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Schluss mit Diskriminierung - Warum das Grundgesetz jetzt angepasst werden muss!

von Maik Brückner,

Frau Präsidentin! Heute geht es um eine ganz einfache Sache: Niemand soll wegen seiner sexuellen Identität benachteiligt werden, nicht mehr und nicht weniger, und das soll im Grundgesetz verankert werden.

(Beifall bei der Linken)

Es geht nicht um Sonderrechte, es geht um den gleichen Schutz für alle.

Danke schön. – Der Bundesrat hat den Gesetzentwurf zur Ergänzung von Artikel 3 Grundgesetz inzwischen auf den Weg gebracht. Der Regierende Bürgermeister von Berlin Kai Wegner hat sich im Vorfeld der Berliner Bundesratsinitiative mehrfach geäußert. Er warnte eben auch vor Schnellschüssen.

Aber mal im Ernst: Die Idee ist wirklich nicht neu.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Schon der Verfassungsentwurf des Runden Tisches in der DDR sah in Artikel 1 Absatz 2 einen Schutz vor Diskriminierung wegen sexueller Orientierung vor. Leute, das war vor 35 Jahren! Der heute 52-jährige Wegner war damals noch nicht mal volljährig. Von einem Schnellschuss kann ja nun wirklich keine Rede sein! Es wird höchste Zeit, dass wir da endlich vorankommen.

(Beifall bei der Linken und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Debatte um Artikel 3 ist so alt wie das Grundgesetz selbst. In den 1940er-Jahren setzte sich Elisabeth Selbert, eine der wenigen Frauen im Parlamentarischen Rat, dafür ein, dass es im Grundgesetz heißt: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“

(Stephan Brandner [AfD]: Ja, das steht dadrin, das ist korrekt!)

Sie hat sich durchgesetzt. Aber auch dieser Fortschritt musste gegen massiven Widerstand erkämpft werden. Auch damals ist von rechts der Untergang des Abendlandes beschworen worden. Heute erscheint uns Selberts Formulierung als völlige Selbstverständlichkeit. Zu Recht!

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe auch mit großem Interesse wahrgenommen, dass Teile der CDU jetzt für sich in Anspruch nehmen, dass der Bundesrat sich für eine Ergänzung von Artikel 3 starkmacht. Es ist gut, wenn Sie Ihre ursprüngliche Ablehnung des Vorhabens jetzt korrigieren.

(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

Sie haben jetzt die Chance, das Ganze zu vollenden, und Sie haben dabei einen großen Teil der Abgeordneten hier im Haus an Ihrer Seite. Alle Parteien haben sich doch inzwischen eine Meinung gebildet. Bei jeder Partei ist klar, wie sie abstimmen wird; nur die Union zögert noch. Es hängt alleine an Ihren Stimmen, ob der Bundestag einer Grundgesetzänderung zustimmt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union, lieber Herr Spahn, Sie haben die Wahl: Flirt mit der extremen Rechten oder Grundgesetz stärken.

(Beifall bei der Linken)

Ihre CDU-Parteifreunde in Berlin, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein haben eine Entscheidung getroffen. Schließen Sie sich dem an. Machen Sie den Rücken gerade.

(Beifall bei der Linken und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schauen wir uns doch mal in Europa um. Das EU-Mitglied Slowakei hat unter der Regierung von Robert Fico gerade die Verfassung geändert, sodass der Staat nur noch zwei Geschlechter anerkennt.

(Stephan Brandner [AfD]: Richtig so!)

In Ungarn ist das schon lange Realität. In Deutschland könnte innerhalb der EU und auch darüber hinaus ein starkes Zeichen gesetzt werden, indem es einen anderen Weg geht.

(Beifall bei der Linken)

Zur Erinnerung: Der Bundeskanzler hat mir während der Regierungsbefragung garantiert, er werde alles dafür tun, dass queere Menschen in Deutschland ein gutes Leben haben. Ich finde, es wäre an der Zeit, langsam auch mal ins Machen zu kommen.

(Beifall bei der Linken und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Linke stimmt selbstverständlich jedem Fortschritt zu, auch wenn er noch so klein erscheint. Wir sagen aber auch: Die Diskriminierung von trans-, intersexuellen und nichtbinären Menschen muss zweifelsfrei ausgeschlossen werden. Wir halten es deshalb für notwendig, dass auch das Merkmal der geschlechtlichen Identität in Artikel 3 aufgenommen wird.

(Beifall bei der Linken)

Und wenn wir schon dabei sind: Streichen Sie doch endlich auch den unsäglichen Begriff „Rasse“ aus Artikel 3. Es gibt keine Menschenrassen.

(Beifall bei der Linken und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man will, dass Menschen nicht rassistisch diskriminiert werden, dann muss man das auch so in das Grundgesetz schreiben.

(Zurufe von der AfD)

– Jetzt halten Sie mal Ihren rechten Rand, mein Gott.

(Beifall bei der Linken – Stephan Brandner [AfD]: Streichen Sie mal „Rassismus“ aus Ihrem Wortschatz!)

Zwischen Verfassungstext und Verfassungswirklichkeit gibt es einen oft himmelschreienden Unterschied. Selberts Erfolg hat das Patriarchat nicht beendet. Auch weitere Ergänzungen zum Artikel 3 werden uns nicht vor den Auswirkungen einer drohenden rückschrittlichen, queerfeindlichen Gesellschaft schützen. Klar, eine Grundgesetzänderung wird nicht verhindern, dass Rechtsextreme CSDs angreifen oder queere Menschen auf der Straße zusammengeschlagen werden.

Nein.

Eine Grundgesetzänderung wird auch nicht verhindern, dass Regierungen die Mittel streichen wie aktuell für die Aidshilfen oder Projekte für queere Wohnungslose. Wenn ein queerer Club wegen gestiegener Mieten oder Energiekosten dichtmacht, dann wird das auch das Bundesverfassungsgericht nicht ändern. Es braucht eine andere Politik.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen aktiv etwas dafür tun, dass queere Menschen in Deutschland ein gutes Leben haben: im Regierungshandeln, im Alltag, aber auch durch praktische Solidarität in den Communitys. Eine fortschrittliche Verfassung kann uns den Rücken stärken in unserem alltäglichen Kampf für eine gerechte Gesellschaft. Wir brauchen das klare Bekenntnis zu Vielfalt und Raum für freie Entfaltung. Und wir brauchen Zugang zu guter Gesundheitsversorgung, zu günstigen Mieten und zu fairen Löhnen. Wir wollen keine Sonderrechte. Wir wollen gleiche Rechte für alle.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)