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Rede von Katalin Gennburg am 09.10.2025

von Katalin Gennburg,

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Man muss es ganz klar sagen – das Wichtigste vorweg –: Dieser sogenannte Bauturbo wird die Wohnungs- und Mietenkrise weiter verschärfen.

(Beifall bei der Linken)

Ich will es in aller Deutlichkeit sagen: Es ist noch nicht mal ein halbes Jahr unter der neuen Regierung vergangen, und die Berichterstattung, auch über den heutigen Tag, ist verheerend. Der Bauturbo wird schon jetzt zerrissen,

(Zuruf des Abg. Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU])

und zwar von wirklich allen Auskennern in diesem Bereich, von großen Fachverbänden; ich werde das im Folgenden darlegen.

(Esra Limbacher [SPD]: Von wem genau? Können Sie das konkretisieren? Das interessiert mich mal, weil Sie gesagt haben, das wird zerrissen!)

Gestern im Ausschuss war das Thema – schön, dass Sie bei der SPD sich so aufregen –; da haben wir schon darüber geredet, was eigentlich Ihre Idee von bezahlbarem Wohnraum ist. Ich habe jetzt verstanden, dass Sie gar keinen bezahlbaren Wohnraum wollen; denn, was Sie unter bezahlbarem Wohnraum verstehen, ist das, was der Markt hergibt. Das ist aber so ziemlich genau das Gegenteil von dem, was wir wollen.

(Esra Limbacher [SPD]: Was hat das jetzt mit dem Bauturbo zu tun?)

Wir wollen eine politisch regulierte Miete, damit die Mieten endlich sinken in diesem Land, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linken – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Sozialistisch! – Zuruf von der SPD: Das wollen wir auch!)

Sie, SPD und CDU/CSU, wollen stattdessen aber weiter die Bauindustrie pampern, koste es, was es wolle. Und Sie nehmen sich ausgerechnet das Planungsrecht vor; das ist schon erstaunlich. Ich übersetze das mal. „Die Bagger müssen rollen“ à la Ministerin Hubertz bedeutet: Die Mieten werden weiter steigen.

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Das ist doch Unsinn! – Esra Limbacher [SPD]: Was für ein Unsinn!)

Das ist ein Skandal. Sie instrumentalisieren tatsächlich die Wohnungsnot und das Elend der Menschen, um Ihre Freunde in der Bauindustrie zu bereichern. Pfui!

(Zuruf von der CDU/CSU: Je mehr Wohnungen, desto günstiger die Mieten!)

Denn, meine Damen und Herren, wer „Bauen, bauen, bauen“ fordert, ohne harte Mietenregulierung, ohne eine soziale Bodenpolitik,

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Wegen Ihrem verfassungswidrigen Mietendeckel baut kein Mensch mehr! Das ist das Problem!)

ohne strenge Regeln für die soziale Planung, wie es in der Bundesrepublik bisher immer üblich war, der macht sich nicht nur an der Mietenkrise mitschuldig, Frau Ministerin, sondern auch an der Klimakrise.

(Beifall bei der Linken)

Sogar der Bauernverband hat mitgeteilt, dass er große Sorgen hat angesichts der Fehlentwicklungen, die sich jetzt anbahnen, nämlich durch die Öffnung für die Erschließung des Außenbereichs durch § 246e, meine Damen und Herren. Bereits jetzt werden täglich 71 Fußballfelder für die Bebauung freigegeben. 71 Fußballfelder – und Sie wollen noch mal richtig Gas geben! Das Thünen-Institut hat festgestellt: Bis 2030 droht die Landwirtschaft 300 000 Hektar Acker zu verlieren. Was ist mit der Ernährungssouveränität? Wie wollen wir die eigentlich absichern, meine Damen und Herren, wenn Sie hier nur „Bauen, bauen, bauen“ sagen?

(Beifall bei der Linken)

Sie sagen: Die Krise der Bauindustrie ist das große Thema in diesem Land. Ich würde sagen: Die Krise der Mieten ist das große Thema und die Frage, wie wir sozial bauen.

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Das hängt aber zusammen, Frau Kollegin! Grundlegende volkswirtschaftliche Zusammenhänge sollte man schon erkennen!)

Der Bausektor ist aber auch ein Klimatreiber. Wir wissen: 40 Prozent des Anteils an CO2-Emissionen weltweit geht auf den Bausektor zurück. Jetzt könnten wir umsteuern, sozial und ökologisch bauen.

