Zum Hauptinhalt springen

Haushalt 2026: Wieder nichts für die Mehrheit im Land

Rede von Heidi Reichinnek,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit einem halben Jahr quälen sich Union und SPD durch diese Koalition. Aber glauben Sie mir: Egal wie sehr Sie untereinander leiden, niemand leidet unter dieser Regierung mehr als die Menschen in diesem Land.

(Beifall bei der Linken)

Lebensmittel werden immer teurer. Die Mieten steigen. Den Preis für das Deutschlandticket erhöhen Sie direkt selbst. Es gibt keinen armutsfesten Mindestlohn trotz großspuriger Versprechungen. Auf spürbare Entlastungen wie die Senkung der Stromsteuer warten die Menschen vergeblich. Gleichzeitig sollen die Beiträge für die Krankenversicherung steigen, die Leistung soll aber sinken. Und an die Rente legen Sie ja direkt die Axt an.

Wie Sie von der Union hier über die Rente reden, ist einfach nur schäbig.

(Beifall des Abg. Pascal Meiser [Die Linke])

Denn falls Sie es nicht mitbekommen haben: Jeder fünfte Rentner, jede fünfte Rentnerin lebt schon jetzt in Armut. Jahrzehntelange harte Arbeit und jetzt Flaschen sammeln, bei der Tafel anstehen oder voller Scham zum Amt laufen, nicht mal genug Geld, um mit dem Enkel auf den Weihnachtsmarkt zu gehen – das ist schon jetzt die Realität für Millionen Rentnerinnen und Rentner.

(Beifall bei der Linken)

Denn seit das Rentenniveau von Rot-Grün von 53 auf 48 Prozent gedrückt wurde – ja, ich werde euch das immer wieder vorhalten;

(Claudia Roth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jaja!)

denn auch die Menschen leiden immer noch unter eurer damaligen Politik –, hat sich die Altersarmut in diesem Land nahezu verdoppelt. Und anscheinend denken Sie von der Union: Mensch, da geht noch mehr. – Selbst diese 48 Prozent sind der sogenannten Jungen Gruppe noch zu viel. Sie gönnen den Rentnerinnen und Rentnern nicht mal den Dreck unter den Fingernägeln; das ist doch die Wahrheit.

(Beifall bei der Linken)

Wir müssen, wenn Sie hier immer von Reformen reden, endlich dafür sorgen, dass Menschen im Alter – gerade im Alter! – ein Leben in Würde führen können. Das Rentenniveau muss wieder auf 53 Prozent erhöht werden, und es braucht eine solidarische Mindestsicherung.

Und ich sage Ihnen auch, wie das ganz generationengerecht funktioniert. Es müssen endlich alle Erwerbstätigen in das Rentensystem einzahlen. Es müssen die Beitragsbemessungsgrenzen gesteigert werden. Und es muss vor allen Dingen die gesetzliche Rente gestärkt werden, statt den Leuten immer zu sagen: Seht halt einfach zu, wie ihr klarkommt.

(Beifall bei der Linken)

Wir haben kein Finanzierungsproblem, wir haben ein Verteilungsproblem, und da müssen wir ran. Statt Jung gegen Alt in Stellung zu bringen, muss endlich die soziale Schieflage im Rentensystem beseitigt werden. Dass Sie sich hier wirklich hinstellen und von Generationengerechtigkeit sprechen, das ist einfach absurd. Wo sind denn Ihre Initiativen für bessere Kitas und Schulen? Was haben Sie denn für den Klimaschutz übrig? Was sind Ihre Initiativen für bezahlbares Wohnen und bezahlbare Mobilität? Da wird die laute Stimme für Generationengerechtigkeit bei Ihnen plötzlich ganz, ganz leise, oder?

(Beifall bei der Linken)

Dass sich die Junge Gruppe oder die Junge Union oder wer auch immer gemeinsam mit den Bonzen hinstellt und sich als Stimme der Jugend stilisiert, ist nicht nur scheinheilig, das ist pure Heuchelei.

(Beifall bei der Linken)

Sie wollen die Menschen gegeneinander ausspielen. Aber ich sage Ihnen: Nicht mit uns!

Denn auch wenn die allermeisten Menschen in diesem Land es gar nicht spüren können: Deutschland ist ein reiches Land; wir sind die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt. Doch die Menschen, die genau das erarbeiten, haben nichts davon.

Bitte.

Vielen Dank für die Möglichkeit, die Zwischenfrage zu stellen. – Ich will auf die Frage zurückkommen, inwieweit man uns schwierige Lagen von Menschen nachwirkend anlasten kann, und die Frage zurückgeben.

