Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Ihr Vorschlag für eine neue Geschäftsordnung enthält einige gute, aber auch viele kritische Punkte. Vor allem anderen aber enthält sie vieles nicht – und bleibt damit eine vertane Chance:
Wenn Sie wieder einmal unsere Vorschläge ablehnen, Ausschüsse grundsätzlich öffentlich tagen zu lassen, dann beschneiden Sie den Ausbau politischer Transparenz.
Wenn Sie den Plenarsaal nicht für Petitionen öffnen wollen, die von mehr als 100 000 Menschen unterstützt werden, dann ignorieren Sie breit getragene Anliegen von Menschen in unserem Land.
(Beifall bei der Linken)
Wenn Sie die Befragung der Bundesregierung um eine Stunde nach hinten verschieben, dann beschneiden Sie effektiv die Vereinbarkeit von Politik und Familie, obwohl diese doch eigentlich ausgebaut werden müsste.
(Beifall bei der Linken)
Wenn Sie die Stärkung der Rechte von Abgeordneten nationaler Minderheiten ablehnen, dann ignorieren Sie eben diese besondere Gruppe, deren besondere Stellung sich aus dem Völkerrecht ergibt und im Wahl- und im Parteiengesetz ja schon abgebildet ist, sehr geehrter Herr Hoppenstedt.
Und wenn Sie tatsächlich im Zweifel die Verteilung der Redezeiten in den Ausschüssen nach dem Stärkeverhältnis der Fraktionen bestimmen lassen wollen, öffnen Sie die Möglichkeit, effektiv die Arbeit der Opposition zu beschneiden.
(Beifall bei der Linken)
Dieser Vorschlag zeigt aber vor allem auch eines, nämlich die Scheinheiligkeit der Union; denn der Wert der Opposition ist für Sie offensichtlich abhängig davon, ob Sie gerade dazugehören oder nicht. Das ist keine demokratische Überzeugung, das ist opportunistisch.
(Beifall bei der Linken)
So verpassen sie es auch, notwendige Klarheit zu schaffen. Es bleibt wahrscheinlich bei der wachsweichen Formulierung von „gegenseitigem Respekt und der Achtung“ in der Debattenkultur, statt klar menschenverachtende, beleidigende und diskriminierende Aussagen als verboten zu benennen.
(Beifall bei der Linken sowie der Abg. Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Abwahl von Vizepräsidentinnen und -präsidenten soll nun geregelt werden. Da fragen wir uns erstens: Warum wird nicht gleichzeitig auch die Abwahl der Bundestagspräsidentin geregelt?
(Stephan Brandner [AfD]: Ja, das fragen wir uns auch!)
Und zweitens: Auch wenn Sie das Antragsquorum nun auf 50 Prozent erhöhen, verbleibt die Chance auf eine Chaotisierung des Plenums. Schon einmal haben Sie von der Union rechts außen den Leim aufgesogen,
(Stephan Brandner [AfD]: Hä? „Leim aufgesogen“?)
und zwar bei der unsäglichen Debatte um die Abwahl der Vizepräsidentin in der 20. Wahlperiode, Petra Pau.
(Stephan Brandner [AfD]: Ja, das war ja auch ein Skandal, dass sie dageblieben ist!)
Wir können uns noch sehr gut daran erinnern, wie unwürdig das war – gerade von diesen beiden Blöcken.
(Stephan Brandner [AfD]: Welche beiden Blöcke? Blöcke oder Böcke?)
Eins muss ich noch feststellen: Am Ende werden wir in der Geschäftsordnung nie alles abschließend und final regeln können. Eine vernünftige politische Kultur als Grundbedingung einer freiheitlichen Demokratie basiert schlicht und ergreifend auf einer festen inneren Überzeugung. Ich kann sie nicht herbeiregeln, Sie können das auch nicht; die Präsidentin hat es gesagt.
Aber dass die innere Überzeugung in der Union auch mal Abgründe aufzeigt, haben Sie in dem Moment offenbart, als Sie die Mehrheiten von rechts außen billigend in Kauf genommen haben.
(Stephan Brandner [AfD]: Also, rechts außen ist noch keine richtige Mehrheit, aber fast!)
Keine gute Grundlage für eine antifaschistische demokratische Kultur!
(Beifall bei der Linken)

