Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für die Verteidigung sind das größte Aufrüstungsprogramm seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Finanzierung erfolgt durch eine völlig entgrenzte Schuldenaufnahme auf Kosten der jungen Generation – ein Teil sitzt oben auf der Tribüne –, und zwar ohne dass diese Generation durch die Investitionen in Bildung davon profitieren würde. Diese Generation sitzt schon heute in maroden Klassenzimmern und auf kaputten Schultoiletten, und zum Dank dafür tut man ihnen jetzt noch die Wehrpflicht an.
Insgesamt erwarten uns als Gesellschaft harte Einschnitte in allen Bereichen, natürlich vor allem im Sozialen. Der sozialdemokratische Ministerpräsident von Spanien, Pedro Sánchez, hat sich standhaft dem 5-Prozent-Ziel verweigert, und zwar mit dem Hinweis, das werde Steuererhöhungen für die Mittelschicht bedeuten, Sozialkürzungen nach sich ziehen und notwendige Investitionen verhindern. Chapeau! Es gibt sie also doch noch, die aufrechten Sozialdemokraten, wenigstens in Spanien.
(Beifall bei der Linken – Zuruf des Abg. Falko Droßmann [SPD])
Unbegrenzt Geld für die Rüstung, aber Kahlschlag im Sozialen und bei der Bildung – das vertieft die soziale Spaltung in diesem Land, und so bekämpft man den Rechtsruck mit Sicherheit nicht. Das gängige Narrativ, das zur Rechtfertigung dieses Wahnsinns herangezogen wird, geht ungefähr so – ich hoffe, ich beschreibe das richtig –: Wir haben in den letzten Jahren zu wenig für Rüstung ausgegeben; das müssen wir jetzt nachholen. – Bereits im vergangenen Jahr aber, also noch vor dem sagenumwobenen NATO-Gipfel, haben die 32 Mitgliedstaaten der NATO mehr Geld für Rüstung ausgegeben als der Rest der Welt zusammen. 55 Prozent der weltweiten Rüstungsausgaben entfielen auf die NATO. Wie viel Geld wollen Sie eigentlich noch versenken, bis Sie sich endlich sicher fühlen? Die 5-Prozent-Zahl ist außerdem absolut willkürlich gesetzt. Begründet wird das mit Fähigkeitslücken bei den einzelnen Streitkräften. Merkwürdig ist dabei nur, dass in allen 32 Mitgliedstaaten diese Lücke mit exakt 5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts offenbar gleich groß ist.
(Zuruf der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Offenbar wird alles über einen Kamm geschoren. Individuelle Fähigkeitslücken werden, anders als immer behauptet, nicht betrachtet.
Apropos Fähigkeitslücken: Welche Fähigkeitslücken die Bundeswehr hat und mit welchen Maßnahmen und vor allem zu welchen Kosten diese zu schließen wären, wird weder in der Öffentlichkeit noch – Sara Nanni wird mir zustimmen – im nichtöffentlich tagenden Verteidigungsausschuss mitgeteilt.
(Zuruf der Abg. Sara Nanni [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Diese Informationen wären geeignet, die nationale Sicherheit zu gefährden, so heißt es immer. Dann bleibt mir als Abgeordnetem wohl nur, der Bundesregierung blind zu vertrauen. Und Sie mögen es mir jetzt bitte nachsehen, dass das selbst ohne die vielen bereits gebrochenen Versprechen der Koalition reichlich viel verlangt wäre. Wie der erste gescheiterte Wahlgang bei der Kanzlerwahl gezeigt hat, ist das auch für die Abgeordneten der Regierungskoalition selbst etwas viel verlangt. Wenn, wie kürzlich geschehen, in einer Beschaffungsvorlage die Stückzahl geschwärzt ist, ist eine qualifizierte Entscheidung überhaupt nicht mehr zu treffen. Bekomme ich jetzt 10 oder 20 oder 30 Stück von etwas? Ich weiß, insbesondere Sie von der Union haben ja eine Vorliebe für Schwärzungen in Dokumenten, aber meistens kommt das die Steuerzahler teuer zu stehen.
(Beifall bei der Linken – Zuruf von der Linken: Ganz meine Meinung!)
Uns drängt sich der Verdacht auf, dass Sie sich bei Ihren Rüstungsdeals einfach nicht in die Karten schauen lassen wollen.
Die Pläne der Bundesregierung reichen weit über das hinaus, was für die militärische Verteidigungsfähigkeit Deutschlands erforderlich wäre. Aber für die Friedensorganisation OSZE beispielsweise hat die Bundesregierung pünktlich zum 50. Jahrestag der Schlussakte von Helsinki nur Peanuts übrig. Die Einhaltung des Völkerrechts und nichtmilitärische Sicherheit sind dieser Bundesregierung praktisch nichts wert.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, der Etatentwurf für Verteidigung ist ein sicherheits- und sozialpolitischer Brandbeschleuniger.
(Siemtje Möller [SPD]: Das stimmt doch alles nicht! Das ist einfach falsch!)
Doch Sie können sich sicher sein: Die Linke tritt dafür ein, dass bei Ihrem Aufrüstungswahn die Demokratie und der Zusammenhalt in der Gesellschaft nicht unter die Räder kommen.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der Linken)