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Wettkampf zwischen AfD und Bundesregierung - wer ist menschenverachtender?

Rede von Clara Bünger,

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die AfD kann keinen Tag verstreichen lassen, ohne ihren Hass und ihre Hetze hier zu verbreiten.

(Adam Balten [AfD]: Hören Sie auf, zu hetzen!)

Gestern mussten wir uns Ihre Lügen über zehn Jahre „Sommer der Migration“ anhören. Heute legen Sie die nächsten Vorschläge aus Ihrer rassistischen Mottenkiste vor, und die haben es in sich. Ich gebe zu: Ich musste den Antrag tatsächlich zweimal lesen, weil ich es nicht glauben konnte. Die AfD fordert hier tatsächlich, notfalls Straßen und Brücken einzureißen.

(Dr. Bernd Baumann [AfD]: Einreißen?)

Hauptsache, kein Geflüchteter kommt mehr nach Deutschland! Während in Sachsen Brücken einstürzen und alle über notwendige Investitionen in die Infrastruktur sprechen, fordert die AfD, Straßen abzureißen, um Fluchtwege zu zerstören. Das ist nicht Politik; das ist blanker Irrsinn, den Sie hier betreiben.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Eine Partei, die ernsthaft Straßen abreißen will, ist nicht nur eine Gefahr für Schutzsuchende. Sie ist eine Gefahr für alle Menschen in diesem Land.

Schon die derzeitige Politik der Bundesregierung erschwert das Leben der Menschen in den Grenzregionen enorm. Einkaufen, zur Arbeit fahren, Ausflüge machen, Freunde besuchen, das alles wird mit der Grenzen-dicht-Politik von Merz und Dobrindt schon massiv beschränkt. Der AfD reicht das aber noch nicht. Sie will den Menschen auch noch die Straßen wegnehmen und damit das gelebte Europa von unten zerstören.

(Beifall bei der Linken sowie des Abg. Leon Eckert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Und dann ist da natürlich noch die Forderung nach Gewalt gegen Geflüchtete. Es gibt kaum einen Antrag der AfD, der ohne diese Forderung auskommt. Zurückweisung notfalls „erzwingen“ heißt im Juristendeutsch: notfalls mit Gewalt. Wenn es nach der AfD ginge – und das hat ja auch der Beitrag von Baumann ganz klar gezeigt –, hätten wir längst Verhältnisse wie unter Trump in den USA. Hetzjagden auf Schutzsuchende, eine Mauer um Deutschland, die Sie hochziehen wollen, illegale Haftlager, das ist die Logik der AfD.

Und die Union? Sie macht sich zum Vollstrecker der rechtswidrigen AfD-Forderungen. Herr Merz verkündet stolz im Sommerinterview, die irreguläre Migration sei um 60 Prozent gesenkt worden. Was er verschweigt: Hinter dem vermeintlichen Erfolg stehen in Wahrheit immer gefährlichere Fluchtrouten und immer mehr tote Menschen an den EU-Außengrenzen.

(Dr. Götz Frömming [AfD]: Die gab’s an Ihrer Mauer!)

Gleichzeitig weist Herr Dobrindt die Bundespolizei an, Asylsuchende rechtswidrig zurückzuweisen. Das ist kein Erfolg, Herr Dobrindt. Das ist ein Angriff auf den Rechtsstaat, den Sie hier betreiben.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Genau das haben die Gerichte inzwischen auch schon bestätigt. Im Juni entschied das Verwaltungsgericht Berlin, dass die Zurückweisung von Asylsuchenden gegen EU-Recht verstößt. Hören Sie gut zu, Herr Seif! Aber was macht die Bundesregierung? Sie spielt die Entscheidung herunter, redet von Einzelfällen oder nur Eilverfahren. Aber die Berliner Entscheidung beruhte gerade nicht auf besonderen Umständen im Einzelfall, sondern auf grundsätzlichen rechtlichen Fragestellungen. Und weitere Verfahren laufen: in München, Karlsruhe und Aachen. Das Muster ist immer gleich: Erst wird zurückgewiesen, und dann müssen Gerichte korrigieren. Die Bundesregierung weiß, dass ihr Vorgehen rechtswidrig ist.

Sehr gerne.

Vielen Dank, Frau Kollegin Bünger, dass Sie die Frage zulassen. – Ehe hier zur Verwirrung beigetragen wird: Sie wissen schon, dass das Verwaltungsgericht Berlin Entscheidungen getroffen hat, die als solche Einzelfallentscheidungen sind – nicht aufgrund der Begründung, sondern weil sie keine weitere Bindungswirkung haben. Diese betreffen immer nur den einzelnen Fall. Die Bundesregierung hat zu Recht auch mit Blick auf Artikel 72 AEUV und unsere Kompetenz bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit,

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn das beklagt werden würde!)

die nach wie vor national ist, an dieser Stelle und in dieser Lage gesagt: Wir machen Zurückweisung an der Grenze. – Sie hat eine andere Rechtsansicht. Teilen Sie meine Auffassung, dass es richtig ist, dass es eben Einzelfallentscheidungen sind, die rechtlich bindend nur für die jeweiligen Einzelfälle sind?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vielen Dank, Herr Seif, für diese Zwischenfrage, weil sie mir Gelegenheit gibt, noch mal auszuführen. – Ich gehe davon aus, dass Sie den Beschluss nicht gelesen haben.

