerstand in der EU. Kein Wunder, schließlich brechen Sie damit ganz bewusst europäisches Recht. Das hat Ihnen inzwischen sogar das Berliner Verwaltungsgericht bestätigt. Aber, Herr Hoffmann, Sie haben es ja gerade deutlich gesagt: Was interessiert uns die Rechtsprechung? Wir sind die Union; wir machen einfach, was wir wollen.
Deswegen überrascht es mich jetzt nicht so sehr, Herr Merz, dass Sie in Ihrer Rede fast gar nichts zur Migration gesagt haben. Ja, Sie haben das Wort „Migrationswende“ erwähnt, aber das war es dann auch schon. Es ist eigentlich auch wenig überraschend; denn aktuell sind die Zahlen Schutzsuchender ja deutlich gesunken. Damit, dass Sie die Kommunen nicht ausreichend unterstützen, können Sie nun mal keine Notlage begründen. Es wäre Ihre Aufgabe, Herr Merz, und die Ihrer Regierung, die Kommunen zu entlasten.
(Beifall bei der Linken)
Wenn Sie darauf mal so viel Energie verwenden würden – das wäre mein großer Wunsch – wie darauf, rechtspopulistische Scheinlösungen zu propagieren, dann wären wir hier schon einen großen Schritt weiter.
(Beifall bei der Linken)
Übrigens machen Sie Ihre Politik nicht nur auf dem Rücken Schutzsuchender, sondern auch auf dem der Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Die schieben nämlich sowieso schon massenhaft Überstunden, und jetzt weist Ihr Innenminister auch noch Rechtsbruch an. Das ist nicht weniger als ein Skandal.
(Beifall bei der Linken)
Diese Woche geht es ja weiter. Sie wollen den Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte aussetzen. Aber niemand konnte mir bisher erklären, wie das unser Land auch nur ein Stück sicherer machen soll. Mehr noch: Sie lassen vor allen Dingen Kinder und Frauen in Kriegs- und Krisengebieten zurück. Das verhindert doch Integration und lässt die Menschen in tiefster Verzweiflung zurück. Bekämpfen Sie endlich Fluchtursachen und nicht die Geflüchteten!
(Beifall bei der Linken)
Und Verzweiflung erzeugen Sie auch bei denen, die Sie nach Jahren oder sogar Jahrzehnten in Deutschland abschieben. Vorletzte Woche erst ging der Fall einer Erzieherin aus Offenbach durch die Medien. Sie wurde am frühen Morgen abgeschoben. Sie hat sich sogar noch bei ihrer Kita gemeldet und sich entschuldigt, dass sie nicht zum Dienst kommen kann. Die Frau war top integriert und sitzt jetzt in einer Massenunterkunft in Litauen. In welcher Welt, frage ich Sie, ist das sinnvolle Politik?
(Beifall bei der Linken)
Und nur ein paar Wochen davor, Nähe Landau: Eine Familie wird abgeschoben, der Vater dringend benötigter Mitarbeiter in einem Pflegeheim, die Kinder gut integriert in ihren Schulklassen. Die Mitschüler/-innen sind schockiert, und sie protestieren seitdem mit voller Kraft dafür, dass ihre Freunde und Nachbarn wieder zurückkehren dürfen. Denn diese Schüler/-innen haben im Gegensatz zu Ihnen noch einen Wertekompass. Wir als Linksfraktion haben nur Respekt vor diesen Schülerinnen und Schülern.
(Beifall bei der Linken)
Letzte Woche dann der nächste absurde Fall: Ein palästinensischer Aktivist, der sich offen gegen die Hamas und für Frieden einsetzt, soll nach Griechenland abgeschoben werden. Das sind doch genau die Stimmen, die wir alle brauchen und fordern. Und zum Dank die Abschiebung? Das ist für mich so unverständlich. Ich frage mich: Wo ist eigentlich die Linie bei Ihrer Politik?
Den bisherigen Höhepunkt dieser Doppelmoral haben Sie dann letzte Woche erreicht. Es wirkt fast so, als hätten die ersten Treffen mit Donald Trump schon deutliche Spuren hinterlassen.
(Heiterkeit des Abg. Jan van Aken [Die Linke])
Denn dass Sie den israelischen und US-amerikanischen Angriff auf den Iran, den fast alle Expertinnen und Experten als völkerrechtswidrig einstufen, so offensiv begrüßen, ist wirklich unfassbar; denn es sterben Zivilistinnen und Zivilisten, und zwar auf allen Seiten. Und Sie nennen das „Drecksarbeit“, die Israel da gerade für uns erledige. Es geht hier um Menschenleben! Ich habe manchmal das Gefühl, das ist Ihnen überhaupt nicht bewusst.
Und lassen Sie mich das ganz klar sagen: Wir verurteilen das menschenverachtende Mullah-Regime im Iran zutiefst. Aber jetzt die Menschen im Iran dazu aufzurufen, doch dieses Regime zu stürzen – das ist zynisch und überheblich. Denn immer wieder haben die Menschen genau das versucht und wurden viel zu wenig unterstützt. Und das ist die Wahrheit.
(Beifall bei der Linken)
Auch deshalb muss die Bundesregierung alles daransetzen, diese Gewaltspirale zu stoppen.
Und zum Abschluss noch ein ganz anderes Thema. Ich möchte Sie hier alle an Maja T. erinnern. Die sitzt nämlich in Ungarn in Isolationshaft, ist heute den 20. Tag im Hungerstreik.
(Zurufe von der AfD: Da soll sie auch bleiben!)
Sie sitzt dort im Gefängnis, weil sie rechtswidrig dahin überstellt wurde. Das sage nicht ich Ihnen – auf mich müssen Sie nicht hören –; das sagt das Bundesverfassungsgericht.
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Jan van Aken [Die Linke]: Hört! Hört! – Zurufe von der AfD)
– Ich weiß, Sie haben es nicht so mit dem Rechtsstaat; das kennen wir schon.
Der Gerichtsprozess, der gerade in Ungarn läuft, ist eine Farce. In dem Gerichtssaal in Budapest stehen auf der einen Seite Rechtsstaat und Demokratie und auf der anderen politische Willkürjustiz und Autoritarismus. Ich wünsche mir, dass wir – ja, Sie und ich, Herr Merz – da auf der gleichen Seite stehen. Deswegen fordere ich Sie auf, beim Europäischen Rat an Viktor Orbán zu appellieren und dafür zu sorgen, dass Maja T. endlich rücküberführt wird.
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der AfD)