Wir haben in Berlin die Situation, dass Mieten durch die Decke schießen. Ein Grund dafür ist, dass Wohnungen in großer Zahl verkauft wurden. Wissen Sie, von wem die GSW-Wohnungen verkauft wurden? Das war Die Linke. Die Linkspartei hat die GSW-Wohnungen in Berlin verkauft; daraufhin sind sie an die Deutsche Wohnen gegangen. Und die Wohnungen, die wir jetzt mit Schwierigkeiten versuchen zurückzuholen – die Menschen leiden unter dem Schimmelbefall ihrer Wohnungen und haben damit die größten Probleme –, haben Sie als Linkspartei an Privatinvestoren verkauft, die jetzt Schindluder damit treiben.

(Zuruf von der Linken)

Insofern die Frage an Sie: Erkennen Sie an, dass Die Linke Verantwortung dafür trägt, dass Menschen in Berlin jetzt in Schimmelwohnungen zu Höchstpreisen leben und dass Sie damals einen grandiosen Fehler zum Nachteil dieser Menschen gemacht haben?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Jetzt bin ich gespannt! – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Da hat er recht!)

Herr Kollege Audretsch, ich danke Ihnen sehr für die Frage und dass Sie mir die Möglichkeit geben, das klarzustellen. – Ich weiß jetzt gar nicht, wovon in meiner Rede Sie sich angegriffen gefühlt haben; ich habe mich ja gar nicht auf Sie bezogen.

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Ach so! Das würde ich jetzt auch sagen! – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Sie wissen ja gar nicht, was Sie selber in Ihrer Rede gesagt haben!)

Ach ja, bei der Rente; doch! An der Stelle, ja.

Also, Sie haben recht: Diese Wohnungen wurden damals unter einer rot-roten Regierung verkauft, weil der Haushalt saniert werden musste.

(Andreas Audretsch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! – Weitere Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das war eine Katastrophe und ein riesiger Fehler. Das Problem ist, dass die Länder in genau diese Situation gezwungen worden sind; das teile ich.

(Zuruf des Abg. Martin Reichardt [AfD])

Genau deswegen ist es notwendig, dass wir jetzt alle gemeinsam einen Mietendeckel einführen,

(Beifall bei der Linken – Dr. Anja Weisgerber [CDU/CSU]: Keine zusätzliche Wohnung wegen des Mietendeckels! – Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Eijeijei!)

so wie wir es gemeinsam in Berlin gemacht haben.

Genau das brauchen wir jetzt auf Bundesebene. Und wir brauchen ein Programm für bezahlbaren Wohnraum.

(Zuruf der Abg. Frauke Heiligenstadt [SPD])

Das würde die Wirtschaft ankurbeln, die Baubranche stärken und Arbeitsplätze schaffen. All das wären sinnvolle Maßnahmen, um auch den Ländern und den Kommunen zu helfen, die diese Mittel nicht haben.

Also ja, Herr Audretsch, wir sind uns einig: Da muss was passieren, und da müssen wir zusammen ran. – Deswegen danke, dass ich das jetzt noch mal darstellen konnte; die Zeit dafür hätte mir sonst in meiner Rede gefehlt.

(Beifall bei der Linken – Zurufe von der CDU/CSU)

Also, noch mal: Das kommt bei den Menschen nicht an, die den Reichtum erarbeiten. Die Politik ist es den Menschen in diesem Land aber schuldig, dass sich genau das ändert.

(Zuruf des Abg. Pascal Meiser [Die Linke])

Da können wir gerne an einem Strang ziehen, Herr Audretsch.

Sie geben mit diesem Haushalt mehr Geld aus als jede Regierung vor Ihnen; das ist auch richtig so. Die Frage ist nur: Wo landet das eigentlich? Geschenke für Großkonzerne, klimaschädliche Subventionen und vor allem Aufrüstung – davon ist dieser Haushalt geprägt. Nicht nur damit treiben Sie die Militarisierung voran; bei den Waffenexporten, auch in Kriegs- und Krisengebiete, ist diese Regierung weiter vorne mit dabei.

Die minimalen Einschränkungen von Exporten nach Israel, die nie ausreichend waren, haben Sie wieder aufgehoben.

(Mirze Edis [Die Linke]: Buh!)

Offiziell hat man ja einen Waffenstillstand. Aber ich sage Ihnen mal was: Trotz Waffenstillstand gibt es weiterhin Angriffe der israelischen Armee auf Gaza. Jeden Tag werden dort Menschen getötet, seit Beginn des Waffenstillstandes über 60 Kinder.

