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Verkehrspolitik auf Abwegen

Rede von Jorrit Bosch,

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Besucherinnen und Besucher auf der Tribüne! Wer dieser Bundesregierung zuhört, könnte meinen, Deutschland stehe am Beginn einer glorreichen Aufbruchsphase. Da heißt es dann: Alles, was baureif ist, wird gebaut,

(Florian Oßner [CDU/CSU]: Richtig verstanden!)

aus Wirtschaft wieder Wachstum machen. Oder, noch besser, beim Verkehr: Ordentlich Strecke machen.

(Florian Oßner [CDU/CSU]: Endlich richtig verstanden!)

Ich bin ja bei Weitem kein Marketingprofi, aber das muss man auch nicht sein, um zu wissen: Normalerweise kommt erst ein funktionierendes Produkt, und dann macht man die Werbung.

(Beifall bei der Linken sowie der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Aber Sie machen es andersrum. Sie verkaufen Sprüche, weil Sie keine Substanz haben.

(Beifall bei der Linken und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ganz ehrlich, Herr Schnieder: Für wie dumm wollen Sie die Menschen da draußen eigentlich verkaufen?

(Florian Oßner [CDU/CSU]: Da seid ihr Linken ja richtige Experten!)

Eben wieder so ein Spruch: Das Deutschlandticket ist gesichert. – Das zeigt eindrucksvoll, wie man ein beliebtes Angebot zu einem Preislabyrinth verwandelt, das sich Jahr für Jahr weiter von den Menschen entfernt: vom 49-Euro-Versprechen zum 63-Euro-Preisschild und ab 2030 dann voraussichtlich 74 Euro oder noch mehr. Mit welcher Dreistigkeit Sie hier eine Preissteigerung um fast 50 Prozent als Erfolg feiern, ist schlichtweg beschämend.

(Beifall bei der Linken sowie der Abg. Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Denn statt tatsächlich Verantwortung zu übernehmen, wie Sie es in Ihrem eigenen Koalitionsvertrag schreiben, schieben Sie die Lasten auf die Länder, auf Unternehmen und letztlich auf die Bürgerinnen und Bürger da draußen ab. Dabei wäre es so einfach – es wäre so einfach! Erhöhen Sie die Mittel des Bundes für das Deutschlandticket, statt dieses weiter ausbluten zu lassen.

(Beifall bei der Linken)

Und wenn man dann auf den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs schaut, merkt man, dass es Ihnen ziemlich egal ist. Fakt ist doch: In manchen Regionen in Deutschland haben Menschen keinen Zugang zum ÖPNV. Und was machen Sie? Sie nehmen den Ausbau- oder Modernisierungspakt, streichen „Ausbau-“, und übrig bleibt ein Modernisierungspakt. Und den kriegen wir dann einfach nie zu sehen.

Also: Die Regierung hat Milliarden für ein Sondervermögen, und trotzdem schafft sie es, den Ausbau zu vertagen, Verbindungen zu streichen. Ganz ehrlich: Wie kann man denn eigentlich mit so viel Geld so wenig hinbekommen?

(Beifall bei der Linken und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Stefan Seidler [fraktionslos])

Dieser Haushalt macht es schonungslos deutlich. Es ist Ihnen schlicht egal, wenn eine Schülerin oder ein Auszubildender jeden Morgen viel zu früh aus dem Haus muss, nur weil der einzige Bus nicht fährt. Handeln Sie endlich, und sorgen Sie dafür, dass Menschen auf dem Land nicht länger im Stich gelassen werden.

(Zuruf von der Linken: Genau!)

Wenn Herr Schnieder sich zur Deutschen Bahn äußert, gleicht das eher einem Elefanten im Porzellanladen: stümperhafte Personalplanung, Förderprogramme voller Lücken, und der Bundesrechnungshof schlägt Alarm, weil aus Berlin kaum Kontrolle kommt.

Herr Schnieder, was Sie in sechs Monaten abgeliefert haben, ist kein Sanierungsplan, es ist ein Totalausfall. Die Menschen da draußen zahlen jeden Tag den Preis: Pendlerinnen und Pendler, die zu spät zur Arbeit kommen, Beschäftigte, die täglich neu planen, ob sie überhaupt irgendwohin kommen, und Unternehmen, die keine verlässlichen Lieferketten mehr garantieren können. Das ist nicht nur ein Standortnachteil, das ist politisches Versagen.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der Linken: Ganz meine Meinung!)

Aber klar: Was macht man, wenn man bei Bus und Bahn versagt? Na logisch, dann fliegt man eben und am liebsten im Privatjet wie unser Herr Bundeskanzler.

(Florian Oßner [CDU/CSU]: Mein Gott, das ist jetzt wirklich tiefste Schublade!)

Und während andere EU-Staaten Vorschläge machen, Privatjets und Businessclass stärker zu belasten nach dem ganz einfachen Prinzip „Wer mehr verschmutzt, zahlt mehr“, senkt Deutschland ab dem 1. Juli 2026 die Luftverkehrsteuer.

Falls sich hier noch irgendwer fragen sollte, für wen diese Regierung eigentlich Politik macht, noch mal zum Mitschreiben:

(Henning Rehbaum [CDU/CSU]: Für die Menschen!)

Statt 12 Millionen Deutschlandticketnutzer zu entlasten, hat man sich entschlossen, einen kleinen Kreis von nicht einmal 300 000 Vielfliegern zu fördern, ein 350-Millionen-Euro-Steuergeschenk für wenige Manager und Bosse, und nach der Stromsteuersenkung für Unternehmen noch ein weiteres Geschenk

(Florian Oßner [CDU/CSU]: Deutschlandticket kostet jeweils 1,5 Milliarden!)

für ihre reichen Freunde. Sie sind die Koalition der Steuergeschenke für Reiche.

(Beifall bei der Linken)

Und wenn Sie sich nur halb so konsequent für den Klimaschutz einsetzen würden wie für Ihre völlig überdrehten Militarisierungspläne, dann hätten wir längst eine funktionierende Mobilitätswende. Aber stattdessen brennen bei Ihnen jetzt auch im Verkehrsbereich die Sicherungen durch. Plötzlich sollen Autobahnen Projekte der öffentlichen Sicherheit sein, weil man sie theoretisch militärisch nutzen könnte. Das ist eine gigantische Hintertür, um Planung und Naturschutz einfach auszuhebeln. Mit dieser Logik kann jede Straße plötzlich militärisch sehr notwendig werden. Und demokratische Überwachung ist kaum noch möglich. Sie können alles behaupten, wir können nichts überprüfen. Ich sage Ihnen: Das ist verkehrspolitischer Unsinn, für das Klima brandgefährlich und für unsere Demokratie schädlich.

(Beifall bei der Linken)

Und das Muster ist ja klar: Sie haben einfach keine Strategie. Aber Sie haben einen ganz klaren Reflex: Je reicher die Menschen, desto großzügiger werden Sie. Verkehrsinfrastruktur, die den Menschen den Alltag wirklich erleichtert, wäre nötig. Aber stattdessen wird der öffentliche Verkehr immer teurer, unzuverlässiger und ausgedünnter. Das ist bittere Realität Ihrer Verkehrspolitik. Das ist ignorant und schlicht verantwortungslos.

Ihr Haushalt ist ein Schlag ins Gesicht für alle, die auf eine funktionierende und bezahlbare Verkehrsstrategie warten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)