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Welchen Stellenwert hat ein gutes Gesundheitssystem?

Rede von Julia-Christina Stange,

Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stehe hier nicht nur als Abgeordnete, sondern auch als Fachkinderkrankenschwester. Ich habe gesehen, wie Kolleginnen und Kollegen im Schicht- und Funktionsdienst alles geben für ein System, das sie an den Rand bringt: an den Rand ihrer Kräfte – oder wie heute hier: an den Rand einer Tagesordnung als allerletzten Punkt. Da frage ich Sie: Welchen Stellenwert hat ein gutes Gesundheitssystem?

Die Beiträge für die Kranken- und Pflegeversicherung steigen, aber die Versorgung wird schlechter. Und Sie, liebe Bundesregierung, reden ernsthaft von Leistungskürzungen. Muss das sein? Nein, das muss nicht sein. Es liegt daran, wie wir unser Gesundheitssystem finanzieren: Der Reiche zahlt anteilig erheblich weniger als die Busfahrerin. Mieteinnahmen, Renditen, hohe Tantiemen werden gar nicht erst miteinbezogen. Privatversicherte verabschieden sich ganz aus dem Solidarsystem. Die Arbeitnehmer/-innen sollen alle Kostensteigerungen alleine tragen.

Die Herausforderungen sind also riesig. Doch was kommt von dieser Koalition? Ein paar Arbeitskreise, Vorhaben; die meisten stammen noch von der Ampel. Die entscheidenden Probleme bleiben ungelöst: noch längere Wartezeiten, das System immer chaotischer und weiterhin eine Zweiklassenmedizin. Und dafür sollen noch die Beiträge steigen?

Die Idee, die Versorgung in der Fläche durch ein Primärarztsystem zu koordinieren, mag ja sinnvoll sein. Aber woher sollen die zusätzlichen Hausarzttermine kommen? Was passiert mit Patientinnen und Patienten ohne Überweisung? Können sich Privatversicherte weiter an den Wartelisten vorbeischleichen? Wo sind hier die Vorschläge? Es ist kein Wunder, dass die Menschen stinksauer sind.

(Beifall bei der Linken)

Für pflegende Angehörige, für chronisch kranke Kinder oder Long-Covid-Betroffene wird nichts spürbar besser. Gleichzeitig blockieren Sie eine einfache, eine gerechte Lösung: die Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze. Mit dieser Erhöhung könnten wir die Pflegeversicherung stabilisieren und mittlere Einkommen entlasten. Stattdessen verschonen Sie die oberen Einkommen und belasten die Leute, die den Laden am Laufen halten. Das ist auch Frauenpolitik. Frauen stemmen den Großteil dieser Arbeit, bezahlt und unbezahlt. Das ist ungerecht und politisch gewollt.

(Beifall bei der Linken)

Wir fordern eine solidarische Pflegevollversicherung. Wir fordern eine Klinikfinanzierung, die Versorgung statt Profit fördert, gute Löhne und faire Bedingungen für Beschäftigte im Gesundheitswesen. Ihre Priorität, liebe Bundesregierung, liegt aber leider ganz woanders. Es gibt Milliarden Euro für neue Waffen. Aber für wohnortnahe Kliniken, Pflegepersonal und Geburtsstationen? Fehlanzeige. Fallpauschalensystem endlich abschaffen – Fehlanzeige. Wie erklären Sie das den Bürgerinnen und Bürgern?

Wir Linken sagen ganz klar: Gesundheit ist keine Ware, Pflege ist kein Renditenmodell. Krankenhäuser gehören nicht in die Hände von Investoren. Wir fordern eine unabhängige Finanzierung. Wir wollen ein Gesundheitssystem, das krisenfest, friedenssicher und nicht aufgerüstet für den Krieg ist, sondern bestens ausgerüstet für die Versorgung aller Menschen.

(Beifall bei der Linken)

Gehen wir das endlich an! Oder die Feinde des Solidarsystems und die Freunde von Hass und Hetze gewinnen. Bislang ist die Gesundheits- und Pflegepolitik der Koalition ohne Ideen und Kraft. Das können Sie, das können wir uns buchstäblich nicht mehr leisten. Welchen Stellenwert hat ein gutes Gesundheitssystem?

Wir sehen uns nach der Sommerpause hoffentlich zur Hauptsendezeit wieder und nicht zur Geisterstunde.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)