(Beifall des Abg. Mirze Edis [Die Linke])

Der Winter kommt; die humanitäre Situation ist katastrophal. Die Gewalt der Siedler in der Westbank eskaliert. Deswegen darf Deutschland jetzt nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Es gibt noch lange keinen Frieden.

Deswegen: Stoppen Sie sofort alle Waffenexporte! Erkennen Sie Palästina als Staat an! Und üben Sie Druck auf die Netanjahu-Regierung aus, damit es endlich eine Perspektive für eine Zweistaatenlösung und ein Ende der Besatzung gibt!

(Beifall bei der Linken)

Stellen Sie sich an die Seite der Menschen, die sich in Israel und Palästina für Frieden einsetzen! Sagen und zeigen Sie klar: Das Völkerrecht gilt für alle.

Die Prioritäten dieser Bundesregierung machen mich aber wirklich fassungslos; denn für Rüstung sehen wir Rekordausgaben. Die Ausgaben für humanitäre Hilfe und Krisenprävention dagegen werden brutal zusammengestrichen.

(Alexander Hoffmann [CDU/CSU]: Nichts verstanden!)

Wir haben derzeit auf der Welt die meisten Kriege seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Da soll es ernsthaft in unserem Interesse sein, Waffen nach Saudi-Arabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate zu exportieren, die beide den furchtbaren Krieg im Sudan befeuern? Hören Sie endlich auf, immer mehr Öl ins Feuer zu gießen!

(Beifall bei der Linken)

In der Ukraine gibt es jetzt endlich diplomatische Bemühungen; sie sind in Gang gekommen. Es ist aber genau das passiert, wovor wir als Linke die ganze Zeit gewarnt haben: Die USA und Russland haben weder mit der Ukraine noch mit der EU darüber verhandelt, sondern einfach zu zweit im stillen Kämmerlein etwas zusammengeschrieben. Vielleicht haben die USA es auch nur kopiert; man weiß es nicht so genau. Die EU hätte viel früher viel größere diplomatische Anstrengungen unternehmen, andere Länder mit einbinden und auf bestehende Initiativen eingehen müssen.

(Martin Reichardt [AfD]: Ihr Vorgänger Josef Stalin hätte da andere Methoden angewendet! Da haben Sie recht!)

Herr Merz, nächste Woche reisen Sie nach China, und Sie haben schon angekündigt, dass Sie hoffen, China könne dazu beitragen, den Krieg zu beenden. Warum kommt diese Erkenntnis erst so spät? Warum haben Sie uns für diese Forderung vorher quer durch die Medien geprügelt? Das wäre schon lange ein wichtiger Schritt für eine friedliche Zukunft in der Ukraine gewesen.

Jetzt rennen Sie mal wieder der Realität hinterher. Trotz alledem hoffe ich sehr für die Menschen in der Ukraine, dass Sie letztendlich erfolgreich sein werden.

(Beifall bei der Linken)

Aber ich sage Ihnen auch deutlich: Wer hier – vollkommen zu Recht – Solidarität mit der Ukraine fordert, sollte sich schämen, die Menschen, die aus der Ukraine zu uns geflüchtet sind, jetzt aus dem Bürgergeld zu werfen.

(Beifall bei der Linken)

Bei den Rüstungskonzernen klingeln währenddessen weiterhin die Kassen, auch wegen des „Whatever it takes“ dieser Bundesregierung. 108 Milliarden Euro gibt es – 22 Milliarden Euro mehr als noch im letzten Jahr. Gleichzeitig stehen immer mehr Menschen im Supermarkt und wissen nicht mehr, wie sie ihren Kindern noch bis Monatsende Essen auf den Tisch stellen sollen.

Falls Sie mit solchen Menschen gar nicht mehr ins Gespräch kommen: Auch die Monopolkommission hat gerade sehr deutlich gesagt, dass seit 2020 die Preise für Lebensmittel um rund 37 Prozent gestiegen sind – 37 Prozent! Und, Überraschung: Zentraler Grund sind nicht die Löhne, zentraler Grund ist die Preistreiberei einiger weniger Großkonzerne, die den Lebensmittelmarkt unter sich aufteilen und ihre Gewinne auf Kosten der Mehrheit immer weiter in die Höhe treiben. Das darf nicht sein.

(Beifall bei der Linken)

Sowohl Verbraucherinnen als auch Landwirte leiden unter dieser Marktmacht. Es ist doch kein Zufall, dass unter den drei reichsten Deutschen zwei sind, die ihr unvorstellbares Vermögen durch Lebensmittelketten angehäuft haben.

