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Rüstungsexporte: Verbieten statt abwägen!

Archiv Linksfraktion - Rede von Jan van Aken,

Das, was die beiden Herren von der Regierungskoalition heute abgeliefert haben, ist für mich das Niveauloseste, was ich hier in den letzten zwei Jahren gehört habe. Das ist unerträglich.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Lämmel, Sie haben Ihre Rede mit den Worten begonnen, das sei alles emotional überlagert. Ich will Ihnen einmal sagen, worum es bei Waffenexporten geht. Das sind keine Nähmaschinen oder Kühlschränke. Es geht hier um Krieg, um Gewalt und Tod.

(Dr. Claudia Winterstein (FDP): Das erklären Sie einmal Frau Wieczorek-Zeul!)

Das mögen Sie emotionslos sehen. Ich sehe das überhaupt nicht emotionslos.

(Beifall bei der LINKEN)

Zu Herrn Lindner muss ich sagen, dass ich das unerträglich finde: Jedes Mal, wenn hier eine Frau redet, dann macht dieser Macho arrogante Zwischenrufe und krault sich seine Eier. Das ist wenig zu ertragen. Das geht überhaupt nicht.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ‑ Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

Entschuldigen Sie, Frau Präsidentin. Ich entschuldige mich dafür.

Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Für den „Macho“ oder für was jetzt?

Jan van Aken (DIE LINKE): Für die „Eier“.

Dazu, dass Sie jetzt sagen, Sie finden diese Debatte langweilig, will ich Ihnen einmal etwas sagen:

(Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Jetzt könnten Sie einmal etwas zur Debatte sagen! ‑ Dr. Martin Lindner (Berlin) (FDP): Ihre Anträge finde ich langweilig!)

Alle 60 Sekunden wird irgendwo auf dieser Welt ein Mensch erschossen. Das sind 500 000 Männer, Frauen und Kinder jedes Jahr. Deutschland ist als drittgrößter Rüstungsexporteur der Welt für viele dieser Toten mitverantwortlich.

(Dr. Joachim Pfeiffer (CDU/CSU): Ach, das ist doch absurd! ‑ Dr. Claudia Winterstein (FDP): Und wie war das unter Wieczorek-Zeul?)

Ich finde das nicht langweilig. Ich finde, wir müssten darüber reden, wie wir das ändern können.

(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Jetzt zu den Fakten. Herr Lämmel, Sie sagen, wir müssten einmal mit den falschen Fakten aufräumen. Ich nenne Ihnen einmal die richtigen Fakten:

Jedes Jahr genehmigt diese Bundesregierung Rüstungsexporte im Wert von durchschnittlich 6,9 Milliarden Euro. Jedes Jahr genehmigen Sie Exporte in über 130 Länder. Darunter sind auch Länder wie Pakistan, Indien, Griechenland, die Türkei und Katar. Ich kann sie gar nicht alle aufzählen. Was am Ende mit diesen Waffen passiert, haben wir alle letztes Jahr im Arabischen Frühling gesehen. Dort wurde auch mit deutschen Waffen gekämpft. Bei Gaddafi im Lager wurden nagelneue deutsche Sturmgewehre gefunden. Mubaraks Polizisten in Ägypten waren mit deutschen Maschinenpistolen unterwegs. Die Leute, die in Kairo protestierten, wurden mit deutschen Wasserwerfern weggepustet. Das finden Sie langweilig? Ich finde das nicht langweilig. Ich finde, das ist ein Skandal.

(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD))

Wir wollen das ändern. Da stellt sich doch die Frage, was hier eigentlich falsch läuft. Ich glaube, zunächst einmal läuft falsch, dass Sie überhaupt gar nicht wissen, wovon Sie reden. Herr Lämmel redet hier von einem Gesetz und zitiert aus einem Text, das überhaupt kein Gesetz ist. Das sind nämlich sogenannte politische Grundsätze, die sich die Bundesregierung selber gegeben hat.

Das erste große Problem ist, dass das kein Gesetz und nicht rechtsverbindlich ist. Sie können sich daran halten, müssen sich aber nicht daran halten. Das wissen Sie nicht einmal, wenn Sie hier reden. Das zeigt mir doch den Skandal, dass hier nicht einmal ein einziger Außenpolitiker sitzt, der ein bisschen davon versteht.

(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Rechtsunverbindlichkeit ist aber nur der eine Teil des Problems. Der andere Teil des Problems ist, dass in diesen politischen Grundsätzen zwar ganz viel von Menschenrechten und Kriegsgebieten die Rede ist, dass aber auch das alles unverbindlich ist. Das alles wird am Ende abgewogen. Es wird aus außenpolitischen Gründen dann doch erlaubt, Waffen zu exportieren. In der Praxis sieht es dann so aus: Die Menschenrechte und die außenpolitischen Interessen werden gegenübergestellt und gegeneinander abgewogen. Die Menschenrechte verlieren dabei ständig, die Waffen werden immer exportiert, so wie die Panzer nach Saudi-Arabien. Das muss wirklich aufhören.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich finde, wir müssen beide Probleme lösen, und ich denke, die Grünen haben hier den ersten Schritt gemacht ‑ den finde ich gut ‑, indem sie sagen: Wir müssen das endlich rechtsverbindlich machen und in ein Gesetz gießen. Ich finde aber, Sie bleiben auf halber Strecke stehen. Das zweite Problem gehen Sie gar nicht an. Sie müssen auch in einem solchen Waffenexportkontrollgesetz verbieten, dass Waffen an Menschenrechtsverletzer geliefert werden. Sie belassen es bei dieser Abwägung. Ich sage Ihnen: Auch hier werden die Menschenrechte immer verlieren. Es muss klipp und klar verboten werden, dass Menschenrechtsverletzer Waffen bekommen. Punkt!

(Beifall bei der LINKEN)

Mir ist sehr klar, dass es bei diesen Mehrheiten im Bundestag und bei dieser Inkompetenz auf dieser rechten Seite nicht möglich sein wird, in naher Zukunft viel an den Waffenexporten zu ändern. Das Mindeste, was Sie tun könnten, ist aber, wenigstens einen kleinen Schritt zu gehen und den Verkauf von Sturmgewehren und Maschinenpistolen zu verbieten. Das sind die Massenvernichtungswaffen des 21. Jahrhunderts. Mit diesen Waffen werden weltweit mehr Menschen getötet als mit allen anderen Waffensystemen zusammen.

Hier frage ich mich auch: Warum sind Sie von den Grünen und von der SPD nicht bereit, diesen winzigen Schritt zu gehen? Wenn Sie jetzt mit Arbeitsplätzen argumentieren, dann sage ich: Das stimmt nicht. Bei einem Verbot des Verkaufs von Sturmgewehren und Maschinenpistolen reden wir von 300 Arbeitsplätzen in Deutschland. Ich glaube, wenn wir an die vielen Toten denken, die diese Waffen zu verantworten haben, dann können wir das in Kauf nehmen.

Während ich hier rede, sind irgendwo auf der Welt schon wieder vier Menschen erschossen worden, vielleicht auch mit deutschen Waffen. Ich bin der Meinung, dass Deutschland überhaupt keine Waffen mehr exportieren sollte. Ich finde, einen kleinen Schritt dahin, einen kleinen Anfang haben Sie mit Ihrem Antrag gemacht. Er geht mir nicht weit genug. Zustimmen werden wir trotzdem.

Ich bedanke mich.

(Beifall bei der LINKEN)