Zum Hauptinhalt springen

Schäbige Stimmungsmache gegen Bürgergeldbeziehende und ein Angriff auf die Beschäftigten

Rede von Janine Wissler,

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kanzler hat den „Herbst der Reformen“ angekündigt und einen „Epochenbruch“. Die Wirtschaftsministerin Frau Reiche fordert, die Menschen müssten länger arbeiten, und sie will das Renteneintrittsalter erhöhen, sprich: die Renten kürzen.

(Enrico Komning [AfD]: Bei Ihnen müssten sie gar nicht arbeiten!)

Arbeitsministerin Bas kündigt eine Nullrunde beim Bürgergeld an.

Wir erleben aktuell eine beispiellose Stimmungsmache gegen Menschen, die Bürgergeld beziehen, und das ist einfach nur schäbig.

(Beifall bei der Linken – Enrico Komning [AfD]: Das sind doch gar keine Bürger!)

Betrachten wir die Fakten. Über 800 000 Menschen arbeiten und beziehen trotzdem Bürgergeld, weil sie so wenig verdienen. Ja, was tun Sie denn dagegen? Sie reden von angeblich arbeitsunwilligen Bürgergeldbeziehern. Aber wie groß ist die Gruppe? Es geht um 0,5 Prozent der Bürgergeldbeziehenden. Und deshalb soll man ein ganzes System ändern und Sanktionen verschärfen? Das ist doch absurd.

Die Erwerbslosenzahlen steigen in der Tat. Und was macht die Bundesregierung? Sie kürzt die Mittel für die Arbeitsmarktintegration, und zwar deutlich. So wollen Sie dann Menschen in Arbeit bringen.

Ich sage Ihnen, Bürgergeld ist kein Luxus, sondern Existenzminimum. Eine Nullrunde beim Bürgergeld bedeutet: Wer ohnehin jeden Euro umdreht, hat inflationsbedingt weniger. Das, meine Damen und Herren, ist „Bullshit“ – um es mal mit den Worten der zuständigen Ministerin zu sagen.

(Beifall bei der Linken)

Ist der Sozialstaat wirklich explodiert? Nein, ist er nicht. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt sind die Sozialausgaben nicht höher als vor zehn Jahren. Kürzungen bei Sozialleistungen sind ein Angriff auf alle, nicht nur auf die Erwerbslosen, auf den Sozialstaat, auf die Beschäftigten. Denn: Wenn Erwerbslose gezwungen werden, jede Arbeit anzunehmen, weil sie sonst sanktioniert werden, warum soll dann ein Arbeitgeber noch Tariflohn zahlen? Es geht um die Rechte der Beschäftigten, die hier angegriffen werden. Es geht darum, dass der Achtstundentag abgeschafft werden soll. Das ist keine Flexibilisierung, das ist Ausbeutung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linken)

Der Kanzler sagt, wir müssen mehr arbeiten und wir hätten über unsere Verhältnisse gelebt. Wer ist denn dieses ominöse „Wir“? Wer hat denn in diesem Land über seine Verhältnisse gelebt? Der Paketbote, der sich den Rücken kaputt schleppt, die Reinigungskraft, die morgens um fünf schon unterwegs ist, die Beschäftigten, die 1,3 Milliarden Überstunden pro Jahr machen, davon die meisten übrigens unbezahlt? Nein, die wahren Profiteure sind doch die, die leistungslos Milliardenvermögen erben, ein paar Hundert Familien, die mehr besitzen als Millionen Beschäftigte zusammen. Wo sind denn die Zumutungen für die, von denen Sie gerade sprechen, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der Linken)

Daneben werden Unternehmen durch die Senkung der Körperschaftsteuer noch Milliarden in den Rachen geworfen. Wer hat, dem wird gegeben! Das ist weder sozial, noch ist das christlich.

(Beifall bei der Linken)

Schluss damit! Hören Sie auf, Beschäftigte und Erwerbslose gegeneinander auszuspielen. Kein Geringverdiener profitiert davon, wenn das Bürgergeld gekürzt wird. Die Union spielt sich immer als Anwalt der Beschäftigten, der hart arbeitenden Menschen auf, wenn es darum geht, das Bürgergeld zu kürzen. Wenn es um die Erhöhung des Mindestlohns geht, was den Leuten wirklich helfen würde, dann ist Ihnen das vollkommen schnuppe. Da ist Schluss mit Solidarität mit den hart arbeitenden Menschen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linken)

Vielen Dank, Herr Präsident. – Wir brauchen einen Herbst der Reformen, aber keine Grausamkeiten gegen Arme. Wir brauchen Maßnahmen für gute Löhne, für einen starken Sozialstaat und für gerechte Steuern.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)