Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Welchen Ort hat die neue Wirtschaftsministerin wohl gewählt, um ihr Programm vorzustellen? Eine Stahlhütte im Ruhrgebiet, wo Beschäftigte um ihre Arbeitsplätze bangen? Oder einen Ort in der Lausitz, wo sich gerade ein Strukturwandel vollzieht? Nein, den Ludwig-Erhard-Gipfel in nobler Umgebung am Tegernsee, wo Konzernchefs und Spitzenpolitiker unter sich sind; denn schlappe 2 500 Euro muss man für ein Ticket hinblättern, sofern man überhaupt eines bekommt – gesponsort von Banken, Tabakindustrie, Beratungsfirmen und von Westenergie, der EON-Tochter, für die Frau Reiche bis vor wenigen Tagen noch gearbeitet hat. Und der Konferenztag, an dem die Frau Ministerin gesprochen hat, war „powered by Audi“. Ja, wer will da schon über die Einhaltung von CO2-Grenzwerten reden, wenn die Automobilindustrie den eigenen Auftritt sponsort, meine Damen und Herren?
(Beifall bei der Linken)
Das zeigt symbolisch, für wen Sie Politik machen. Sie sind vor zehn Jahren vom Bundestag direkt in die Energiewirtschaft gewechselt und jetzt direkt zurück auf die Regierungsbank – ohne Karenzzeit, ohne Anstand. Sie sind wirklich die personifizierte Drehtür, Frau Ministerin.
(Beifall bei der Linken)
Eine Wirtschaftsministerin sollte sich doch zuallererst den Menschen verpflichtet fühlen, die den Reichtum in diesem Land erwirtschaften: die Arbeiterinnen, die Angestellten, die Mehrheit der Bevölkerung. Aber was tun Sie denn für die?
Friedrich Merz ruft jetzt zu einer „gewaltigen Kraftanstrengung“ auf. Man müsse den Menschen jetzt einiges abverlangen. Aber natürlich nicht allen Menschen! Wer ein hohes Vermögen geerbt hat, wer von seinen Kapitaleinkünften lebt, wer als Milliardär leistungslosen Wohlstand genießt, dem werden nicht mal höhere Steuern abverlangt, geschweige denn irgendwelche Anstrengungen. „Raus aus der Hängematte!“, das gilt immer nur für die, die da ohnehin kaum drinliegen.
Der Achtstundentag soll abgeschafft werden – ein beispielloser Angriff auf die Errungenschaften der Arbeiterbewegung! Es ist wirklich eine Schande, dass die SPD dabei mitmacht, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der Linken)
Die Menschen sollen mehr arbeiten, sagt Friedrich Merz. Der Wohlstand sei gefährdet durch Viertagewoche und Work-Life-Balance. Darüber können die überlastete Intensivpflegekraft, der Busfahrer und die Erzieherin nur den Kopf schütteln. Schauen Sie sich doch um in Krankenhäusern, bei der Bahn, bei Paketdiensten! Da können die Beschäftigten oft nicht mal ihre Pausenzeiten einhalten. Reden Sie doch mal mit Menschen, die trotz Arbeit aufstocken müssen, die einen Zweitjob haben, weil es sonst nicht für die Miete reicht! Erzählen Sie denen doch mal was von Work-Life-Balance! Die Debatte, die Sie hier aufmachen, ist doch absurd.
(Beifall bei der Linken – Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Schauen Sie sich doch mal die Zahlen an, Frau Wissler! Das ist Mikroevidenz hier!)
Eine immer höhere Arbeitsverdichtung, die zu Erkrankungen und zu Burn-outs führt, verschärft doch noch den Fachkräftemangel, den Sie bekämpfen wollen. Und Ihre Wirtschaftswende soll noch längere Arbeitszeiten bringen? Die Beschäftigten leisten heute so viele Arbeitsstunden wie nie zuvor – 1,3 Milliarden Überstunden pro Jahr. Diese Überstunden wollen Sie jetzt von der Steuer befreien. Aber die Hälfte davon ist schon jetzt steuerfrei, weil sie nämlich gar nicht erst bezahlt wird.
(Beifall bei Abgeordneten der Linken – Christian Görke [Die Linke]: Das ist die Wahrheit!)
