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KI? Nicht um jeden Preis!

Rede von Sonja Lemke,

Sehr geehrte Zuhörende! Frau Präsidentin! Zum x-ten Mal reden wir heute über die Hightech Agenda. Man könnte meinen, es wäre im deutschen Wissenschaftssystem ansonsten alles super: Die Gebäude sind saniert und im neuesten Zustand, das BAföG ist für alle zugänglich und reicht aus, um das Leben zu finanzieren, es gibt eine gute Grundfinanzierung der Universitäten und Forschungseinrichtungen, die Arbeitsbedingungen sind top, niemand missbraucht seine Machtposition, und dem Forschungsministerium ist daher so langweilig, dass es nichts anderes zu tun hat, als sich neue Schlüsseltechnologien zu definieren, in denen man jetzt doch noch ein bisschen besser werden muss.

(Beifall bei Abgeordneten der Linken – Adam Balten [AfD]: Und Einhörner fliegen durch die Luft!)

Man will modern sein, ganz vorne mitspielen, ohne Rücksicht darauf, ob es gesellschaftlich sinnvoll ist und ob Menschen das überhaupt für wünschenswert erachten.

(Beifall bei der Linken)

Nehmen wir das Beispiel KI. Für die KI sollen jetzt jede Menge Rechenzentren gebaut werden. Aber diese Dinger tun vor allen Dingen eins: Sie fressen eine Menge Strom.

(Florian Müller [CDU/CSU]: Ach! Und ansonsten haben sie keinen Nutzen? – Ronja Kemmer [CDU/CSU]: Sie wollen wieder in die Steinzeit!)

In aktuellen Umfragen wünschen sich deshalb zwei Drittel der Menschen, dass sie nur genehmigt werden, wenn extra dafür neue erneuerbaren Energien geschaffen werden – also gerade nicht Technologie um jeden Preis, sondern unter Einhaltung sozialökologischer Verträglichkeit. Und was macht die Bundesregierung? Sie kündigt als Maßnahme des Bürokratierückbaus an, Energieeffizienzvorschriften für Rechenzentren abzuschwächen. Dabei sind sie jetzt schon ein Witz, und der technische Stand ist längst weiter.

(Beifall bei der Linken)

Und wofür werden die KIs in den Rechenzentren dann genutzt? Es gibt einen Markt, sagen Sie; aber verschiedene Studien belegen bereits, dass KI keinen Effizienzgewinn bei Unternehmen bringt.

(Ronja Kemmer [CDU/CSU]: Bitte? Was ist das für eine Studie?)

Statt schneller zu sein, verwenden Menschen ihre Arbeitszeit darauf, fehlerhafte und ungenaue KI-Aufgaben zu korrigieren. Es deutet sich an, dass OpenAI und andere KI-Unternehmen völlig überbewertet sind. Sie fahren gerade massive Verluste ein. Es ist eine Blase, die jetzt bald platzt.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Und trotzdem will die Bundesregierung weiter investieren. Das ist nicht nur Energie- und Ressourcenverschwendung, das ist auch ökonomischer Unfug.

(Beifall bei der Linken – Florian Müller [CDU/CSU]: Ja, vielleicht sollten wir das mit der KI einfach lassen!)

Das Schlimme ist ja, dass die komplette Bundesregierung auf die Versprechungen der Industrie reinfällt – und das nicht nur beim Thema KI.

(Florian Müller [CDU/CSU]: Da würden wir mit den Linken keine Sorgen haben!)

Symptomatisch dafür haben sowohl Digitalminister Wildberger als auch Frau von der Leyen den Unfug wiederholt, dass KI schon so weit sei, dass sie der menschlichen Intelligenz gleichkommt oder diese sogar übertrifft. Wir reden von einem rein statistischen Verfahren, das lediglich Sprache simuliert. Dabei können schlaue Sätze herauskommen; aber das hat nichts damit zu tun, dass Sinn verstanden wird oder Intelligenz oder gar Kreativität dahintersteckt. Dass sich der Digitalminister nicht die wissenschaftliche Expertise einholt, die ihm diese simplen Fakten geradezieht, ist wirklich ein Armutszeugnis.

(Beifall bei der Linken)

Hinzu kommt auch noch: Sie machen sich keinerlei Gedanken darüber, wo wir Menschen vor den Gefahren schützen müssen, die KI mit sich bringt. Denn die KI wird auf riesigen Datenmengen trainiert und gibt einfach nur die Muster wieder, die sie in diesen Daten findet. Und das ist eine Gefahr, weil in den meisten großen Datensätzen gesellschaftliche Vorurteile stecken.

