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35 Jahre Deutsche Einheit - Wer hat wirklich profitiert?

Rede von Mandy Eißing,

Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Ich war damals 14 Jahre alt. Auf dem Foto der Einheit, das ich von damals im Kopf habe: nur Westdeutsche. 35 Jahre später habe ich ein Déjà-vu: in Saarbrücken wieder nur Westdeutsche.

Das war damals eine Zeit des Aufbruchs, vor allem aber eine Zeit der Brüche und der Entwertung von Biografien vieler Ostdeutscher. Sie, Herr Bundeskanzler, sprachen am Tag der Deutschen Einheit lieber über die angeblich durch Migration ausgelöste Spaltung der Gesellschaft, statt die reale Ungleichheit zu benennen, die vor allem Ihre CDU in den letzten 35 Jahren billigend in Kauf genommen hat.

(Beifall bei der Linken)

35 Jahre Einheit: Das sind 35 Jahre weniger Lohn, weniger Rente, 35 Jahre westdeutsche Dominanz in Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, ich frage Sie: Wie westdeutsch kann ein Antrag zur Einheit aussehen?

(Beifall bei der Linken sowie der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Er ist voller blinder Flecken. Kein Wort dazu, dass nach aktuellen Studien drei Viertel der Menschen im Osten ihre Lebensverhältnisse als nicht gleichwertig empfinden. Glauben Sie, das ist alles Einbildung? Lassen Sie mich eins klarstellen: Ostdeutsch zu sein, ist kein Makel. Wir fordern Anerkennung von Lebensleistung, Respekt und Augenhöhe.

Der wahre Skandal Ihres Antrags ist, dass Sie die Leistung der Ostdeutschen ignorieren, die trotz Massenarbeitslosigkeit und Treuhandpolitik zu dem beigetragen haben, was Sie heute bejubeln wollen. Ich komme aus Thüringen, und wir sehen ein Phänomen immer wieder: Große westdeutsche Konzerne produzieren in unseren Kommunen, zahlen aber ihre Unternehmensteuern im Westen. Die Folge: Unsere Städte und Gemeinden gehen leer aus. Das ist nicht nur Ungleichheit, das ist Ausplünderung.

(Beifall bei der Linken)

Unsere Kommunen müssen auf die Beine kommen. Wir müssen ihre Altschulden radikal streichen. Das Geld gehört in Schulen, Kindergärten und Öffis. Schluss mit der Sparwut! Wir müssen unsere Standorte stärken, die Strompreise spürbar senken. Wir müssen das mitteldeutsche Chemiedreieck vor dem nächsten Kahlschlag retten und den Osten als Wasserstoffregion fördern. Das ist doch alles eine Never-ending Story.

(Beifall bei der Linken)

Wenn es jetzt noch so niedrige Löhne im Osten gibt, bedeutet das in 30 Jahren weiterhin niedrigere Renten. Wann, bitte schön, wollen Sie die Einheit denn endlich mal vollziehen? Wann? Sagen Sie es mir!

(Beifall bei der Linken sowie der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Zuruf des Abg. Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU])

Die Löhne müssen rauf – 15 Euro Mindestlohn und flächendeckende Tarifverträge –, damit endlich gleicher Lohn für gleiche Arbeit gezahlt wird in Ost und West.

(Beifall bei der Linken)

Und dann können wir uns vielleicht zum 40. Jahrestag auf Augenhöhe begegnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)