Frau Ministerin, was tun Sie gegen die hohen Preise? Was tun Sie dagegen, dass Löhne von steigenden Lebensmittelpreisen und von den Mieten aufgefressen werden, dass Konzerne Extraprofite machen, weil sie ihre Marktmacht ausnutzen? Die Supermarktketten beherrschen 85 Prozent des Marktes und diktieren die Preise. Ja, da helfen doch keine Appelle, da helfen nur Eingriffe und Preisdeckel, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der Linken – Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Schauen Sie sich mal im Ausland die Lebensmittelpreise an! Der Wettbewerb ist hier hoch! Die Lebensmittelpreise sind hier so niedrig wie sonst nirgends!)
Sie reden von Wachstum. Aber wenn es der Wirtschaft gut geht, geht es eben noch lange nicht allen gut. Amazon etwa macht Milliardengewinne und verweigert seinen Beschäftigten Tarifverträge. Wie gut soll es diesem Konzern denn noch gehen, bevor die Beschäftigten mal etwas davon abbekommen?
(Beifall bei der Linken)
Da hilft nur eins: radikale Umverteilung. Statt Konzerne zu pampern und Steuergeschenke zu verteilen, brauchen wir öffentliche Investitionen in die Infrastruktur, in die Bildung, in Pflege, in sozialen Wohnungsbau. Weg mit der Schuldenbremse!
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Der Markt wird unsere Probleme nicht lösen, weder die Probleme der Klimakrise noch die der sozialen Spaltung. Es ist höchste Zeit, über Enteignung und Vergesellschaftung zu reden,
(Beifall bei der Linken – Lachen bei Abgeordneten der AfD)
und zwar nicht für Braunkohle und Autobahnen – an der Stelle hatte die CDU ja nie ein Problem mit Enteignungen, nicht wahr? –, sondern zur Sicherung von Industriestandorten, Arbeitsplätzen und sozialökologischem Umbau.
(Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Mit den Konzepten sind wir schon mal vor die Wand gefahren! Unfassbar, wirklich! Sie lernen nichts aus der Wirtschaftsgeschichte, gar nichts!)
„Eigentum verpflichtet“ und soll „dem Wohle der Allgemeinheit dienen“, so steht es im Grundgesetz. In der Realität wird angehäuftes Eigentum aber viel zu oft gegen die Allgemeinheit eingesetzt. Wir wollen eine Wirtschaft, die dem Allgemeinwohl dient, faire Lieferketten, Wirtschaftsdemokratie, eine Wirtschaftspolitik, die Sicherheiten gibt und die der Gefahr von rechts außen den Nährboden entzieht.
(Beifall bei der Linken)
Wir wollen Armut bekämpfen und nicht beim Bürgergeld kürzen.
Frau Ministerin, für eines will ich Sie loben: Im Gegensatz zu anderen in der Union haben Sie mittlerweile erkannt, dass die Atomkraft in Deutschland Geschichte ist. Der Kampf ist entschieden; die AKW sind vom Netz. Es gibt kein Zurück; das Pferd ist tot. Und das ist gut so.
(Beifall bei der Linken)
Ansonsten ist Ihre Energiepolitik aber rückschrittlich. Statt voll auf den Ausbau der erneuerbaren Energien zu setzen, wollen Sie einen überdimensionierten Ausbau von Gaskraftwerken. Damit verstärken Sie die fossile Abhängigkeit. Eine vernünftige Energiepolitik muss sozial gerecht und den Klimazielen verpflichtet sein. Aber was bekommen wir? Höhere CO2-Preise, aber kein Klimageld, steigende Netzentgelte, aber keine Entlastung, einen Strommarkt, der nicht funktioniert.
(Dr. Rainer Kraft [AfD]: Sie wollen das doch!)
Dabei sind die hohen Strompreise doch längst ein Risiko für Arbeitsplätze und den Umbau der Industrie. Statt pauschaler Industrierabatte brauchen wir einen Industriestrompreis, der Klimaschutz belohnt und Jobs sichert. Strom muss bezahlbar sein, und Energie gehört in die öffentliche Hand, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der Linken)
Herr Präsident, ich komme zum Schluss. – Wir wollen eine Wirtschaft, die den Menschen dient, und nicht umgekehrt, demokratische Kontrolle statt Konzernmacht und Investitionen in die öffentliche Infrastruktur statt immer mehr Geld für Rüstung und für Militär.
(Beifall bei der Linken – Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Mit anderen Worten: Wolkenkuckucksheim!)