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Schwarz-Rot geht Probleme der Wissenschaft nicht an

Rede von Sonja Lemke,

Sehr geehrte Zuhörende! Frau Präsidentin! Nachdem wir den Haushalt 2025 sehr verspätet beraten haben, reden wir jetzt endlich über einen in die Zukunft gerichteten Haushalt. Wir können also erwarten, dass wir in diesem Haushalt sehen können, was tatsächlich die Prioritäten der Bundesregierung sind und wie die Regierungsfraktionen ihre Akzente in den Haushaltsverhandlungen gesetzt haben. Und das haben Sie erreicht: Mittel in Milliardenhöhe sind gesperrt, weil Sie es im letzten halben Jahr nicht hinbekommen haben, ein ausreichendes Konzept für die Verwendung vorzulegen. Na, herzlichen Glückwunsch!

Das betrifft auch Ihr Lieblingsprojekt, die Hightech Agenda, bei der Sie, anstatt sich ernsthaft mit Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft zu befassen, lieber jedem noch so weit hergeholten Versprechen der Industrie hinterherlaufen. Dass die Bundesregierung sich noch ein bisschen damit gedulden muss, irgendwelchen Fusions- und KI-Start-ups Geld hinterherzuschmeißen, das ist vielleicht gar nicht so schlimm.

Aber weil Sie sich weigern, den Kernhaushalt seriös zu finanzieren, indem Sie die Schuldenbremse abschaffen und Superreiche endlich vernünftig besteuern, sondern stattdessen lieber alles in die Rüstung buttern, wurden jetzt auch laufende Projekte ins Sondervermögen verschoben und werden jetzt unter dem Dach der Hightech Agenda finanziert.

Das betrifft auch sinnvolle und wichtige Vorhaben wie beispielsweise die Nationale Forschungsdateninfrastruktur. Dabei sind der Zugriff auf Daten und die Fähigkeit, sie zu verarbeiten, für die Forschung immer wichtiger, und zwar quer durch alle Fachbereiche. Wir erleben gerade, wie durch den Faschismus in den USA wichtige Forschungsdatenbestände massiv gefährdet sind, und auch auf private Firmen kann man sich offensichtlich nicht verlassen. Deshalb ist gerade jetzt Datenrettung entscheidend und der Ausbau einer öffentlichen Dateninfrastruktur wichtiger denn je.

(Beifall bei der Linken)

Es ist also der richtige Moment, die Nationale Forschungsdateninfrastruktur auszubauen und endlich für eine dauerhafte Finanzierung zu sorgen. Und Sie weisen ihr in der Hightech Agenda nicht nur neue Aufgaben zu, ohne 1 Euro mehr an Mitteln bereitzustellen, sondern sorgen mit Ihren Haushaltstricks auch dafür, dass sogar die Finanzierung für 2026 unsicher ist. Das ist ein katastrophales Signal!

(Beifall bei der Linken)

Es ist gut, dass die Ministerin immer wieder betont, wie wichtig ihr Frauengesundheit ist und dass diese sogar in der Hightech Agenda Erwähnung findet. Nur ist es doch eine riesige Leerstelle, wenn wir gerade bei dem Thema Hightech Agenda nicht darüber reden, wie viel Diskriminierung Frauen gerade in den technischen Berufen und im Forschungssystem erfahren. Es reicht nicht, einmal im Jahr einen Girls’ Day zu veranstalten, wenn Frauen im Studium und in der Forschung tagtäglich Sexismus und Belästigung erfahren.

(Beifall bei der Linken)

Es reicht nicht, dass man Frauen für etwas begeistert, wenn sie hinterher aufgrund von vielfältigen Diskriminierungen ihre Entscheidungen bereuen. Und Belästigungen werden durch eine unsichere Arbeitssituation erleichtert. Sie begünstigt Machtmissbrauch von Vorgesetzten. Auch das trifft besonders Frauen, besonders in den Bereichen, wo es eh schon einen geringen Frauenanteil gibt.

Die unsichere Arbeitssituation wird maßgeblich durch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz verursacht. Es benachteiligt besonders Menschen, die schwanger werden können.

(Klaus-Peter Willsch [CDU/CSU]: Sagen Sie doch einfach „Frauen“!)

Denn natürlich überlegt man sich dreimal, ob man in der Wissenschaft bleibt, wenn dadurch eine Familienplanung verunmöglicht wird, weil Perspektiven einfach total unsicher sind.

Dazu benachteiligt es auch Forschende aus dem Ausland, bei denen das Aufenthaltsrecht mit der Arbeitssituation verknüpft ist. Und jede Form von Diskriminierung wird dadurch verschlimmert. Die Abschaffung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes ist nicht nur wichtig für gute Arbeit, gute Forschung und gute Lehre. Sie trägt auch entscheidend zur Gleichstellung bei. Also gehen Sie das jetzt endlich an!

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wie sieht die Situation im Moment aus? Schon im Studium gibt es in Ihren Hightechfeldern einen wahnsinnig geringen Frauenanteil:

(Andreas Mayer [AfD]: Ja, das war schon immer so!)

25 Prozent in der Physik, 22 Prozent in der Informatik und in der Elektrotechnik ganze 15 Prozent – und das im Jahr 2025.

(Nicole Höchst [AfD]: Wollen Sie die alle zwingen, die Frauen?)

Je höher auf der Karriereleiter, desto weiter sinkt der Frauenanteil. Das sehen wir auch in der Wissenschaft deutlich.

Für die Wirtschaft und gerade für die KMUs gibt es weniger genaue Zahlen. Aber dort sieht es wohl noch schlimmer aus, gerade im technischen Bereich. Was dort an Sexismus und Misogynie passiert, das passt wirklich auf keine Kuhhaut.

(Beifall bei der Linken – Lachen bei Abgeordneten der AfD – Adam Balten [AfD]: Erzählen Sie mal! – Zurufe von der AfD: Oah!)

– Seien Sie lieber still! Mit Sexismus kennen Sie sich ja aus.

Wenn Sie das nicht entschieden angehen, dann wird Ihre Hightech Agenda Geschlechterungleichheiten verstärken. Und das hat dann direkte Auswirkungen darauf, wie Technik entwickelt wird, an wen gedacht wird und an wen nicht. Je prekärer die Arbeit in der Forschung ist, je unsicherer die Finanzierung, desto kleiner und elitärer wird der Kreis der Menschen, die es sich leisten können, in der Wissenschaft zu arbeiten. Wenn Sie die Arbeitsbedingungen nicht grundlegend angehen, dann bleibt Wissenschaft eine privilegierte Weiße-Männer-Bude, und das kann es doch nicht sein.

(Beifall bei der Linken – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Was? Bin ich auch schon ein weißer Mann?)

Auch in diesem Haushalt gehen Sie die grundlegenden Probleme des Wissenschaftssystems nicht an. Statt eines Sondervermögens braucht es eine gute, langfristige Grundfinanzierung. Statt eines Weiter-so braucht es endlich gute Arbeitsbedingungen. Statt eines Hangelns von einem Drittmittelprojekt in das nächste braucht es endlich Dauerstellen für Daueraufgaben. Und statt der Hightech Agenda brauchen wir endlich einen Plan für die sozialökologische Transformation.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken – Dr. Götz Frömming [AfD]: Professuren für alle!)