Deswegen sage ich Ihnen: Streichen Sie die Steuer auf Grundnahrungsmittel, und setzen Sie eine Preisaufsicht ein, die Absprachen zulasten der Erzeuger und Verbraucher effektiv unterbindet und dafür sorgt, dass diese Steuersenkung dann auch wirklich bei den Menschen ankommt! Setzen Sie die versprochene Senkung der Stromsteuer für Privathaushalte um, und sorgen Sie mit einer Einkommensteuerreform dafür, dass genau diese Menschen mehr Netto vom Brutto haben! Steuern runter für die Mehrheit statt noch mehr Steuergeschenke für Ihre reichen Kumpels in den Großkonzernen!

(Beifall bei der Linken)

Denn während Sie beim Bürgergeld um jeden Euro feilschen, sind Sie bei diesen wie immer sehr freigiebig: Da winken Sie, ohne mit der Wimper zu zucken, Steuersenkungen in Milliardenhöhe durch.

Ich weiß, Ihr Argument ist: Es wäre gut für die Wirtschaft. Aber wem wollen Sie dieses Märchen wirklich noch erzählen? Steuersenkungen für Unternehmen lassen nicht die Investitionen wachsen, sondern die Konten der Manager und Großaktionäre.

(Lachen des Abg. Siegfried Walch [CDU/CSU])

Wenn Sie Investitionen wollen, dann investieren Sie halt. Öffentliche Investitionen und klare verlässliche Vorgaben für die Wirtschaft regen private Investitionen an. Das würde die Wirtschaft ankurbeln und übrigens auch den Binnenkonsum stärken. Aber wenn die Menschen Geld in diesem Land ausgeben sollen, dann – ich will jetzt niemanden schockieren – brauchen sie erst mal Geld, das sie ausgeben können.

Dass Sie immer noch dem Titel „Exportweltmeister“ hinterherrennen, hilft der großen Mehrheit im Land überhaupt nicht; denn dieser Titel wird erkauft mit schlechten Löhnen, schlechten Renten und miesen Arbeitsbedingungen. Dabei wollen die Menschen doch nicht mehr als die Anerkennung ihrer Arbeit durch angemessene Löhne und gute Arbeitsbedingungen, damit sie sich das, was sie produzieren, auch leisten können. Ich glaube, das war mal Konsens in diesem Land.

Aber das interessiert Sie wahrscheinlich einfach deswegen nicht, weil das fernab Ihrer eigenen Realität ist und Sie sich auch sonst nur mit Leuten umgeben, die aufs eigene Konto schielen und nichts übrighaben für diese Gesellschaft und den sozialen Zusammenhalt im Land. Sie halten fröhlich Gipfeltreffen mit Konzernbossen und Lobbyisten ab. Und wer sich in dieser illustren Runde nicht sowieso schon wiederfindet, der kauft sich den Zugang zur Macht einfach: Kulturstaatsminister Weimer bot über seine Firma zu horrenden Preisen die Teilnahme am Ludwig-Erhard-Gipfel mit exklusiver Nähe zu Entscheidungsträgern an. Wie nett!

(Stephan Brandner [AfD]: Rent a Weimer!)

Woran erinnert mich das denn nur? Ach ja, an den Fraktionsvorsitzenden der Union – damals Gesundheitsminister – mit seinem Spendendinner für 9 999 Euro, ganz knapp unter der Transparenzgrenze.

(Stephan Brandner [AfD]: Von Spahn lernen heißt Korruption lernen!)

Aber man ist ja unter Freunden, das ist ja klar. Es ist ja gar nicht so gemeint.

All diese Leute, mit denen Sie sich da umgeben, die Sie bevorteilen, haben eins gemeinsam: Sie müssen sich keine Sorgen machen, wie sie die nächste Mieterhöhung zahlen, wo das Geld für den nächsten Schulausflug herkommen soll oder wie sie ihren Job mit der Pflege der Mutter verbinden können. Sie haben für die Mehrheit der Menschen vielleicht nichts mehr übrig. Aber wir werden für diese Menschen hier weiterhin eine laute Stimme sein. Das verspreche ich Ihnen.

(Beifall bei der Linken)

Zum Abschluss bin ich im Übrigen der Meinung, dass wir alle an diesem Wochenende die Proteste in Gießen unterstützen sollten: Kein Fußbreit der AfD, kein Fußbreit ihrer Jugend und kein Fußbreit dem Faschismus!

Danke.

(Beifall bei der Linken – Georg Schroeter [AfD]: Terror!)