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Für ein echtes Tariftreuegesetz - Lohndumping mit Steuergeld stoppen!

Rede von Pascal Meiser,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir alle – auch Sie alle – wissen: Gute Arbeitsbedingungen und anständige Löhne haben wir zum Teil hart erkämpften Tarifverträgen zu verdanken. Doch immer mehr Unternehmen entziehen sich ihrer sozialen Verantwortung und verschaffen sich mit Tarifflucht schmutzige Wettbewerbsvorteile. Besonders fatal ist es, wenn auch noch der Staat von dieser Entwicklung profitiert und öffentliche Aufträge ausgerechnet an die Unternehmen gehen, die Lohndumping betreiben und so in der Lage sind, ihre Konkurrenz auszustechen. Mit diesem anhaltenden Missstand muss jetzt endlich Schluss gemacht werden!

(Beifall bei der Linken)

Denn wer öffentliche Straßen und Gebäude baut, wer diese Gebäude bewacht und reinigt und wer öffentliche Einrichtungen beliefert, der hat es verdient, dass seine Arbeit mit Respekt behandelt und anständig bezahlt wird – übrigens auch hier im Deutschen Bundestag. Deshalb ist es auch längst überfällig, dass die Bundesregierung nun endlich ein Gesetz vorlegt, um öffentliche Aufträge des Bundes an die Zahlung von Tariflöhnen zu koppeln. Genau das haben wir als Linke hier in diesem Haus in den letzten 20 Jahren übrigens immer wieder gefordert, und vielleicht hätte der Sinkflug der Tarifbindung ein wenig gebremst werden können, wenn Sie zumindest hier einmal etwas früher auf uns gehört hätten.

(Beifall bei der Linken)

Gerade in Anbetracht der geplanten Milliardenausgaben in die Infrastruktur, die jetzt anstehen, ist es aber entscheidend, dass wir auch tatsächlich ein umfassend wirksames Tariftreuegesetz bekommen. Umso bedauerlicher ist es, dass der vorliegende Gesetzentwurf noch große Schwachstellen aufweist, wie es Ihnen ja auch der Deutsche Gewerkschaftsbund ins Stammbuch geschrieben hat, Frau Bas.

Erstens. Fangen wir mit dem viel zu stark eingeschränkten Anwendungsbereich an. Lieferleistungen – man muss das Kleingedruckte lesen – sollen de facto weitestgehend ausgeschlossen werden, es sei denn, es handelt sich um spezielle Anfertigungen für einen speziellen Auftraggeber. Auch bei allen Dienstleistungs- und Bauaufträgen soll das neue Gesetz erst ab einem Wert von 50 000 Euro greifen, in einzelnen Bereichen sogar erst ab 100 000 Euro. Allein dadurch dürfte mindestens ein Drittel der Aufträge des Bundes außen vor bleiben, wie die Antwort auf eine schriftliche Frage von mir gezeigt hat.

Für die Deckung der Bedarfe der Bundeswehr, selbst der zivilen, soll das Gesetz allen Ernstes bis 2032 überhaupt keine Anwendung finden, also gerade in dem Bereich, in dem in den kommenden Jahren das meiste Geld fließen soll. Das ist doch absurd, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der Linken sowie der Abg. Ricarda Lang [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Man muss es leider so deutlich und auch so hart sagen: Wenn es um Aufrüstung geht, scheint Lohndumping offenbar auch für die SPD plötzlich kein Problem mehr zu sein. Und das ist wirklich zutiefst beschämend.

Doch das Gute ist: Sie können das alles noch ändern und zeigen, dass Sie an dieser Stelle ausnahmsweise mal Rückgrat haben.

Zweitens. Warum, Frau Bas, soll das Tariftreueversprechen nicht auch für die wöchentliche Arbeitszeit und den Urlaubsanspruch gelten? Es ist jedenfalls für die ersten beiden Monate der Auftragserledigung vorgesehen, dass das nicht gelten soll. Dass so tarifgebundene Unternehmen mit einer niedrigeren Wochenarbeitszeit gegenüber ihrer nicht tarifgebundenen Konkurrenz weiter benachteiligt bleiben, liegt doch auf der Hand, meine Damen und Herren. Und auch da muss dringend nachgebessert werden.