(Detlef Seif [CDU/CSU]: Doch!)

Hätten Sie den Beschluss gelesen, Herr Seif, dann wüssten Sie, was da drinsteht.

(Detlef Seif [CDU/CSU]: Ja!)

In diesem Beschluss wurde nämlich zu grundsätzlichen Rechtsfragen Stellung genommen. Da ging es um die Praxis der Zurückweisungen, und die ist eben vergleichbar bei allen Menschen, die zurückgewiesen werden. Deshalb werden sich diese Rechtsfragen natürlich auch in weiteren Verfahren stellen. Wenn Sie jetzt auf die weiteren Verfahren schauen, dann werden Sie sehen, dass sie in gleichen Rechtsfragen auch gleich entscheiden werden.

Eigentlich verstehe ich unter guter Politik: Wenn ein Gericht entscheidet, dass mein Verhalten rechtswidrig ist, dann würde ich mich hinsetzen und mir überlegen: Wie kann ich mein Verhalten so gestalten, dass es im Einklang mit dem Recht steht? Aber das hat die Bundesregierung nicht gemacht. Das haben Sie nicht gemacht.

(Beifall bei der Linken und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie brechen weiter Recht,

(Steffen Bilger [CDU/CSU]: Unsinn!)

und deshalb werden auch weitere Entscheidungen so ausfallen. Wenn Sie auf Artikel 72 AEUV hinweisen – darauf wollte ich jetzt auch zu sprechen kommen –, dann wissen Sie doch, dass die Voraussetzungen von Artikel 72 AEUV nicht vorliegen, weil es keine Notlage gibt. Und Sie wissen auch – –

Sie können natürlich auch stehen bleiben. Wir können auch weiter darüber diskutieren.

Ich glaube, das ist eine sehr spannende Diskussion, die tatsächlich auch geführt werden muss, weil Sie immer noch nicht darlegen konnten, dass die Voraussetzungen von Artikel 72 AEUV vorliegen. Es liegt keine Notlage vor. Die Kommunen, die Sie heranziehen, sind nicht überlastet wegen der Geflüchteten. Die Aufnahmelager sind halb leer. Die Kommunen sind überlastet und überanstrengt, weil Sie sie mit neoliberaler Politik 30 Jahre zusammengespart haben.

(Beifall bei der Linken)

Und wenn Sie sich mit der Sache befasst hätten, dann wüssten Sie auch, dass der Europäische Gerichtshof in dieser Frage noch nie anerkannt hat, dass eine Notlage vorliegt: nicht in Griechenland, nicht in Italien, nicht in Ungarn und erst recht nicht in Deutschland.

(Beifall bei der Linken sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Kurz: Die Bundesregierung bricht europäisches Recht sehenden Auges.

Und was kostet dieses Theater? Seit September 2024 über 80 Millionen Euro,

(Filiz Polat [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Hört! Hört!)

pro Quartal bis zu 29 Millionen Euro. Geld, das für Wohnungen, Schulen, Kitas fehlt. Zudem klagt die Bundespolizei über Dauerstress, Überstunden und Sinnlosigkeit. Viele Beamte und Beamtinnen wissen längst, anders als es hier behauptet wurde: Diese Politik schafft keine Sicherheit. Sie ist rechtswidrig, und sie schafft Chaos.

(Beifall bei der Linken und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und während Sie Ihre Sündenbockpolitik betreiben, bleiben die wirklichen Probleme tatsächlich auf der Strecke: die Wohnungskrise, die wachsende Armut, die Klimakrise, die Gefahren neuer Kriege, der Zerfall der Infrastruktur. Die Debatte zeigt hier deutlich: Union und AfD liefern sich einen Wettkampf, wer am härtesten nach unten tritt, wer in der Lage ist, die menschenverachtendste Politik zu machen, kurz, wer das Recht am besten brechen kann.

(Beifall bei der Linken)

Ist es die Union mit den illegalen Zurückweisungen oder die AfD, der selbst das immer noch nicht genug ist? Das ist wirklich ein Trauerspiel.

Statt über Zurückweisungen sollten wir hier über die Lösung für die eigentlichen Probleme sprechen. Wie sorgen wir dafür, dass die Mieten nicht mehr steigen? Wie sorgen wir für gesicherte Löhne? Wie sorgen wir dafür, dass die Kinder, die dieses Jahr eingeschult wurden, eine Perspektive unabhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern haben? Wie sorgen wir für eine bessere Infrastruktur und sozialen Frieden für alle Menschen in diesem Land? Das sind die Fragen, die hier auf den Tisch gepackt werden müssen. Darüber sollten wir diskutieren, vor allen Dingen angesichts einer so präsenten Zeit, wo so viele Menschen hier sind. Das würde die Menschen auch mehr interessieren.

Vielen Dank.

(Beifall bei der Linken)