(Zuruf des Abg. Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU])

Wir als Linke haben deswegen extra für Sie einen Antrag eingereicht – Sie sagen ja immer, wir hätten keine eigenen Ideen –,

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Auf die Ideen können wir aber verzichten!)

unseren Antrag – Bauen mit links, Herr Luczak –: „Bauwende jetzt – Stadtumbau sozial, demokratisch und nachhaltig planen und gestalten“. Jetzt muss der Staat eingreifen und die Baupolitik öffentlich organisieren, kommunale Wohnungsbauprogramme und den Umbau von Gebäuden priorisieren; denn es gibt viel zu viel Leerstand. Warum? Weil eben jahrzehntelang am Bedarf vorbeigebaut wurde. Die Beinfreiheiten für Investoren, die Sie auf den Weg gebracht haben, haben dafür gesorgt, dass sich die Wohnungskrise immer weiter verschärft. Und jetzt wollen Sie noch mal eine Schippe drauflegen. Das ist der völlig falsche Weg.

(Beifall bei der Linken)

Die neue Studie von German Property Partners, vor einigen Tagen im „Handelsblatt“ beschrieben, offenbart: In den sieben größten Städten der Bundesrepublik stehen über 8 Millionen Quadratmeter Büroflächen leer. – Aha! Wir haben das mal für Sie umgerechnet: Das wären circa 90 000 bis 100 000 Wohneinheiten à 60 Quadratmetern. Ja, warum gehen wir da nicht ran? Es geht um Bestand in den besten Lagen; der steht leer. Und es gibt kein Recht auf Leerstand, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linken)

Deswegen: Wir brauchen mehr Planung und nicht weniger. Wir brauchen mehr Mieter/-innenschutz und nicht weniger. Wir brauchen mehr Mitbestimmung und nicht weniger. Denn, Herr Luczak, die Neubauten von heute dürfen eben nicht die Probleme von morgen sein, Frau Hubertz.

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Schon mal was von Sickereffekten gehört? Jeder Neubau macht eine alte Wohnung frei!)

Alle Planungsuniversitäten und Fachverbände haben sich klar positioniert. Und es ist doch erstaunlich, dass Sie sich ausgerechnet das Planungsrecht vorknöpfen, wo doch so viele weitere Möglichkeiten auf dem Tisch liegen. In der Anhörung wurde ja deutlich, was alles getan werden könnte, um das Bauen wirklich zu beschleunigen, um tatsächlich nach vorne zu kommen, für dauerhaft gebundene, soziale, bezahlbare Wohnungen im öffentlichen Bestand. Aber genau das wollen Sie ja nicht.

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Die Kommunen haben es in der Hand! Wir vertrauen den Kommunen!)

Sie setzen jetzt hier auf eine Bodenoffensive und wollen, dass noch mehr Boden mobilisiert wird für noch mehr Investoren, die die Preise noch mehr nach oben treiben. Und das wird den Mietensektor extrem in Bedrängnis bringen.

Die Stadtplanung – das ist wichtig, wenn Sie das Planungsrecht hier so anfassen; das will ich einfach mal sagen – ist eigentlich der Ort, wo nicht die Radikalität des Marktes herrscht. Hier geht es eigentlich um die Einhegung von Eigentümerinteressen. Stellen Sie sich mal vor, jeder macht mit seinem Grundstück, was er will! Wo kommen wir denn da hin? Dann kann man völlig vergessen, dass überhaupt noch irgendwo eine Schule gebaut wird. Deswegen gibt es die staatliche Stadtplanung. Das ist eine Errungenschaft des Nachkriegsdeutschlands; das kann man nicht oft genug sagen.

(Beifall bei der Linken)

Es ist ganz klar: Während die Mieten explodieren und die Klimakrise mit Überschwemmungen und Hitze nicht vor unseren Städten haltmacht, sitzen Sie auf Ihrer Scholle, rufen: „Bauen, bauen!“, und bereiten so eines der größten Umverteilungsprogramme in diesem Jahrzehnt vor. Das ist ein Skandal. Die Immobilienspekulanten freuen sich jetzt schon, sie werden noch reicher.

Wir als Linke fordern stattdessen eine kommunale Wohnraumoffensive, die Wohnraumversorgung dem Markt zu entziehen, und wir fordern auch, den Neubau wieder öffentlich zu regulieren – für lebenswerte Städte, gemeinsam mit den Menschen und zukunftssicher.

Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linken – Klaus Mack [CDU/CSU]: Und wer baut das dann?)