Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Früher haben wir als Linke kritisiert, dass Lobbyvertreter in den Ministerien ein- und ausgehen. Jetzt ist eine Lobbyvertreterin Hausherrin im Wirtschaftsministerium.
(Beifall bei der Linken)
Frau Ministerin, in den zwei Monaten im Amt haben Sie sich nicht mal bemüht, den Eindruck zu zerstreuen, dass Sie vor allem eines vertreten: die Interessen der Energiekonzerne.
(Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Die kennt sich aus! Die hat Ahnung davon!)
Statt für Transparenz zu sorgen, haben Sie Ihre Firmenbeteiligungen nur scheibchenweise und nur auf öffentlichen Druck hin offengelegt. Mittel für den Klimaschutz aus dem Klima- und Transformationsfonds zweigen Sie zur Gasförderung ab.
(Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Quatsch!)
Statt am europäischen Treffen zu erneuerbaren Energien teilzunehmen, schlagen Sie bei den Atomkraftkumpels auf. Wenn Atomkraft in Deutschland doch Geschichte ist, wie Sie selber sagen, was wollten Sie dann da? Wollten Sie nochmal Tschüs sagen, oder warum sind Sie dahin gegangen?
(Beifall bei der Linken)
Vorgängerregierungen haben ja wenigstens noch Lippenbekenntnisse zum Klimaschutz abgegeben.
(Michael Kellner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: War schon mehr!)
Die haben wenigstens noch so getan, als würden sie was tun. Aber Ministerin Reiche will die vereinbarten Klimaziele gleich komplett in die Tonne treten.
Auf dem Tag der Industrie erklären Sie, es wäre sinnvoll, die Klimaziele zu „harmonisieren“; ich übersetze: aufzuweichen.
(Thomas Bareiß [CDU/CSU]: Nein, nein! Im Gegenteil!)
Beim im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziel, bis 2045 klimaneutral zu werden, müsse man „flexibler“ werden, und wörtlich: „Ich weiß nicht, ob das jemand mal durchgerechnet hat“; sagt die Ministerin.
Frau Ministerin, erstens erfolgte diese Zielsetzung nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Auch die Vorgängerregierungen mussten zum Jagen getragen werden. Und zweitens – apropos Durchrechnen –: Eine Studie im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums kam zu dem Schluss, dass die Folgen des Klimawandels bis 2050 wirtschaftliche Schäden von bis 900 Milliarden Euro verursachen können. Und was noch viel wichtiger ist: Sie gefährden die Gesundheit und das Leben von Menschen. – Also, das ist sehr leicht durchgerechnet: Teurer als Klimaschutz, meine Damen und Herren, ist kein Klimaschutz.
(Beifall bei der Linken und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Menschen leiden unter den Rekordtemperaturen, und Sie wollen weiter einheizen mit einem massiven Ausbau von Gaskraftwerken statt beschleunigter Energiewende.
Jetzt hat Ihr Ministerium einen Bericht in Auftrag gegeben, um eine Neuausrichtung der Energiepolitik zu prüfen. Die erbetenen Handlungsempfehlungen sind nicht an die bisherigen Ziele der Bundesregierung gebunden. Es ist explizit eine kritische Auseinandersetzung damit gewünscht, ob sie erreichbar oder zu teuer seien. Und bei wem hat man diesen Bericht ohne Ausschreibung in Auftrag gegeben? Beim Energiewirtschaftlichen Institut. Die wurden lange von RWE und EON finanziert, bekommen von dort immer noch Förderung und haben 2010 – Überraschung! – die Verlängerung der Laufzeiten von AKWs vorgeschlagen. Wir erinnern uns: EON ist die Mutter von Westenergie, und das ist das Unternehmen, für das Frau Reiche bis vor acht Wochen noch gearbeitet hat. Man kennt sich, man schätzt sich!
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Ministerin beauftragt also ein von der Industrie finanziertes Institut, um die Interessen der Industrie niederzuschreiben, um Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag als nicht umsetzbar darzustellen und eine Neuausrichtung der Energiepolitik vorzuschlagen. Also, liebe SPD, ich würde mich darüber ärgern, wenn ich Koalitionspartnerin der Union wäre; was ich in diesem Leben definitiv nicht anstrebe, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der Linken – Dr. Saskia Ludwig [CDU/CSU]: Sehr gut!)
Nein, wird die Ministerin sagen, es gehe ja vor allem darum, dass die Energiewende für Verbraucher kostengünstiger gestaltet werden kann. Aber um die Stromkosten zu senken, brauchen Sie gar kein teures Gutachten. Da müssen Sie nur mal einen Blick in den Koalitionsvertrag werfen. Dort ist nämlich vereinbart, dass als Sofortmaßnahme die Stromsteuer gesenkt wird. Für die Industrie wird sie jetzt auch gesenkt, aber für die privaten Verbraucher nicht und auch nicht für die Bäckerei oder die Wäscherei, die auch hohe Stromkosten haben. Für eine der wenigen Maßnahmen im Koalitionsvertrag, die für Entlastung in der Breite gesorgt hätte, fehlt angeblich das Geld. Sie brechen Ihr Versprechen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der Linken und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Der Union ist Klimaschutz kein Anliegen. Von wegen Bewahrung der Schöpfung: Über der Schöpfung steht für Sie immer noch die Wertschöpfung; die darf natürlich nicht gefährdet werden. Erhalt der Lebensgrundlagen für unsere Kinder, Generationengerechtigkeit: Fehlanzeige! Des Wahnsinns fette Beute, das ist Ihre Politik.
Und was sagt der Koalitionspartner SPD dazu? Ich weiß nicht, ist da noch jemand? 15 Euro Mindestlohn: abgeräumt. Senkung der Stromsteuer: abgesagt. Die Wirtschaftsministerin lässt prüfen, wie sie sich der Klimaziele entledigen kann. Indes prüft der Bundeslandwirtschaftsminister Ausnahmen beim Mindestlohn. Also ich habe den Eindruck: Für die Union scheint der Koalitionsvertrag eher eine unverbindliche Empfehlung zu sein. Und die SPD stimmt mit dem Argument der Vertragstreue für die Aussetzung des Familiennachzugs, für rechtswidrige Zurückweisungen an Grenzen, für die Senkung der Körperschaftsteuer. Die Treue scheint mir doch recht einseitig zu sein, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der Linken)
Ich komme zum Schluss. – Frau Reiche, es mag sein, dass Sie damit bei Ihrem Koalitionspartner durchkommen. Bei uns treffen Sie auf Widerstand und auch bei den Menschen, die für Klimaschutz eintreten. Denn was wir nicht brauchen, ist diese Politik von und für Reiche, meine Damen und Herren.
Vielen Dank.
(Beifall bei der Linken)