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Chatkontrolle Stoppen!

Rede von Sonja Lemke,

Herr Präsident! Sehr geehrte Zuhörende! Zunächst zum AfD-Antrag: Der ist zu spät. Sowohl der Antrag der Linken als auch der Antrag der Grünen wurden bereits letzte Woche in die Ausschüsse überwiesen. Der jetzt vorliegende Antrag ist inhaltlich so dünn, dass man einfach merkt, dass Sie von dem Thema keine Ahnung haben und er der schäbige und verzweifelte Versuch ist, sich an eine Bewegung heranzuwanzen, die nichts mit Ihnen zu tun haben will.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Denn die AfD hat ja gar kein Problem mit Gewalt und Überwachung. Sie wollen ja den autoritären Staat zurück. Also tun Sie hier auch nicht so scheinheilig!

(Beifall der Abg. Violetta Bock [Die Linke] – Tobias Ebenberger [AfD]: Sprechen Sie jetzt von sich und der Antifa, Frau Lemke? Nicht verwechseln! Ein erheblicher Unterschied zwischen uns!)

Aber nun zum eigentlichen Thema: Chatkontrolle. Wenn die Chatkontrolle kommt, dann wird jede Nachricht, die verschickt wird, gescannt und auf strafbare Inhalte geprüft, egal ob an Freundinnen und Freunde, an die Familie oder im Austausch mit Anwältinnen und Anwälten, Journalistinnen und Journalisten. Es ist das Ende der vertraulichen Kommunikation und ein massiver Eingriff in unsere Privatsphäre.

(Dr. Konrad Körner [CDU/CSU]: Frau Lemke, kein Mensch will das!)

Zu Recht gab es deswegen einen riesigen Aufstand in der Zivilgesellschaft. Eine Petition schaffte es innerhalb 48 Stunden auf über 300 000 Unterschriften. 160 000 Mails gingen im Ministerium ein, unzählige weitere bei uns Abgeordneten. Das zeigt, wie wehrhaft unsere Zivilgesellschaft ist und wie laut sie für unsere Grundrechte kämpft.

Deswegen hat die Bundesregierung sich nun, nach viel zu langem Zögern, gegen die anlasslose Chatkontrolle ausgesprochen. Da sind Sie in Ihrem Wording sehr vorsichtig und achten darauf, dass jedes Mal ein „anlasslos“ dabei ist. Was aber ein Anlass sein kann, das lassen Sie offen, und das machen Sie auch sehr bewusst.

(Dr. Konrad Körner [CDU/CSU]: So was muss im Gesetz stehen!)

Vom BMI hören wir sogar, dass Client-Side-Scanning kein Bruch der Verschlüsselung und damit okay ist, wenn man nur auf bekanntes strafbares Material prüft. Es sei ja nur ein Hash-Wert, der dort verglichen wird. Dass aber allein durch die technische Umsetzung die Tür offen ist, die Nachrichten auf alle möglichen Inhalte zu überprüfen, das verschweigen Sie lieber.

(Zuruf des Abg. Dr. Konrad Körner [CDU/CSU])

Was mich wirklich wütend macht, ist, dass immer wieder sexuelle Gewalt an Kindern vorgeschoben wird, um die Chatkontrolle zu rechtfertigen. Wenn es Ihnen auch nur einen Deut um Kinder ginge,

(Dr. Konrad Körner [CDU/CSU]: Wollen Sie das jetzt ernsthaft hier jemandem unterstellen? Das ist doch eine Frechheit! Das ist eine Unverschämtheit, Frau Lemke!)

dann würden Sie sich dafür einsetzen, dass die Jugendämter endlich vernünftig ausgestattet werden, dann würden Sie sich dafür einsetzen, dass es genug Kindergärten, genug Lehrer/-innen, genug Schulsozialarbeiter/-innen gibt, dass die Jugendhilfe funktioniert,

(Dr. Katja Strauss-Köster [CDU/CSU]: Was haben denn Kindergärten mit Kindesmissbrauch im Netz zu tun?)

dann würden Sie endlich mal die schon bestehenden Möglichkeiten nutzen, über Filehoster geteiltes illegales Bildmaterial schnell zu löschen. Aber all das machen Sie nicht,

(Beifall bei Abgeordneten der Linken)

weil Ihnen Kinder scheißegal sind –

(Dr. Konrad Körner [CDU/CSU]: Ey! – Dr. Martin Plum [CDU/CSU]: Das ist eine Unverschämtheit, eine Frechheit! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

– und sie nur als absolut schäbige Ausrede dienen, die Massenüberwachung einzuführen. Keinem Kind ist mit Chatkontrolle geholfen. Keine einzige Gewalttat wird dadurch verhindert.

(Dr. Katja Strauss-Köster [CDU/CSU]: Meinen Sie, mit einem Kindergartenplatz wird das verhindert? – Dr. Konrad Körner [CDU/CSU]: Das stimmt auch nicht!)

Die Entscheidung zur Chatkontrolle wurde nur verschoben. Die Chatkontrolle ist leider noch nicht vom Tisch. Die gleichen Vorschläge werden wieder und wieder kommen. Aber wir kämpfen weiter für das Recht auf private Kommunikation, und wir werden auch weiter laut sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken – Tobias Ebenberger [AfD]: Hoffentlich werden Sie nie wieder in Regierungsverantwortung kommen!)