Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Man kann es wirklich nicht oft genug sagen: Gute Arbeitsbedingungen und anständige Löhne fallen nicht vom Himmel, sondern die haben wir oftmals nur langjährigen Kämpfen um anständige Tarifverträge zu verdanken. Auch heute noch verdienen Beschäftigte mit Tarifvertrag im Schnitt über 30 Prozent mehr als Beschäftigte, die nicht unter den Schutz eines Tarifvertrages fallen. Doch während vor 25 Jahren noch fast drei Viertel der Beschäftigten in tarifgebundenen Unternehmen und Betrieben arbeiteten, sind es heute kaum mehr als die Hälfte. Denn immer mehr Unternehmen entziehen sich ihrer sozialen Verantwortung und verschaffen sich mit Lohndumping schmutzige Wettbewerbsvorteile, ja, auch zulasten derjenigen Unternehmen, die weiter Tarifverträge abschließen. Das ist eine fatale Entwicklung. Dem dürfen wir alle gemeinsam nicht tatenlos zusehen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der SPD)
Man muss es aber so deutlich sagen: Das alles ist zugleich – das tut dem ein oder anderen vielleicht weh – eine beschämende Bilanz all derer, die in den letzten 25 Jahren in unserem Land in den unterschiedlichsten Konstellationen die Regierung gestellt haben. Denn wer mutwillig – mutwillig! – die Durchsetzungsmacht der Gewerkschaften schwächt, der darf sich am Ende nicht über die Erosion des Tarifvertragssystems beklagen. So ist es auch kein Wunder, dass Deutschland, das ehemalige Musterland der Sozialpartnerschaft, aktuell weit hinter die gemeinsame europäische Zielvorgabe einer Tarifbindung von über 80 Prozent zurückfällt, und das ist beschämend. Dringend notwendig ist daher ein Aktionsplan und ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Stärkung der Tarifbindung. Das heißt:
Erstens. Tarifflucht muss erschwert werden.
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Schlupflöcher, die es erlauben, sich durch Umstrukturierungen und bei Betriebsübergängen von heute auf morgen aus einem geltenden Tarifvertrag zu stehlen, müssen geschlossen werden. Tarifverträge müssen auch in diesen Fällen uneingeschränkt weitergelten.
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Zweitens. Wie kann es sein, dass Arbeitgeberverbände Mitglieder in ihren Reihen haben, die sich keiner Tarifbindung unterwerfen wollen, ansonsten aber alle Privilegien einer Verbandsmitgliedschaft genießen?
(Heidi Reichinnek [Die Linke]: Skandal!)
Diese Trittbrettfahrerei über sogenannte OT-Mitgliedschaften muss durch eine eindeutige gesetzliche Klarstellung endlich unterbunden werden.
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Drittens. Ein stabiles Tarifvertragssystem kommt nicht ohne das Instrument der Allgemeinverbindlicherklärung aus. Doch auch die Anzahl der allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge ist drastisch gesunken. Deshalb: Erleichtern Sie endlich das Antragsverfahren, damit Flächentarifverträge auch gegen die Blockadehaltung der Arbeitgeberverbände wieder leichter auf eine ganze Branche erstreckt werden können!
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Viertens. Der Staat muss mit gutem Beispiel vorangehen. Wer von öffentlichen Aufträgen des Bundes profitieren will, muss nach Tarif bezahlen. Und ja, es ist gut, dass die Bundesregierung zumindest hier tätig werden will. Aber wenn Sie zugleich im Hintergrund darüber verhandeln, einzelne Sektoren auszunehmen, freihändige Vergaben auszuweiten und die Kontrollen auf ein Minimum zu beschränken, dann droht Ihr Tariftreuegesetz zu einem Placebo zu werden. Deshalb klingeln hier nicht nur bei den Gewerkschaften gerade zu Recht die Alarmglocken.
(Beifall bei der Linken)
Meine Damen und Herren, wer – zu Recht – immer wieder auf das hohe Gut der Tarifautonomie pocht, der muss dafür auch die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen. Wenn Sie es ernst meinen mit der Stärkung der Tarifbindung, dann müssen Sie jetzt entsprechend handeln. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Wir helfen gerne. Schauen Sie sich an, was wir vorgelegt haben! Ich freue mich auf die weitere Debatte.
Vielen Dank.
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)