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Irini: die Verwaltung des Sterbens im Mittelmeer

Rede von Lea Reisner,

Frau Präsidentin! Abgeordnete! Bis heute verfolgen mich die Schreie einer Frau, einer Mutter, die ihr Kind in den Wellen des Mittelmeers verloren hat, kurz bevor wir ihr sinkendes Boot erreicht haben. Das war 2017. Ich war damals als Krankenpflegerin an Bord eines zivilen Seenotrettungsschiffes. Ich habe ihr Gesicht nie vergessen, und immer, wenn ich hier an diesem Pult über das Mittelmeer spreche, höre ich sie wieder.

Ich habe mit eigenen Augen gesehen, was es bedeutet, wenn Menschen sterben müssen: für Abschreckung, für Abschottung, für eine Politik, die es in Kauf nimmt, dass Menschen auf offener See ihr Leben lassen. So war es damals, und so ist es heute, auch wenn fast niemand mehr darüber redet. Das Sterben im Mittelmeer ist keine Naturkatastrophe, es ist menschengemachte Politik.

(Beifall bei der Linken)

Genau diese Politik schreiben Sie mit diesem Mandat fort. Die Operation Irini verkaufen Sie uns als Beitrag zur Stabilität und zur Durchsetzung des Waffenembargos gegen Libyen, aber in Wirklichkeit ist Irini dafür da, Europas Grenzen dichtzumachen.

Diese Operation soll jetzt verlängert werden und neue Aufgaben bekommen, darunter auch eine engere Zusammenarbeit mit libyschen Milizen, also genau die sogenannte libysche Küstenwache, die auf zivile Rettungsschiffe schießt. Die Truppe, die erst vor drei Tagen drei Menschen auf der Flucht angeschossen hat, einen davon in den Kopf. Er liegt jetzt im Koma. Die Truppe, die Menschen in Lager entführt, in denen sie geschlagen, versklavt und gefoltert werden. Die Truppe, von der Sie vor Kurzem noch bekräftigt haben, nicht mehr mit ihr zusammenarbeiten zu wollen. Das nennen Sie dann „Kapazitätsaufbau“. Ich nenne es Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

(Beifall bei der Linken)

Das Europäische Zentrum für Menschenrechte tut das auch und hat deswegen beim Internationalen Strafgerichtshof Anzeige erstattet.

Und wenn die Bundesregierung behauptet, die Operation Irini soll Libyen beim Aufbau von Such- und Rettungskapazitäten unterstützen, und das Ganze irgendwie als Stabilitätsmission verkauft, dann klingt das nach außen gut. Aber europäische Regierungen setzen zivile Rettungsschiffe fest und überlassen das Meer denen, die auf Flüchtende schießen und Menschenrechte mit Füßen treten.

Ich bin es so langsam leid, hier alle zwei Wochen zu stehen und Sie an internationales Recht erinnern zu müssen, jenes Recht, das sich die internationale Gemeinschaft nach den Verbrechen des Zweiten Weltkrieges selbst gegeben hat. Stoppen Sie die Zusammenarbeit mit denen, die es brechen, und halten Sie sich selbst daran!

(Beifall bei der Linken)

Wenn wir wirklich Fluchtursachen bekämpfen wollen, dann müssen wir aufhören, den Globalen Süden auszubeuten. Bekämpfen Sie den Klimawandel, und liefern Sie keine Waffen, die Kriege und Krisen befeuern, sondern schaffen Sie sichere Flucht- und Einreisewege!

(Beifall bei der Linken)

Irini ist keine Sicherheitsoperation. Sie wird Libyen nicht stabilisieren. Irini ist die militärische Verwaltung des Sterbens im Mittelmeer.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)