Darüber, wie viel Erdgas die Europäische Union in den kommenden Jahrzehnten benötigen wird, gibt es viele Studien, eine Menge davon im Auftrag der fossilen Energiekonzerne. Studien, die nicht aus dem Interesse am Verkauf von Erdgas erstellt wurden, sind übereinstimmend zu dem Ergebnis gekommen, dass der Bedarf an Erdgas künftig zurückgehen wird. So sind sich etwa die Internationale Energieagentur, IEA, und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, DIW, einig, dass der Gasverbrauch europaweit deutlich stärker sinken wird als die schrumpfende innereuropäische Förderung, sofern die geltenden Klimaschutzziele ernst genommen werden. Eine neue Gasinfrastruktur aus Pipelines und Flüssiggasterminals wird aber für einen längeren Zeitraum gebaut, deutlich über einen Zeitraum hinaus, bis zu dem die Welt treibhausgasneutral sein sollte. Die Klimakrise und das Klimaabkommen von Paris erfordern glasklar eine Abkehr von fossilen Strukturen und nicht den Aufbau von Infrastruktur, die dem Zweck dient, zusätzliche und nicht erforderliche Mengen an Erdgas nach Europa zu bringen.
Um Energie wurden einige der großen Kriege des 20. Jahrhunderts geführt. Heute noch wird über den Zugang zum europäischen Gasmarkt ein neuer Kalter Krieg zwischen Russland und den USA ausgetragen, in dem sich die Europäische Union auf die Seite der USA geschlagen hat. Die USA wollen Flüssiggas in den europäischen Markt drücken, das größtenteils klima- und umweltschädlich durch Fracking gewonnen wurde. Gefracktes Flüssigerdgas ist deutlich klimaschädlicher als Braunkohle, und wir lehnen das ab.
Der russische Gazprom-Konzern steht mittlerweile kurz vor der Fertigstellung von Nord Stream 2, nachdem vor wenigen Tagen auch noch Dänemark der Pipeline zugestimmt hat. Von den Gesamtkosten der neuen Pipeline von 9,5 Milliarden Euro übernimmt übrigens die Hälfte Gazprom, die andere Hälfte finanzieren fünf europäische Energieunternehmen: die BASF-Tochter Wintershall, OMV sowie Uniper, Royal Dutch Shell und die französische Engie.
Was wir heute hier debattieren, ist die Umsetzung einer EU-Richtlinie im Energiewirtschaftsgesetz, von der manche sagen, es sei der Versuch der EU, Nord Stream 2 Knüppel zwischen die Beine zu werfen, teils mit antirussischer Motivation kalter Krieger. In letzter Minute fädelte die Koalition jedoch noch eine Änderung ein, die Gazprom gegenüber der genauen Umsetzung der EU-Richtlinie wieder einen Vorteil einräumen könnte, falls sie sich als rechtssicher herausstellt. Auf der Strecke bleiben könnten dabei die Klimaschutzziele nicht nur Deutschlands, sondern auch Europas. Das hat Gazproms Pipeline mit Trumps LNG-Frackinggas gemeinsam.