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Diese Regierung macht Klassenkampf von oben!

Rede von Tamara Mazzi,

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen!

(Stephan Brandner [AfD]: Hallo! Hallo! Hallo! Das ist verboten! Was erzählt sie denn da schon wieder? – Stephan Brandner [AfD], an die Präsidentin gewandt: Weisen Sie sie darauf hin?)

Wenn wir heute über den Einzelplan 11 sprechen, dann reden wir nicht über Zahlen in Haushaltstabellen. Wir reden über Menschen. Wir reden über die Rentnerin, die ihr Leben lang gearbeitet hat und trotzdem nicht weiß, wie sie ihre Stromrechnung bezahlen soll. Wir reden über die Tochter, die neben der Arbeit ihre Mutter pflegt und deren Lohn nicht zum Leben reicht. Wir reden über den Vater, der arbeiten will, es aufgrund von körperlichen oder psychischen Erkrankungen aber nicht kann. Wir reden über Leute, die jeden Tag kämpfen müssen, um über die Runden zu kommen. Für diese Menschen hat die CDU/CSU nichts als Verachtung übrig, und die SPD macht mit. Das beweist die Koalition mit diesem Haushaltsentwurf. Während Sie der Rüstungsindustrie und den Superreichen die Taschen weiter vollmachen, gehen arme Menschen leer aus.

Das Bürgergeld soll Armut bekämpfen und gesellschaftliche Ausgrenzung verhindern. Es soll Lebensläufe stabilisieren. Es soll Menschen dabei helfen, ihre Notlagen zu überwinden. Doch es tut genau das Gegenteil. In einer aktuellen Studie wurden Bürgergeldempfänger/-innen zu ihrer Situation befragt. Jeder Zweite gibt an, dass zu Hause nicht alle satt werden. Über die Hälfte der Eltern verzichtet aufs Essen, damit ihre Kinder genug bekommen. Stromnachzahlungen und kaputte Waschmaschinen werden zur Existenzprobe. 77 Prozent empfinden ihre finanzielle Lage als psychisch belastend, und nur 12 Prozent fühlen sich der Gesellschaft zugehörig.

Was macht die Bundesregierung? Sie prügelt weiter auf diese Menschen ein, die eh schon jeden Tag kämpfen müssen. Während Sie sich das zweite Jahr in Folge ganz selbstverständlich die Diäten um 600 Euro im Monat erhöhen, wird es beim Bürgergeld sowohl dieses als auch nächstes Jahr keinen Cent mehr geben. Wie perfide und abgehoben ist das bitte?

(Beifall bei der Linken)

Das ist im Übrigen auch der Grund, warum wir als Linke unsere Erhöhung spenden.

Begleitet wird das Ganze mit einer weiteren erbärmlichen Hetzkampagne gegen Bürgergeldempfänger/-innen. In jeder Talkshow, in jedem Interview der letzten Wochen hört man es immer wieder: Sanktionen, Sanktionen, Sanktionen. – Dabei haben Sie keine Ahnung von den Lebensrealitäten der Betroffenen. Die allermeisten wollen arbeiten. Körperliche und psychische Krankheiten, Angehörige, die gepflegt werden müssen, das Alter oder Qualifizierungen, die nicht anerkannt werden: Die Gründe, warum sie es nicht können, sind vielfältig. Was diese Menschen brauchen, sind neben einer sanktionsfreien Mindestsicherung, die zum Leben reicht, Empathie und Verständnis für ihre oft schwierigen Lebenslagen.

(Beifall bei der Linken)

Sie brauchen individuelle Unterstützung, die ihre persönlichen Hindernisse ernst nimmt, sei es bei gesundheitlichen Problemen, Pflegeverpflichtungen oder fehlenden Qualifikationen. Wir als Linke versuchen, in unseren Sozialsprechstunden aufzufangen, wo es geht. Aber das ist Aufgabe des Staates.

(Beifall bei der Linken)

Stattdessen bekommen die Menschen ein immer brutaleres Sanktionsregime, das ihnen die Luft zum Atmen nimmt. Hören Sie endlich auf, die Krise der Wirtschaft auf dem Rücken derjenigen auszutragen, die eh am wenigsten haben! Es funktioniert nicht. Es gibt keine empirischen Belege dafür, dass Sanktionen wirken. Sie sind kein sinnvolles Instrument, um Leute nachhaltig in Jobs zu vermitteln. Aber das ist ja auch gar nicht das Ziel. Auch in diesem Jahr werden die wichtigsten Eingliederungsmittel, die eigentlich für Weiterbildung und Qualifizierung gedacht waren, kurzerhand dafür genutzt, um das Finanzloch in der Verwaltung der Jobcenter zu stopfen. Sie kürzen also genau die Mittel, die Menschen nachhaltig in den Arbeitsmarkt integrieren und ihnen echte Perspektiven eröffnen sollen.

Was wollen Sie also stattdessen? Sie wollen Angst schüren. Sie wollen Menschen zwingen, jeden noch so unpassenden und schlecht bezahlten Job anzunehmen. Und Sie richten damit gleichzeitig auch eine Botschaft an alle arbeitenden Menschen: Füße stillhalten, sonst landet ihr dort, wo es noch weniger zum Leben gibt. – Diese Spaltungsrhetorik ist menschenverachtend.

(Beifall bei der Linken)

Sie bringt nur den Reichen etwas und ihren Gehilfen von der CDU/CSU. Was diese Regierungsparteien machen, ist nichts anderes als Klassenkampf von oben.

(Beifall bei Abgeordneten der Linken)

Parallel zur Hetze gegen Bürgergeldempfänger/-innen erleben wir einen massiven Angriff auf die Arbeitszeit; das geht Hand in Hand.

Deswegen an die Leute da draußen: Lasst euch nicht für dumm verkaufen. Für die arbeitenden Menschen, vor allem für diejenigen mit niedrigen Löhnen, ändert sich durch die Kürzung beim Bürgergeld gar nichts. Im Gegenteil: Die Angst vor dem sozialen Abstieg macht erpressbarer und schwächt die Verhandlungsposition.

Statt Menschen gegeneinander auszuspielen, müssen wir gemeinsam für eine armutsfeste Grundsicherung, bessere Löhne, bessere Arbeitszeiten und eine Gesellschaft kämpfen, in der niemand mehr zurückgelassen wird. Sicherheit heißt vor allen Dingen soziale Sicherheit. Und die ist kein Luxus. Sie ist die Grundlage für eine funktionierende Demokratie.

Danke.

(Beifall bei der Linken)