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Jens Spahn hat in der Politik nichts mehr zu suchen

Rede von Ines Schwerdtner,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Spahn ist leider nicht hier. Wir haben gerade die Befragung im Haushaltsausschuss unterbrochen. Wir haben zunächst die Gesundheitsministerin, Frau Warken, befragt. Das hat sich sehr lange hingezogen. Jetzt kam Herr Spahn dran. Wir haben die Sitzung des Haushaltsausschusses eben für die Befragung unterbrochen, und trotzdem ist er nicht hier vor Ort. Ich finde, es ist eine Missachtung des Parlaments und auch eine Missachtung der Öffentlichkeit, dass er jetzt nicht hier ist.

(Beifall bei der Linken – Widerspruch der Abg. Mechthilde Wittmann [CDU/CSU])

Er könnte hierherkommen. Wir haben extra den Ausschuss unterbrochen.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber die Menschen da draußen fragen sich zu Recht: Was läuft hier eigentlich? Während wir in der Pandemie Masken genäht, Angehörige gepflegt und auf Hilfen gewartet haben, haben Sie, Herr Spahn, vor allem sich selbst versorgt: mit Kontakten, mit Deals, mit Milliarden aus unserem Steuergeld. Und jetzt, ein paar Jahre später, tun Sie so, als wären Sie das Opfer. Nicht die Menschen, die jeden Cent umdrehen mussten, nicht die Steuerzahler, die Ihren Schaden tragen, nein, ausgerechnet Jens Spahn soll der Geschädigte sein. Sie sprechen davon, dass die Debatte „ehrabschneidend“ ist. Ihre Ehre ist mir, ehrlich gesagt, herzlich egal. Sie sprachen auch davon, dass wir uns in der Pandemie sehr viel verzeihen werden müssen. Vielleicht meinten Sie ja vor allem sich selbst.

Es geht hier nicht um ein Versehen. Es geht um politische Verantwortung, um Gerechtigkeit und den Umgang mit öffentlichem Geld, mit unserem Geld.

(Beifall bei der Linken)

Durch Ihre Maskendeals ist ein Schaden von rund 3,5 Milliarden Euro entstanden, weitere könnten folgen. Und was machen Sie? Statt die Vorfälle aufzuklären, waschen Sie Ihre Hände in Unschuld. Sie geben Interviews, Sie spielen die Opferrolle, während Millionen von uns noch die wirtschaftlichen Folgen dieser Krise spüren.

Wir mussten verzichten, Sie haben verteilt vor allem an Parteifreunde – ohne Ausschreibung, ohne Rat von anderen Ministerien-, zum Beispiel an die Schweizer Firma Emix, vermittelt – wie könnte es anders sein? – über eine CSU-Connection mit besten Kontakten ins Ministerium. 48 Millionen Euro Provision gingen an Andrea Tandler, Tochter des früheren CSU-Generalsekretärs und bayerischen Finanzministers Gerold Tandler.

(Zuruf von der Linken: Unfassbar!)

Das reiht sich ein in eine ganze Serie von Skandalen in der Union. Philipp Amthor zum Beispiel, der auch nicht hier ist, hat für einen amerikanischen Lobbykonzern Politik gemacht und sich Aktienoptionen zuschustern lassen.

(Axel Müller [CDU/CSU]: Jetzt gehen Sie aber ganz weit zurück!)

Heute sitzt er wieder im Bundestag und ist Staatssekretär, als wäre nie etwas gewesen.

(Simone Borchardt [CDU/CSU]: Das hat aber mit den Masken nicht wirklich was zu tun!)

Georg Nüßlein, früher CSU-Bundestagsabgeordneter, hat über eine Beraterfirma rund 660 000 Euro kassiert – für das Vermitteln von Maskendeals. Das sind keine Einzelfälle, das hat System. Und dieses System schützt sich selbst.

(Beifall bei der Linken – Daniel Bettermann [SPD]: Genauso viel System wie der Wahlkampf von den Linken! – Stephan Brandner [AfD]: Alles CDU!)

Im Januar kam dann der Bericht der Sonderermittlerin Sudhof heraus, 170 Seiten zur Aufarbeitung der Maskendeals unter Ihrer Verantwortung. Und was bekommt der Haushaltsausschuss zur Einsicht? Ein Dokument, seitenweise geschwärzt – viele Seiten komplett –, und in einer Qualität, als wäre das mit einer Kartoffel gescannt worden. Entschuldigen Sie, sind Sie ein Ministerium oder eine Universität? So sieht Transparenz nach CDU-Standards aus! Sie wollen nicht, dass wir diesen Bericht lesen. Sie wollen auch nicht, dass der Fall aufgeklärt wird; sonst wären Sie heute hier. Und das sagt alles über Ihr Politikverständnis. Das ist der gezielte Versuch, das Parlament und uns alle hier für dumm zu verkaufen.

Menschen, die Bürgergeld beziehen, müssen ein Geldgeschenk von 50 Euro beim Jobcenter angeben.

(Simone Borchardt [CDU/CSU]: Ja, das ist richtig! Die könnten arbeiten gehen!)

Währenddessen laufen im Gesundheitsministerium Millionenprovisionen ganz ohne Kontrolle. Je weniger man hat, desto schärfer wird man kontrolliert. Während die meisten Menschen bei kleinsten Fehlern sofort gemaßregelt werden, steigen Sie weiter auf, Posten für Posten. Sie schaffen es sogar zum Fraktionsvorsitzenden. Wissen Sie, was mich daran am meisten stört? Genau diese Doppelmoral. Sie schimpfen auf Bürgergeldempfänger, fordern die härtesten Sanktionen, und Sie selbst waschen sich hier rein.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und dann wundern Sie sich, warum die Menschen Vertrauen in die Politik verlieren. Ihre Deals sind der Beweis, dass das Gespür der Menschen richtig ist, dass sie das Vertrauen in Politik und auch in die Regierung, in Minister wie Sie verlieren.

Wir Linke gehen an Hunderttausende Haustüren, damit die berechtigte Wut der Menschen sie eben nicht in die Arme der Rattenfänger führt. Sie scheint das nicht zu stören. Im Gegenteil: Sie wollen die AfD ja auch behandeln wie jede andere Partei, und notfalls machen Sie auch gemeinsame Sache.

(Felix Schreiner [CDU/CSU]: Geht es noch tiefer eigentlich?)

Ich mache Ihnen einen anderen Vorschlag: Machen Sie mal eine Politikpause! Kein Mikrofon, kein Mandat, keine PR-Show, sondern Rückzug bis zur vollständigen Aufklärung dieses Falles und des gesamten CDU-Netzwerks, weil man Verantwortung nicht nur fordert, sondern auch übernehmen muss.

(Beifall bei der Linken)

Wer in der Krise kassiert, wer Vertuschung organisiert, der hat in der Politik nichts zu suchen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken – Felix Schreiner [CDU/CSU]: Ganz schwach!)