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Keine Machtspiele auf dem Rücken der Ukraine

Rede von Lea Reisner,

Herr Präsident! Abgeordnete! Seit mehr als drei Jahren leiden die Menschen in der Ukraine unter dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Putins. Ihr Alltag spielt sich unter dem Surren der Drohnen ab, die Sirenen des Luftalarms sind ständige Begleiter. In der letzten Woche wurden Kraftwerke, Heizwerke und Stromnetze erneut gezielt bombardiert. Der Energieversorger Naftogaz warnt, dass der bevorstehende Winter der härteste seit Kriegsbeginn sein wird. Kälte, Dunkelheit und Versorgungsengpässe werden zur Waffe.

Die WHO spricht von einem Gesundheitssystem am Rande des Zusammenbruchs. Kolleginnen und Kollegen im Gesundheitswesen arbeiten unter unerträglichen Bedingungen. Humanitäre Hilfe ist daher kein nachrangiges Thema, sondern zentraler Bestandteil verantwortungsvoller Friedens- und Außenpolitik. Gerade deshalb ist es fatal, dass die Bundesregierung im Haushalt wieder bei humanitärer Hilfe spart. Man kann nicht von Solidarität sprechen und gleichzeitig genau dort kürzen, wo es um das Leben von Menschen geht.

(Beifall bei der Linken)

Tausende ukrainische Kinder wurden nach Russland verschleppt – ein schweres Verbrechen, das international geahndet werden muss. Der Umfang der langfristigen Zerstörungen ist immens. Die Ukraine ist heute das am stärksten verminte Land der Welt; ein Viertel des gesamten Staatsgebietes ist kontaminiert. Landwirtschaftliche Flächen werden auf Jahrzehnte nicht nutzbar sein. Dass gleichzeitig mehrere Staaten Europas aus der Ottawa-Konvention aussteigen wollen, ist ein politischer Skandal. Dass Mittel für die Minenräumung auch von dieser Regierung gekürzt wurden, ist weder politisch noch moralisch zu rechtfertigen.

(Beifall bei der Linken)

Für die Menschen in der Ukraine bedeutet das: Leid im Krieg und Unsicherheit über das Leben danach.

Vor diesem Hintergrund waren die Gespräche Anfang der Woche in Berlin richtig und überfällig. Die Bundesregierung und die EU waren immer schnell bei der Analyse militärischer Optionen, aber erschreckend langsam darin, politische und diplomatische Prozesse aufzusetzen. Diplomatie ist keine Schwäche; Diplomatie ist der einzige realistische Weg zu einem Ende des Sterbens. Wer behauptet, diesen Krieg militärisch gewinnen zu können, ignoriert die Realität und verlängert das Leid von Millionen Menschen. Aber diese Bemühungen reichen noch lange nicht aus. Die EU führt aktuell vor allem Gespräche mit sich selbst. Die USA betreiben Pendeldiplomatie, sind aber kein neutraler Vermittler; sie verfolgen eigene wirtschaftliche und geopolitische Interessen, gerade mit Blick auf Bodenschätze, Energieinfrastruktur, Pipelines, Speicher und Landwirtschaft. Wiederaufbau darf aber kein Geschäftsmodell sein. Die Ukraine darf nicht ausgebeutet werden, weder von Russland noch von den USA noch von europäischen Konzernen.

(Beifall bei der Linken)

Eines müssen wir in dieser Debatte endlich ehrlich benennen: Während sich europäische Regierungen gegenseitig versichern, wie konsequent sie gegen den Kreml vorgehen, können Putins reiche Unterstützer in Deutschland noch immer fleißig ihr Vermögen parken. Bis heute können Milliarden in Offshore-Konstruktionen versteckt und Angriffskriege mitfinanziert werden, dank zahlreicher Schlupflöcher. Die Bundesregierung hat keinerlei Interesse daran, diese Eigentumsstrukturen transparent zu machen. Das untergräbt ihre Glaubwürdigkeit und ist schäbig.

(Beifall bei der Linken)

Die EU und Deutschland sollten sich als Akteure für den Frieden einbringen. Das gelingt jedoch nicht durch weitere Aufrüstung, sondern durch aktive Diplomatie. Ihre Aufgabe ist die Vermittlung, nicht die Durchsetzung eigener Interessen aus Angst, international an Bedeutung zu verlieren. Während es eigentlich internationale Initiativen zur Abrüstung bräuchte, setzt die Bundesregierung auf den Aufbau der größten konventionellen Armee Europas und die Wiedereinführung der Wehrpflicht. Friedenspolitik erfordert aber einen breiten Ansatz. Wo bleiben die Vorschläge im UN-Sicherheitsrat? Wo bleibt die Einbindung globaler Akteure wie etwa China, die Putin ernsthaft an den Verhandlungstisch bringen könnten? Sie reden von Weltpolitik, aber leider nicht mit der Welt.

(Beifall bei der Linken)

Nein.

Ja, weitere Verhandlungen werden nicht ohne Gespräche mit Russland möglich sein. Das heißt nicht, die Verantwortung des Kremls zu relativieren oder Verbrechen zu vergessen. Ein nachhaltiger Frieden steht und fällt aber, ob es uns gefällt oder nicht, mit Russland.

Jeder Friedensprozess braucht eine starke, verbindliche humanitäre Dimension. Die UN-Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ muss Maßstab politischen Handelns sein. Die ukrainische Zivilgesellschaft gehört mit an den Verhandlungstisch, und Selbstbestimmung ist nicht verhandelbar. Die Menschen dort dürfen kein Spielball imperialer Machtfantasien werden. Kriegsverbrechen müssen verfolgt werden; Gerechtigkeit ist keine Verhandlungsmasse.

(Beifall bei der Linken – Peter Beyer [CDU/CSU]: Alles Plattitüden ohne Inhalt! Wie wollen Sie was erreichen?)

Frieden entsteht dann, wenn Menschenleben mehr zählen als Einflusssphären. An diesem Anspruch scheitert die internationale Gemeinschaft bislang. Und genau das dürfen wir nicht länger hinnehmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)