Es geht um das Grundgesetz und um die Frage, was für ein Deutschland wir künftig wollen: einen Staat voller Misstrauen oder eine Republik der Bürgerrechte.
Erstens. Die FDP beantragt, die umfassenden Sicherheitsüberprüfungenfür Privatpiloten von Kleinflugzeugen auf ein Normalmaß zurückzuführen und zugleich rechtliche
Unklarheiten auszuräumen. Das scheint, wie die „FAZ“ titelte, ein „Nebenkrieg um die Lufthoheit“ zu
sein, also nichts von Belang. Aber der erste Blick täuscht. Es geht ums Grundsätzliche.
Zweitens. Die Sicherheitsprüfungen für Piloten von Kleinflugzeugen wurden mit dem
Luftsicherheitsgesetz im Januar 2005 verfügt. Und wie viele andere so genannte Anti-Terror-Gesetze
wurde auch das Luftsicherheitsgesetz vom Bundesverfassungsgericht als grundgesetzwidrig kassiert,
jedenfalls sein Herzstück, das den Einsatz der Bundeswehr im Innern vorsah.
Drittens. Darüber hatten wir hier im Plenum schon einmal kontrovers debattiert. Christian Ströbele
hatte damals argumentiert, er habe das Gesetz immer für falsch gehalten und er begrüße das
vernichtende Urteil. Aber ohne Gesetz hätte es auch kein Urteil dagegen geben können. Deshalb
habe er seinerzeit für das Gesetz gestimmt. So schwarz kann grüner Humor sein.
Viertens. Spannend und bemerkenswert ist etwas anderes. Das Karlsruher
Bundesverfassungsgericht hatte kaum geurteilt, da setzten die Gerichtsschelte aus der Union ein.
Doch damit nicht genug. Inzwischen verkündete Bundesverteidigungsminister Jung, im Ernstfall sei
ihm das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes egal, also das Grundgesetz.
Fünftens. Und nun vergleichen Sie bitte: Landauf, landab wird darüber debattiert, welchen
Prüfungen Migranten auszusetzen seien, um ihre Verfassungstreue zu testen. Aber ein
Bundesminister, der auf das Grundgesetz einen Eid geleistet hat, darf ungerügt sagen, das
Grundgesetz interessiere ihn nicht. Das ist ein Ding aus dem deutschen Tollhaus.
Sechstens. Leider ist das kein Einzelfall. Ex-Innenminister Gerhart Baum resümierte unlängst: „Die
Erosion der Grundrechte schreitet rapide fort. Die Staatsorgane haben sich angewöhnt, Grundrechte
nicht mehr zu achten.“ Und er hat Recht: Seit Jahren finden massive Angriffe auf die Verfassung hier
im Bundestag Mehrheiten. Mit Patriotismus hat das nichts zu tun.
Siebtens. Hinzu kommt: Nahezu alle Sicherheitsgesetze der letzten Jahre durchzieht eine fatale
Philosophie: Sie bringen nicht mehr Sicherheit, aber sie opfern Bürgerrechte. Die ersten „Otto-Pakete“
wurden mit den Stimmen der SPD sowie der Grünen und außerdem mit dem Versprechen
beschlossen, sie würden binnen drei Jahren überprüft. Darauf warte ich noch heute.
Achtens. Heute geht es um eine solche Überprüfung, nämlich ob Privatflieger von Kleinflugzeugen
so umfangreich und so häufig auf ihre Loyalität zum Grundgesetz überprüft werden müssen, wie es im
Luftsicherheitsgesetz festgelegt wurde. Ich sage Ihnen: Nein, diese übertriebenen Prüfungen sind
Unsinn und sachlich nicht begründbar. Sie sind sogar gefährlich.
Neuntens. Denn Sie verraten mehr über die strategischen Absichten der Bundesregierungen als
über die verdächtigten Piloten. Alle Fachleute sind sich einig: Die umstrittenen Kleinflugzeuge sind für
terroristische Anschläge weitgehend untauglich. Sie sind zu leicht, zu langsam, zu wenig belastbar,
um große Schäden anzurichten. Also eine Null-Nummer!
Zehntens. Zugleich sei jeder Pkw für Anschläge besser geeignet. In der Logik der
Sicherheitsfanatiker müssten demnach alle Autofahrer von Geheimdiensten permanent überprüft
werden. Und mit den aktivierbaren Mautbrücken auf Autobahnen sind solche Überwachungen ja auch
längst vorinstalliert. Das ist offizieller Trend und den lehnt Die Linke ab.
Elftens. Ich wünschte mir dagegen, dass auch der ADAC endlich aufwacht und bürgerrechtlich
mobil wird. Denn sein alter Slogan „freie Fahrt für freie Bürger“ bekommt längst einen neuen Klang.
Nicht die freie Fahrt, der freie Bürger ist in Gefahr. Und um nochmals den agilen Liberalen Gerhart
Baum zu zitieren: „Wir sind auf dem Weg in einen Überwachungsstaat.“
Zwölftens. Das ist mein Hintergrund für den scheinbar belangslosen Antrag. Es geht nicht um ein
paar Privatpiloten. Es geht um das Grundgesetz und um die Frage, was für ein Deutschland wir
künftig wollen: einen Staat voller Misstrauen oder eine Republik der Bürgerrechte. Ich weiß, wohin das
erste führt. Deshalb stimmt Die Linke für soziale und für Bürgerrechte.
(Die Rede von Petra Pau wurde zu Protokoll gegeben)