(Stephan Albani [CDU/CSU]: Das ist in unserem Gehirn nichts anderes!)

Wenn zum Beispiel Frauen, schwarze Menschen oder Menschen mit Behinderungen in den Daten unterrepräsentiert oder, noch schlimmer, verzerrt dargestellt sind, dann verstärkt die KI genau diese gesellschaftlichen Vorurteile und diskriminiert diese Personen. Dieses Problem muss doch zentral sein, wenn wir über KI reden; denn es ist die Verantwortung von Politik, gerade benachteiligte Gruppen besonders zu schützen.

(Beifall bei der Linken – Florian Müller [CDU/CSU]: Sie können ja mal einen Antrag schreiben!)

Hinzu kommt: Für die KI werden massenhaft Texte und Bilder ohne Erlaubnis verarbeitet. Autorinnen und Autoren und Künstlerinnen und Künstler erhalten keine Entschädigung und müssen dann auch noch befürchten, dass die Ergebnisse benutzt werden, um ihre Arbeit zu ersetzen. Es werden massenhaft persönliche Daten verarbeitet und in ein System gesteckt, das dauerhaft Falschinformationen produziert und das Internet mit Blödsinn füllt.

(Stephan Albani [CDU/CSU]: Das ist mit natürlicher Intelligenz dasselbe! Liest du Blödsinn, redest du Blödsinn!)

Und wenn die Daten einmal in der KI sind, dann kann man sie da nicht mehr herausholen.

Doch statt ihre Bürger/-innen zu schützen, will die Bundesregierung auf europäischer Ebene den Datenschutz noch weiter aufweichen.

(Ronja Kemmer [CDU/CSU]: Zu wenig Datenschutz in Deutschland? Das ist unser größtes Problem?)

Es sollen persönliche Daten für das KI-Training freigegeben werden, und die gerade erst verabschiedete KI-Verordnung soll entkernt werden. Entbürokratisierung nennen Sie das; aber es ist Grundrechtsabschaffung. Denn das Recht auf Privatsphäre ist ein Grundrecht, und es ist eine Frechheit, dass Sie das Unternehmensprofiten opfern wollen.

(Beifall bei der Linken)

Was beim Thema KI immer vergessen wird: Es reicht nicht, einen Haufen Daten zu haben und den in das KI-Training zu schmeißen. Der Haufen Daten muss vorher strukturiert und mit Labeln versehen werden. Das erledigen gerade prekär beschäftigte Data-Labeler/-innen, meist in Ländern des Globalen Südens wie Kenia, die für unter 2 Dollar die Stunde diese Daten annotieren. Da geht es nicht nur darum, gesamte Straßenzüge für das autonome Fahren zu erfassen, sondern auch um unsere persönlichen Daten, die dann auf deren Privatrechnern verarbeitet werden. Und sie müssen sich die schlimmsten Texte und Bilder aus dem Internet anschauen – und das über zehn Stunden am Tag und ohne jegliche psychologische Betreuung. Wenn wir von KI reden, dann müssen wir auch von diesen Menschen reden. Doch davon steht kein Wort in Ihrer Hightech Agenda. Aber ihre Arbeitsbedingungen und die Frage der globalen Lieferketten sind doch zentral; denn genau da geht es um soziale Verantwortung.

(Beifall bei der Linken)

Das, was wir im Bereich KI brauchen, ist eine klare Transparenz bei allen KIs, mit welchen Daten sie trainiert wurden, wo die Daten herkamen und wo sie gelabelt wurden. Es braucht faire Arbeitsbedingungen entlang der gesamten Lieferkette. Wir müssen energiesparende und regelbasierte Algorithmen bevorzugen. Wir brauchen den Schutz unserer persönlichen Daten und den Schutz der menschlichen Kreativität. Es muss bei allen Themen der Hightech Agenda eine ehrliche Kosten- und Nutzenrechnung für die Gesellschaft geben, die vor allen Dingen die sozialökologischen Kosten in den Blick nimmt.

Damit und mit den konkreten Problemen im Wissenschaftssystem, von den Arbeitsbedingungen bis hin zum Sanierungsstau, gibt es genug zu tun. Also, unterbrechen Sie Ihre Mondreisen, und kümmern Sie sich darum!

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)