Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es klingt wie Satire vom „Postillon“: Frau Reiche, die sich nach nur vier Jahren als Ministerin über knapp 5 000 Euro Pension freuen kann, erklärt, dass die Rente zukünftig nicht mehr zum Leben reichen wird. Und 18 Unionsabgeordnete stellen das Rentenniveau infrage. Ja, eure Rente ist ja auch sicher: 295 Euro Rentenanspruch pro Jahr im Bundestag, ohne einen Euro einzuzahlen; nach acht Jahren: 2 500 Euro. Das erreicht kein gesetzlich Versicherter. Wasser predigen, Champagner schlürfen; so kann man das nur bezeichnen.
(Beifall bei der Linken)
Es geht hier nicht um Jung gegen Alt. Es ist kein Generationen-, es ist ein Verteilungskonflikt. Entscheidend ist nicht nur, wie viele einzahlen, sondern auch, wie produktiv diese Gesellschaft ist. Die Junge Union ist nicht der Anwalt der Jungen, sondern der Arbeitgeber, die sich aus der paritätischen Finanzierung der Rente verabschieden wollen. Reicht die gesetzliche Rente nicht, müssen Beschäftigte auf eigene Kosten vorsorgen, wenn sie das können, oder sie sind im Alter auf Grundsicherung angewiesen, die aus Steuern finanziert wird. Die Profiteure sind die Banken, die Versicherungen und die Arbeitgeber, die sich aus der Verantwortung für die Rente stehlen können. Mit Generationengerechtigkeit hat das nichts zu tun.
(Beifall bei der Linken)
Es sind doch gerade die zukünftigen Rentnerinnen und Rentner, denen Altersarmut droht. Was bieten CDU und SPD denn den jungen Menschen? Sie bieten ihnen befristete Verträge, Wehrpflicht, Altersarmut. Das ist Ihr Programm.
(Beifall bei der Linken – Zuruf von der AfD: Was schreien Sie denn so rum?)
Frau Reiche, Sie sprechen von einer Agenda 2030 und notwendigen Einschnitten. Beschäftigte auf dem Bau und in der Pflege sollen später in Rente gehen; die Lohnfortzahlung ab dem ersten Krankheitstag setze falsche Anreize. – Ihre Zumutungen treffen immer die, die ohnehin kaum was haben, und niemals die, die genug für drei Leben haben.
(Felix Schreiner [CDU/CSU]: Ihre Rede ist eine Zumutung!)
Mit welchen Zumutungen müssen die Millionäre und Milliardäre in diesem Land denn rechnen? 1 Prozent Vermögensteuer? Angeblich eine Überforderung. Aber die Pflegekraft soll bis 70 arbeiten, und wenn der Paketbote zwei Tage krank ist, dann soll ihm das vom kargen Lohn noch abgezogen werden.
(Beifall bei der Linken)
Wenn man Reiche besteuern will, dann ist das eine Neiddebatte. Aber wenn man Bürgergeldbeziehern nicht mal 7 Euro am Tag für Nahrung gönnt, dann soll das Gerechtigkeitsempfinden sein. Wer hat, dem wird gegeben.
Die Vermögensungleichheit ist in kaum einem Industrieland größer als in Deutschland. Und Sie senken noch die Körperschaftsteuer! Zwei Familien in diesem Land besitzen mehr als die ärmere Hälfte der Bevölkerung. Die Kinderarmut steigt. Und die, die vom letzten Aufschwung schon nichts abbekommen haben, sollen jetzt in der Krise den Gürtel noch mal enger schnallen. Das ist unverantwortlich, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der Linken)
Die Menschen leiden unter hohen Mieten und Preisen, und die Regierung tut nichts, um sie zu entlasten. Genau das sorgt für Politikverdrossenheit. Die Monopolkommission stellte nun fest, dass die vier großen Lebensmittelketten – Edeka, Rewe, Lidl und Aldi – inzwischen 87 Prozent des Marktes beherrschen. Die Preise steigen stärker als im EU-Vergleich, die Gewinne der Konzerne ebenso. Zufall? Wohl kaum.
2014 kostete 1 Liter Milch 70 Cent; die Bauern bekamen 40 Cent. 2023 kostet 1 Liter Milch mehr als 1 Euro, und die Bauern bekommen immer noch 40 Cent. Die Verbraucher zahlen mehr, die Landwirte haben nichts davon, und die Löhne im Handel steigen auch nicht mit. Frau Ministerin, was tun Sie denn dagegen, wenn Ihre eigene Monopolkommission das als Problem benennt?
(Beifall bei der Linken)
Wie wollen Sie denn verhindern, dass die hohen Lebensmittelpreise die kleinen Einkommen einfach auffressen?
Sie sagen, der Export wird uns nicht aus der Krise führen; der Binnenkonsum müsste gestärkt werden. Ja, wie denn? Ihr Kurs ist nicht nur ungerecht, er ist ökonomisch fatal. Wer hohe Einkommen entlastet, der erhöht die Sparquote; wer kleine und mittlere Einkommen entlastet, der stärkt die Nachfrage.
Frau Reiche, mit Ihrer Agenda wollen Sie das Land wieder fitmachen. Das tun Sie nicht. Sie betätigen sich als Abrissbirne.
(Beifall bei der Linken – Jens Spahn [CDU/CSU]: Vorwärts immer, rückwärts nimmer! – Enrico Komning [AfD]: „Abrissbirne“ ist aber unparlamentarisch!)

