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Moderne Verwaltung braucht keinen gläsernen Menschen

Rede von Sonja Lemke,

Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Präsident! Heute reden wir über einen Staatsvertrag zum Once-Only-Prinzip – an sich ein sinnvolles Anliegen. Niemand will Bescheide mehrfach einreichen oder von einem Amt zum anderen tragen, Unterlagen zusammensuchen und immer wieder die gleichen Angaben machen. In solchen Fällen soll man nun der einen Behörde erlauben können, direkt auf die Informationen der anderen zuzugreifen.

Nur, warum ist dieser Staatsvertrag dann nicht genau auf diesen Anwendungsfall zugeschnitten? Die Person, die eine Verwaltungsleistung in Anspruch nimmt, kommt im Text kein einziges Mal vor. Hier ist nur die Rede von behördlichen Stellen, die Daten anfordern oder abrufen. Wenn es darum geht, es für die Menschen einfacher zu machen, dann müssten sie doch die volle Kontrolle über ihre Daten haben. Sie müssten selber entscheiden können, welche Behörde ihre Daten hat und welche nicht. Aber genau dazu steht kein Wort im Staatsvertrag. Dabei müsste genau das im Zentrum stehen.

(Beifall bei der Linken)

Die Bundesdatenschutzbeauftragte warnt völlig zu Recht vor einer möglichen Ausweitung in die Eingriffsverwaltung. Sie kritisiert, dass es dann möglich wäre, dass Behörden selbst die Datenübermittlung veranlassen. Dann steht die Tür auch offen dafür, dass Sicherheitsbehörden zusammenführen. Und das rückt uns alle unter Generalverdacht. Auch die Nutzung für die Privatwirtschaft wird vom Ex-Bundeskanzler und den Regierungschefinnen und -chefs der Länder sogar explizit gefordert. Auch da sind Datenabfluss und Datenmissbrauch wahrscheinlich. Das kann es doch nicht sein!

(Beifall bei der Linken)

Das Ganze gliedert sich ein in ein jahrelanges Projekt von Bund und Ländern, die sogenannte Registermodernisierung, um Datenbestände der öffentlichen Hand besser miteinander zu verbinden. Noch mal: Das Anliegen ist legitim, fatal sind die gewählten Mittel. Es wurde beschlossen, die Steuer-ID als einheitliches Personenkennzeichen quer über alle Datenbanken zu setzen, entgegen allen Warnungen von Fachleuten und obwohl es dazu jede Menge Alternativen gibt. Das ist ein Sicherheitsrisiko und verfassungsrechtlich unhaltbar.

(Beifall bei der Linken)

Ja, die Verwaltungsdigitalisierung ist in Deutschland jahrzehntelang verschleppt worden; aber schuld daran ist nicht der Datenschutz, auch wenn manche uns das einreden wollen. Datenschutz steht nicht im Widerspruch zu einer effizienten Verwaltung, wenn er von Anfang an berücksichtigt wird. Wenn Sie Ihr Haus ohne Fenster planen und bauen und dann ganz zum Schluss welche hineinkloppen müssen, würden Sie auch nicht glauben, dass Fenster das Häuserbauen unmöglich machen.

Also: Gehen Sie die Registermodernisierung und alles, was dazu gehört, von Grund auf neu an! Sorgen Sie für ein strukturell hoch angelegtes Datenschutzniveau! Was passiert, wenn der Zugang zu Verwaltungsdaten in die falschen Hände kommt, sehen wir gerade auf der anderen Seite des Atlantiks, und wir wissen das auch aus unserer Geschichte. Das Letzte, was wir jetzt brauchen, ist ein schlüsselfertiger Überwachungsstaat.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)