(Beifall bei der Linken)

Drittens. Zu einem echten Tariftreuegesetz gehört vor allem, dass es am Ende nicht nur auf dem Papier existiert, sondern dass das Gesetz auch tatsächlich in der Praxis wirkt und nicht mal eben umgangen werden kann. Deshalb ist es gut – das sage ich ausdrücklich –, dass zur Kontrolle der Einhaltung dieses Gesetzes auch eine spezielle Prüfstelle geschaffen werden soll. Es genügt jedoch nicht – und das wissen Sie auch, Frau Bas –, dass diese erst bei expliziten Hinweisen auf Verstöße tätig wird. Das zeigen alle Erfahrungen mit den bestehenden Tariftreueregelungen in den Bundesländern. Es braucht dringend auch verdachtsunabhängige und robuste Vor-Ort-Kontrollen. Wer die Realität auf den Baustellen dieses Landes kennt, der weiß das, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der Linken)

Es bleibt genauso unverständlich, warum diese neue Prüfstelle bei Verstößen nicht selbst Sanktionen verhängen soll, sondern dies bestenfalls gegenüber den Vergabestellen anregen können soll. Es ist doch wirklich mal überflüssige Bürokratie, dass dafür erst extra ein internes Verfahren gestartet werden muss. Die Prüfstelle muss Sanktionen bei Verstößen auch selbst direkt verhängen können.

(Beifall bei der Linken sowie der Abg. Ricarda Lang [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Viertens. Natürlich muss das Tariftreueversprechen auch für Subunternehmen und eingesetzte Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter gelten, die im Rahmen der Auftragserledigung eingesetzt werden, und es ist gut, dass das so eindeutig im vorliegenden Gesetzentwurf festgeschrieben ist. Doch was Sie vorne aufbauen, reißen Sie hinten gleich wieder ein. Anders kann man es wohl kaum bezeichnen, wenn man sich anschaut, dass ausgerechnet diese Subunternehmen und Leiharbeitsfirmen von jeglichen Dokumentationspflichten freigestellt werden sollen. Dass das so eine völlig verrückte Konstruktion ist, weiß man natürlich auch im Arbeitsministerium. Das sieht man auch daran, dass solche Dokumentationspflichten, als das Ministerium im letzten Jahr den ersten Entwurf für ein solches Gesetz vorgelegt hat, noch klipp und klar festgeschrieben waren. Doch offenkundig hat die Lohndumpinglobby im Hintergrund so lange erfolgreich lobbyiert, bis diese wichtige Regelung gestrichen wurde. Und das ist wirklich bezeichnend.

(Beifall bei der Linken)

Ich appelliere daher wirklich nachdrücklich an Sie: Lassen Sie nicht sehenden Auges zu, dass dieses Gesetz durch Leiharbeit und windige Subunternehmen umgangen wird, bloß weil für diese keinerlei Dokumentationspflichten vorgesehen sind!

Meine Damen und Herren, Sie von der Union und Sie von der SPD stehen jetzt vor der Entscheidung: Meinen Sie es wirklich ernst mit Ihrem Versprechen, dass sich harte Arbeit lohnen soll, und wollen Sie wirklich, dass der Bund als öffentlicher Auftraggeber hier mit gutem Beispiel vorangeht, oder soll das alles nur auf dem Papier stehen und eine Placeboaktion werden? Wenn Sie es ernst meinen, dann sorgen Sie jetzt auch dafür, dass aus dem vorgelegten Gesetzentwurf wirklich ein umfassend wirksames Tariftreuegesetz wird, sodass künftig alle, die öffentliche Aufträge des Bundes und seiner Behörden erledigen, dafür auch tatsächlich anständig bezahlt werden und sodass diejenigen Unternehmen, die anständig nach Tarif bezahlen – und von denen gibt es viele in diesem Land; da hat Herr Oellers völlig recht –, deswegen bei der öffentlichen Auftragsvergabe nicht länger benachteiligt werden! Wir als Linke helfen Ihnen dabei im weiteren Gesetzgebungsverfahren gerne weiter auf die Sprünge.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken sowie der Abg. Ricarda Lang [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])