Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Stellen Sie sich doch einmal vor, Sie arbeiten zwölf Stunden am Stück. Und damit meine ich jetzt nicht irgendwelche Lobbydinner oder hier herumzubrüllen,
(Hans-Jürgen Goßner [AfD]: So wie Sie! – Zuruf des Abg. Johannes Winkel [CDU/CSU])
sondern zum Beispiel die Pflege von Menschen. Sie kommen nach Hause und sind zu müde, um Ihre eigenen Kinder ins Bett zu bringen. Sie haben zwei Schichten hintereinander gehabt, weil niemand übernommen hat. Das ist keine Ausnahme; das ist für viele Menschen Alltag in diesem Land.
Und was macht diese Regierung? Herr Spahn sagt, der Achtstundentag sei „aus der Zeit gefallen“. Das ist natürlich sehr bequem, wenn man noch nie am Band gestanden hat oder in der Pflege gearbeitet hat, noch nie auf einer Station war.
(Zuruf des Abg. Johannes Winkel [CDU/CSU])
Wissen Sie, was wirklich aus der Zeit gefallen ist? Dass über 1 Milliarde Überstunden unbezahlt bleiben.
(Beifall bei der Linken sowie der Abg. Annika Klose [SPD])
Sorgen Sie dafür, dass diese Überstunden bezahlt werden, bevor Sie uns den Zwölfstundentag als Freiheit verkaufen!
Und hören Sie auf, hier so zu tun, als wären die Beschäftigten unflexibel! Die Flexibilität gibt es doch schon längst. Diese Menschen halten unser Land am Laufen, weil sie sich jeden Tag verbiegen: die Erzieherin, die an ihrem freien Tag einspringt, der Pfleger, der Doppelschichten macht, und die Paketbotin, die bei Wind und Wetter ausliefert. Sie verzichten auf Schlaf, auf Zeit mit ihren Kindern, sie opfern ihre Freizeit. Und diesen Menschen wollen Sie noch erzählen, sie sollen flexibler sein? Schämen Sie sich!
(Beifall bei der Linken – Zuruf des Abg. Johannes Winkel [CDU/CSU])
Sie treiben Menschen mit 13-Stunden-Schichten an ihre Grenzen. Die Zahl der Unfälle steigt, und es könnte nicht klarer sein, für wen Sie Politik machen: nicht Politik für die Menschen, die früh aufstehen und spät heimkommen,
(Johannes Winkel [CDU/CSU]: Die kennen Sie doch überhaupt nicht!)
sondern immer Politik für die Chefetagen – Sie haben es eben schon gesagt –, die sich über jede unbezahlte Überstunde freuen. Hören Sie auf mit diesen unsäglichen Angriffen auf unsere Leute!
(Beifall bei der Linken – Johannes Winkel [CDU/CSU]: Das sind nicht Ihre Leute! – Hans-Jürgen Goßner [AfD]: Ihre Leute sind es nicht! – Zuruf des Abg. Georg Schroeter [AfD])
– Sie haben da gar nicht mitzureden.
(Hans-Jürgen Goßner [AfD]: Das bestimmen Sie nicht!)
Der Achtstundentag ist kein Relikt. Er bedeutet Schutz vor Ausbeutung, vor Krankheit, vor einem Leben, das nur aus Arbeit besteht. Er ist eine der größten Errungenschaften der Arbeiterbewegung. Ich muss das hier so betonen, weil man ja sieht: Es gibt hier eine Partei, die die arbeitenden Menschen offen verachtet.
(Beifall bei der Linken sowie des Abg. Dr. Armin Grau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Georg Schroeter [AfD]: So ein Blödsinn! – Dr. Götz Frömming [AfD]: Unsere Wähler arbeiten im Gegensatz zu Ihren!)
Es gibt eine Partei, die nur Politik für die Chefetagen macht. Dann gibt es halbherzige Grüne. Und es gibt hier Sozialdemokraten, die einknicken und den Achtstundentag gemeinsam mit der Union abschaffen wollen. Deswegen braucht es eine Partei, die dafür einsteht.
(Beifall bei der Linken – Zuruf von der AfD: Die Leninisten!)
Denn eine gute Gesellschaft misst sich nicht daran, wie lange Menschen arbeiten, sondern daran, ob sie von ihrer Arbeit leben können und noch Zeit zum Leben haben.
(Abg. Johannes Winkel [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Deswegen verteidigen wir den Achtstundentag, elf Stunden Ruhe und faire Bezahlung für jede geleistete Stunde.
Sehr ungern.
(Hans-Jürgen Goßner [AfD]: Ja oder nein? – Bernd Rützel [SPD]: Also ja? – Zurufe von der CDU/CSU)
Nein.
(Dr. Götz Frömming [AfD], an die CDU/CSU gewandt: Oah! Das ist der Dank dafür!)
Wir fordern Kontrollen, die wehtun, wenn betrogen wird. Denn wer hart arbeitet, der verdient Respekt und nicht noch längere Schichten.
Einen Tipp habe ich für Sie – es gibt da auch eine Kampagne des Deutschen Gewerkschaftsbundes; vielleicht achten Sie mal darauf –: Lassen Sie die arbeitenden Menschen in Ruhe! Sonst kriegen Sie es mit den Gewerkschaften, mit den Betriebsräten,
(Johannes Winkel [CDU/CSU]: Sie kennen keine arbeitenden Menschen, Frau Schwerdtner!)
mit den Beschäftigten und mit uns zu tun.
(Lachen des Abg. Hans-Jürgen Goßner [AfD] – Zuruf des Abg. Dr. Götz Frömming [AfD])
Vielen Dank.
(Beifall bei der Linken)