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Rentenpaket der Bundesregierung: Nicht schlechter ist nicht gut genug

Rede von Heidi Reichinnek,

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute hört man ja ganz neue Töne aus der Koalition. Seit Monaten wollen Sie uns doch eigentlich einreden, wir könnten uns diesen Sozialstaat nicht mehr leisten und das Rentensystem sei nicht mehr finanzierbar. Um das zu beweisen, werfen Sie immer irgendwelche Milliardenbeträge in den Raum: Über 110 Milliarden Euro Bundeszuschuss, das klingt nach echt viel, oder? Wer soll das noch alles bezahlen?

(Zuruf des Abg. Johannes Winkel [CDU/CSU])

Na ja, setzt man die Bundeszuschüsse ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt – die einzig logische Art und Weise, wie man hier irgendwas vergleichen kann –, dann sind die prozentual sogar gesunken:

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der SPD)

von 3,5 Prozent im Jahr 2003 auf 2,6 Prozent im Jahr 2024. Mensch, wer hätte es gedacht? Noch ist die Rente nicht verloren. Im Gegenteil, ich sage Ihnen mal was: Dieses Rentensystem hat zwei Weltkriege überstanden; das übersteht Ihre Regierung auch noch.

(Beifall bei der Linken – Johannes Winkel [CDU/CSU]: Das Rentensystem wurde 1957 reformiert!)

Denn das Rentensystem ist nicht das Problem, die darin angelegte Ungerechtigkeit ist es. Da müssen wir ran.

Anstatt dieses Immerhin-besser-als-nichts-Paket hier durchzuwinken, brauchen wir eine echte Rentenrevolution. Keine Panik, ich erkläre Ihnen, wie es geht: Erstens. Alle Erwerbstätigen, ja, auch Abgeordnete, müssen in die Rente einzahlen; nur das ist fair.

(Beifall bei der Linken)

Zweitens. Die Beitragsbemessungsgrenzen müssen verdoppelt werden, damit sich niemand der Solidargemeinschaft entziehen kann. Drittens. Es braucht eine solidarische Mindestrente. Diese Maßnahmen wären ein wirklicher Beitrag zu mehr Rentengerechtigkeit. Denn daran, dass 3,5 Millionen Menschen in Altersarmut leben, ändern ihre Vorschläge leider herzlich wenig.

Vor allem davon betroffen sind übrigens Frauen. Deswegen ist die Vollendung der Mütterrente – da lobe ich Sie jetzt mal explizit, liebe CSU, weil ich weiß, dass Sie das gar nicht gerne hören – eine gute und richtige Sache.

(Beifall bei der Linken)

Dass Frauen, die vor 1992 Mütter wurden, anders behandelt werden als die, die später Kinder bekamen, kann man wirklich keinem normalen Menschen mehr erklären.

Aber jetzt wäre es schon ganz nett, wenn Sie sich in der Koalition endlich auch um die strukturelle Benachteiligung von Frauen und Müttern kümmern würden. Die Lohnlücke zu schließen, wäre zum Beispiel eine Idee, oder Betreuungsstrukturen auszubauen, damit Frauen wirklich mal so viel arbeiten können, wie sie wollen.

(Beifall bei der Linken)

Und ja, das Rentenniveau muss auf 53 Prozent steigen; denn seit Rot-Grün – ich weiß, das tut weh, aber es ist leider so – das damals auf 48 Prozent gedrückt hat, hat sich die Altersarmut nahezu verdoppelt. Statt diesen Fehler rückgängig zu machen, klopft sich die ganze Koalition auf die Schulter, weil sie die 48 Prozent nicht noch weiter absenkt. Aber Moment, die ganze Koalition? Nein. Eine aus unbeugsamen Abgeordneten bestehende sogenannte Junge Gruppe in der Union hört nicht auf, auch noch dem letzten Rest sozialer Sicherung in diesem Land Widerstand zu leisten und obendrein Jens Spahn mal wieder aufzuzeigen, dass er seine Fraktion leider nicht im Griff hat.

(Johannes Winkel [CDU/CSU]: Da gibt es noch nicht mal Applaus von den eigenen Leuten! – Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Koalition plant hier wirklich nur das absolute Minimum. Die Situation von Millionen Rentnerinnen und Rentnern soll sich zumindest nicht akut weiter verschlechtern. Selbst das geht Ihren Möchtegernrebellen noch zu weit. Sie sorgen sich angeblich um die Generationengerechtigkeit. Wissen Sie, es mag Sie überraschen; aber junge Leute gönnen ihren Großeltern und Eltern Renten, die zum Leben reichen.

(Beifall bei der Linken – Johannes Winkel [CDU/CSU]: Großeltern gönnen ihren Enkeln aber auch was, Frau Reichinnek!)

Trotzdem freue ich mich natürlich immer, wenn die Union die sogenannten jungen Leute für sich entdeckt. Aber wie sieht es denn mit der Generationengerechtigkeit aus, wenn junge Leute in Schulen sitzen, die vergammeln, wenn das Klima zerstört wird oder sich Studierende und Azubis keine Wohnung mehr leisten können? Wo bleibt denn da der Aufschrei aus Ihren Reihen?

(Beifall bei der Linken)

Nein, sie wollen hier Jung gegen Alt in Stellung bringen, anstatt endlich da anzusetzen –

– Herr Präsident, ich komme zum Schluss –, wo das Problem wirklich liegt, nämlich daran, dass einige wenige immer mehr haben und sich aus der Solidargemeinschaft verabschieden. Das ist der eigentliche Skandal.

(Beifall bei der Linken – Johannes Winkel [CDU/CSU]: Redezeit!)

Es geht hier um nicht weniger als um Respekt, Anerkennung und Gerechtigkeit. Wir als Linke werden weiter dafür kämpfen.

(Beifall bei der Linken)