Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen!
(Zurufe von der AfD: Oh!)
Eigentlich würde ich heute gerne mit Ihnen anstoßen: auf die Stärkung der Menschenrechte, auf die Verteidigung der Meinungsfreiheit und auf die konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention. Doch die Realität nach 75 Jahren deutscher Mitgliedschaft im Europarat lässt dies leider nicht zu.
Als Lehre aus den Gräueln des Faschismus wurde der Europarat nach dem Zweiten Weltkrieg als Hüter der Menschenrechte gegründet. Doch heute sitzen Faschisten wieder in den Parlamenten, so auch hier im Haus.
(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernd Baumann [AfD]: Hallo? – Nicole Höchst [AfD]: Das ist eine Frechheit!)
Und eine Institution, die sich für Demokratie und Menschenrechte starkmacht, ist notwendiger denn je. Aber viele der Ziele des Europarats bleiben unerreicht; sie werden sogar aktiv sabotiert.
In vielen Mitgliedstaaten des Europarats ist die Realität erschreckend. In Ungarn werden die Rechte von Journalistinnen und Journalisten geknebelt, Minderheiten unterdrückt.
(Peter Boehringer [AfD]: Das würden Sie nie machen! Haben die Linken noch nie gemacht in ihrer Geschichte! Lesen Sie mal Ihren Ulbricht!)
In der Türkei werden die Meinungsfreiheit eingeschränkt und politische Gegner/-innen verfolgt. An den Außengrenzen der EU erleben Migrantinnen und Migranten täglich Gewalt und illegale Pushbacks. Frontex und EU-Staaten tragen zur systematischen Verletzung von Menschenrechten bei und lassen täglich Menschen im Mittelmeer ertrinken.
(Beifall bei der Linken)
Wo, sehr geehrte Damen und Herren, bleibt hier die Antwort des Europarats? Wo ist der politische und rechtliche Druck? Es reicht nicht aus, nur Mahnbriefe zu versenden oder sich besorgt zu zeigen. Die Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dürfen nicht mehr folgenlos bleiben, sondern es braucht endlich echte Konsequenzen.
(Beifall bei der Linken)
Sich mit einer Mitgliedschaft im Europarat zu schmücken, schützt nicht vor Menschenrechtsverstößen. Das zeigt sich auch in Deutschland: Im Ranking der Pressefreiheit rutscht Deutschland weiter ab, täglich erleben wir Femizide, und jedes vierte Kind ist von Armut oder von sozialer Ausgrenzung bedroht. Kein Tag ohne rechte, rassistische, antisemitische Gewalt!
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ja, von wem?)
Und Maja T., Antifaschistin aus Jena, wurde rechtswidrig nach Ungarn ausgeliefert, obwohl die menschenverachtenden Haftbedingungen dort bekannt sind. Menschenrechte dürfen keine Floskeln sein. Holt Maja zurück!
(Beifall bei der Linken)
Der Europarat und seine Konventionen stehen zunehmend unter Druck, sei es durch die Missachtung von Urteilen oder Versuche, die Kompetenzen des Gerichtshofes zu beschneiden. Um seine Glaubwürdigkeit zu wahren, muss der Europarat gestärkt werden. Der längst überfällige Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention ist dabei ein zentraler Schritt.
Wir fordern: Die Doppelmoral muss ein Ende haben. Denn eines ist klar: Menschenrechte sind unteilbar. Sie gelten für alle, oder sie gelten für niemanden.
(Nicole Höchst [AfD]: Sogar für uns! – Jens Spahn [CDU/CSU]: Gilt das auch für SED-Unrecht?)
Vielen Dank.
(Beifall bei der Linken)