Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte demokratische Kolleginnen und Kollegen! Mein Name ist Luigi Pantisano, und ich hasse Staus.
(Heiterkeit bei der Linken sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Wer jeden Morgen zur Frühschicht muss und dabei im Stau steht, der hat keine andere Wahl, der hat keine Freiheit. Wer den einzigen Jahresurlaub damit beginnt, dass er stundenlang auf der Autobahn festsitzt, der erlebt keine Freiheit, der erleidet Stillstand.
Staus nerven uns alle. Staus sind ein Symbol für den Stillstand in der Verkehrspolitik. Und gleichzeitig verkaufen uns CDU/CSU und auch Sie, Herr Schnieder, seit Jahren die Autopolitik als Freiheit. Aber Freiheit, Herr Minister Schnieder, bedeutet nicht, dass man in der Theorie alles darf. Freiheit bedeutet, dass Menschen praktisch entscheiden können, wie sie leben und sich fortbewegen. Freiheit heißt dann auch: Ich kann ohne Auto zur Arbeit kommen.
(Beifall bei der Linken)
Daher brauchen wir einen gut ausgebauten und bezahlbaren öffentlichen Nahverkehr, auch und gerade im ländlichen Raum. Nur dann gibt es echte Wahlmöglichkeiten und damit echte Freiheit.
Der Witz dabei ist: Wenn der ÖPNV besser ausgebaut ist, wenn es sichere Fuß- und Fahrradwege gibt, dann wird es auch weniger Staus geben. Und an die Kolleginnen und Kollegen der Union – bevor Sie anfangen, von mehr Straßenbau zu träumen –: Wir alle wissen längst, dass mehr Straßenbau zu mehr Autos und dadurch auch zu mehr Staus führt.
(Beifall bei der Linken)
Wenn die vielen hart arbeitenden Menschen eine echte Auswahl haben, dann steigen sie gerne aufs Fahrrad oder auf die Bahn um. Dann macht auch mir das Autofahren wieder Spaß,
(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)
weil endlich weniger Autos auf den Straßen unterwegs sind.
(Dr. Reinhard Brandl [CDU/CSU]: Was ist denn das für eine Logik? Ist das ein Witz? Es geht nicht um Sie!)
Herr Schnieder, es braucht jedes Jahr zusätzlich 25 Milliarden Euro für den Ausbau von Fuß- und Radwegen und für den ÖPNV. Herr Schnieder, sind Sie bereit, dieses Geld zur Verfügung zu stellen? Ich habe da so meine Zweifel; denn wer wie Sie öffentlich lieber über das Verbrenner-Aus spricht, der denkt bei der Verkehrspolitik im Rückwärtsgang.
(Beifall bei der Linken)
Dabei ist der durch Abgase und Lärm krankmachende Autoverkehr eines der ganz großen Klimaprobleme in Deutschland.
Die letzten Jahre haben uns auch gezeigt, dass es völlig egal ist, welche Parteien gerade an der Regierung sind: Die Klimaziele im Verkehrsbereich wurden von Ihnen allen verfehlt.
(Beifall bei Abgeordneten der Linken)
Das erlebe ich so, seit ich selbst ein Kind war: Politik im Verkehrsministerium wird nach den Interessen ganz weniger gemacht.
(Henning Rehbaum [CDU/CSU]: Aha!)
Da Sie den Tempowahnsinn auf unseren Autobahnen weiterhin verteidigen, obwohl er jedes Jahr Menschenleben kostet und massiv CO2 verbraucht wird, stellt sich mir die Frage: Für wen machen Sie eigentlich Politik, Herr Schnieder?
(Beifall bei der Linken – Henning Rehbaum [CDU/CSU]: Für die Menschen!)
Für die Autolobby! Für Porschefahrer! Für Privatjetflieger wie Friedrich Merz und für Verkehrsrowdys wie Armin Laschet! Sie machen Ihre Politik sicher nicht für die Millionen arbeitenden Menschen, die jeden Tag pendeln müssen und sich das teurer werdende Deutschlandticket nicht leisten können, sicher nicht für die Menschen, die tagtäglich erleben, wie überfüllt die S-Bahnen sind oder wie sie ganz ausfallen und wie dreckig die Bahnhöfe aussehen. Und wie schwer der Zugang für Menschen mit Rollstuhl, Rollator oder Kinderwagen ist, wenn der Aufzug kaputt ist und man nicht einmal zum Bahnsteig gelangen kann, interessiert Sie auch nicht.
Stark befahrene Straßen kennen die meisten von Ihnen nur vom Rücksitz einer Dienstlimousine.
(Lachen des Abg. Michael Donth [CDU/CSU])
Ich hingegen bin als Kind eines italienischen Gastarbeiters und einer italienischen Gastarbeiterin aufgewachsen in einer kleinen Wohnung ohne Garten und mit wenig Grün. Dafür gab es umso mehr Verkehr, Lärm und Schmutz. Und so wohnt im Übrigen ein Großteil unserer Bevölkerung. Das sind meist Menschen mit wenig Geld, darunter viele Migrantinnen und Migranten, und alle zahlen viel zu viel für ihre Miete. Von der Realität der Mehrheit der Bevölkerung bekommt man aber auch nichts mit, wenn man, wie Jens Spahn, in einer eigenen Villa mit Garten neben einem Park wohnt.
(Beifall bei der Linken – Stephan Stracke [CDU/CSU]: Da ist der Klassenkampf wieder da! – Zurufe von der CDU/CSU und der AfD: Oh!)
Autos mit Verbrenner verursachen viel Feinstaub und Stickoxide. Zu viele von diesen Autos machen Menschen krank. Als Kind habe ich das selbst erlebt und Asthma bekommen; denn wir waren als Kinder viel draußen auf der Straße, weil es in unserer kleinen Wohnung für mich und meine Brüder nur ein Zimmer gab und es zu eng war.
Was Sie, Herr Schnieder, Verkehrspolitik nennen – Sie haben es gerade vorgestellt –, ist ein Sicherheitsrisiko. Klar fühlen Sie sich in einem dicken SUV auch mit 200 Sachen auf der linken Spur der Autobahn sicher. Aber echte Sicherheit heißt, dass ich mit meiner kleinen Tochter durch die Stadt laufen kann, ohne beim Überqueren jeder Kreuzung Angst um ihr Leben haben zu müssen.
(Beifall bei der Linken)
Sicherheit heißt, dass nicht jedes Jahr Tausende Menschen im Straßenverkehr sterben, weil Sie, Herr Minister Schnieder, und Ihre Vorgänger nicht den Mut haben und hatten, ein generelles Tempolimit auf Autobahnen und in Städten einzuführen. Tempo 30 in Städten und Tempo 120 auf Autobahnen erhöht die Sicherheit. Tempolimits, die in jedem anderen Land längst eine Selbstverständlichkeit sind!
(Beifall bei der Linken)
Ich sage Ihnen ganz klar: Ich werde Ihre Amtszeit auch an der Zahl der Verkehrstoten messen. Nicht an schönen Worten. Nicht an Autogipfeln. An Taten! Und wenn Sie und die Koalition sich weigern, Verantwortung zu übernehmen, dann werde ich Sie täglich an die Verkehrstoten in unserem Land erinnern. Auf dass die Menschen, die das Land am Laufen halten, endlich eine Verkehrspolitik bekommen, die die Umwelt, das Klima, ihre Gesundheit schützt und ihnen die echte Freiheit gibt, die sie verdienen!
Vielen Dank.
(Beifall bei der Linken)